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Veranstaltungsberichte

Der Weg zum Frieden: Herausforderungen und Konsequenzen des Referendums in Kolumbien aus rechtlicher Perspektive

Am 4. Oktober veranstaltete das Rechtsstaatsprogramm Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Diskussionsrunde zum Thema „Der Weg zum Frieden: Herausforderungen und Konsequenzen des Referendums in Kolumbien aus einer rechtlichen Perspektive“.

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Was nun, Kolumbien? - Rechtspolitische Folgen des Referendums aus Sicht von Prof. Dr. Kai Ambos from RSPLA on Vimeo.

An der Diskussion waren der deutsche Strafrechtsexperte und Richter am Landgericht, Prof. Dr. Kai Ambos von der Universität Göttingen und der kolumbianische Verfassungsrechtler Prof. Dr. Néstor Osuna von der Universität Externado, Bogotá beteiligt. Die Moderation der gut besuchten Veranstaltung, bei der insbesondere Rechtswissenschaftler, Vertreter internationaler Organisationen, politische Akteure und Vertreter der Zivilbevölkerung anwesend waren, übernahm Prof. Dr. Juana Acosta, Leiterin des Rechtsprogramms der Universidad de la Sabana, Bogotá.

Beim Referendum über den zwischen der Regierung von Präsident Santos und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) geschlossenen Friedensvertrag vom 2. Oktober 2016 gewann das „Nein“ mit einer Mehrheit von nur 0,43% gegenüber den „Ja“-Stimmen. Dieses für viele im Vorfeld völlig unerwartete Ergebnis hat zu einer kontrovers geführten, spontanen Diskussion über die möglichen rechtlichen und rechtspolitischen Auswege aus der jetzigen Situation geführt, dies insbesondere im Hinblick auf die möglicherweise anstehenden Neu- oder Nachverhandlungen des Friedensvertrags.

Prof. Ambos warf zunächst die Möglichkeit einer „kolumbianische Lösung“ auf. Es bleibe Kolumbien nichts anderes übrig als weiter zu verhandeln, dies unter Berücksichtigung der neuen Ausgangslage und der spezifischen politischen und rechtlichen Bedingungen und Bedürfnisse des Landes. Optimistisch schlug der deutsche Richter den Kolumbianern vor, aus der am 2. Oktober entstandenen „Not eine Tugend zu machen“. Die Ablehnung des bestehenden Abkommens durch eine knappe Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung könne im Rahmen neuer Verhandlungen unter Teilnahme einer breiten Delegation von Befürwortern des „Nein“ zu einem noch besseren Abkommen führen.

Angesichts der relativ geringen Wahlbeteiligung und des denkbar knappen Ausgangs des Referendums hielt Ambos das erzielte Ergebnis und die damit geschaffene Ausgangslage für Nachverhandlungen der Verträge für besser als einen knappen Sieg der „Ja“-Stimmen. Dann hätte man nämlich einen Friedensvertrag umgesetzt, dem nicht einmal ein Drittel der kolumbianischen Bevölkerung ihren Segen gegeben hätte. Ambos regte sogar an, bei den Neuverhandlungen Vertreter der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) – nach der FARC die zweitgrößte Guerilla in Kolumbien – mit an den Tisch zu holen, um eine noch breitere Basis der Zustimmung zu finden. Da dem von den Kolumbianern abgelehnten Friedensabkommen von der internationalen Gemeinschaft, insbesondere dem Internationalen Strafgerichtshof, das Plazet gegeben wurde, solle dieser unbedingt der Ausgangspunkt neuer Verhandlungen sein.

Prof. Osuna, der sich zunächst sprachlos angesichts des Ausgangs des Plebiszits zeigte, schloss sich der Meinung von Kai Ambos dahingehend an, dass der einzige Weg, der Kolumbien doch noch zum Frieden führen könne, nur über ein „Weiterverhandeln“ laufen könne, dies unter Einschluss aller Beteiligten. Er betonte, dass nicht nur im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen in Kolumbien im Jahre 2018 das Tempo der Verhandlungen in der aktuellen Lage eine sehr große Rolle spiele. Die möglichst rasche Erstellung eines Zeit- und Verhandlungsplans sei essentiell, gerade auch um Kolumbien aus seiner jetzigen „Schockstarre“ zu erwecken.

Aus rechtlicher Sicht ist das Ergebnis des Referendums, wie es das kolumbianische Verfassungsgericht schon im Sommer 2016 festgestellte habe, einzig für den Präsidenten und seine Regierung, jedoch nicht für die weiteren rechtlichen und politischen Akteure bindend. Rein rechtlich könne sich das Parlament also theoretisch über die Resultate hinwegsetzen und den Friedensvertrag einfach in Gesetzesrecht umsetzen, was aber aus politischer Sicht undenkbar erscheine. Deshalb sei aus der nach dem 2. Oktober entstandenen Situation auch eher ein politischer als ein rechtlicher Ausweg zu suchen. Die Möglichkeit einer erneuten Volksabstimmung über die eventuellen Ergebnisse zukünftiger Neuverhandlungen genauso wie die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung zu diesem Zweck hielt der ehemalige Richter unter den gegebenen aktuellen Umständen zwar für rechtliche möglich, jedoch aus politischer Sicht für unplausibel und wenig wünschenswert.

Im Verlaufe der weiteren Debatte wurde die völkerrechtliche Bindungswirkung des Friedensvertrags diskutiert. Es handele sich bei dem Abkommen schließlich um einen bindenden internationalen Vertrag nach dem Genfer Abkommen. So sei es – wie es einige Diskussionsteilnehmer einwarfen - theoretisch möglich, die Erfüllung bestimmter Vereinbarungen des bestehenden Abkommens von der FARC einzufordern. Allen voran Herr Prof. Ambos verwarf eine solche Lösung der „Zerstückelung“ des beschlossenen Friedensvertrages jedoch: “Das von der kolumbianischen Bevölkerung abgelehnte Abkommen wurde von der Regierung und den FARC-Rebellen als Ganzes getroffen und keiner von beiden kann von der anderen Seite eine nur stückweise Implementierung einfordern.“

Schließlich reflektierten die anwesenden Rechtsexperten gemeinsam darüber, welche Punkte des Abkommens Schwächen aufweisen und somit Ansatzpunkte für Neuverhandlungen bilden könnten, dies insbesondere im Hinblick auf das von den Befürwortern der „No-Kampagne“ so vehement kritisierte System der Übergangsjustiz. Prof. Ambos rief nachdrücklich dazu auf, nur konkrete und sinnvolle Kritik an den bisher erreichten Vereinbarungen, die schließlich das Ergebnis einer vier Jahre dauernden, intensiven Verhandlung seien, zu üben. Er betonte noch einmal, dass es sich bei dem Friedensvertrag um alles andere als ein Straflosigkeitsabkommen handele. Man könne sicherlich über viele Detailfragen des fünften Punktes des Vertrages über die Opfer diskutieren, auch darüber, ob die Höhe der Strafen im Einzelfall angemessen ist und ob nicht auch bereits abgeschlossene Verfahren gegen Paramilitärs, nicht nur gegen FARC-Rebellen wiedereröffnet werden müssten. Dort gäbe es sicherlich noch einiges zu verbessern. Eines sei jedoch festzuhalten: „Man könnte das kolumbianische System der Übergangsjustiz mit der Amnestiegesetzgebung hinsichtlich der Diktaturen in Chile und Argentinien vergleichen und man würde daraus unbedingt die Schlussfolgerung ziehen, dass in den letztgenannten Systemen die Straftäter weitaus mildere oder sogar gar keine Strafen absitzen mussten“. Dies würde in der kolumbianischen Öffentlichkeit allzu gerne vergessen.

Darüber müsse man sich von einem rein punitiven Zweck der Strafe lösen und eher den Aspekt der positiven Generalprävention betonen, der eher mit der Idee eines modernen Staats korreliert. Der Grad der Wiedergutmachung und Entschädigung der Opfer steige nicht automatisch mit der Strafhöhe gegenüber den Tätern. Das in dem Abkommen vorgesehene Verfahren verlange die aktive Kooperation der Angeklagten bei der Aufklärung ihrer Straftaten, bei der Entschädigung der Opfer und bei der Übernahme von Verantwortung für ihre Verbrechen. Sollte diese erreicht werden, so schaffe diese im Zweifelsfall eine tiefergehende Genugtuung und Aussöhnung zwischen den verhärteten Fronten als lange Gefängnisstrafen.

Zum Schluss betonten die Referenten, dass ein proaktiver, positiver Wille aller politischen Akteure unbedingt erforderlich sei, um zu einer produktiven Neuverhandlung bestimmter Punkte des Abkommens zu gelangen. Schlüsselpunkt sei dabei insbesondere die Frage, inwiefern die FARC-Anführer überhaupt zu Neuverhandlungen bereit seien. Des Weiteren sei eine sachliche, ehrliche, zügige, inklusive Debatte und insbesondere eine bessere, objektive Kommunikation des komplexen Inhalts der Verträge gegenüber der kolumbianischen Bevölkerung von Nöten. Gerade an letzterem habe es in dem kurzen Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Verträge Ende August und der Abstimmung am 2. Oktober gefehlt. Der Weg zum Frieden benötige jetzt mehr Arbeit, Konsens und Kreativität. Das Ziel, das über die Ergebnisse des Plebiszits hinausgeht, müsse es jedoch sein, diese Gelegenheit, Geschichte zu schreiben, zu nutzen und einen friedlich verhandelten Ausweg aus dem bewaffneten Konflikt zu finden.

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Marie-Christine Fuchs

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