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Veranstaltungsberichte

Die Europäische Agentur Frontex bei der Sicherung der europäischen Außengrenzen

von Sarah-Katharina Merk, Daniel Braun

Struktur, Aufgaben und Zukunftsherausforderungen

Veranstaltung zur Europawoche

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Im Rahmen des Erfurter-Europa-Gesprächs zur Europawoche 2018 der Konrad-Adenauer-Stiftung informierte das Politische Bildungsforum Thüringen am Donnerstag, den 03. Mai zur Arbeit und Fortentwicklung der europäischen Agentur für die Grenz-und Küstenwache Frontex.

Alexander Fritsch, Leitender Polizeidirektor, Referatsleiter im Bundespolizeipräsidium für die EU-Zusammenarbeit, Frontex Angelegenheiten und Gemeinsame Zentren der Polizei und des Zolls, sowie Nikolaus von Peter, Politischer Referent in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland sprachen aus Expertensicht zum Thema. Die Landtagsabgeordneten Marion Walsmann MdL, Europapolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag und Wolfgang Fiedler MdL, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag zu Wort und äußerten sich zu Frontex aus einer regionalpolitischen Perspektive.

FRONTEX: DIE AGENTUR UND WESENTLICHE NEUERUNGEN

Alexander Fritsch begann seinen Vortrag mit einem Beispiel: Egal ob im Auto, oder Flugzeug, der europäische Raum erlaube uns eine gewisse Freizügigkeit beim Reisen zu genießen. Diese Freizügigkeit „bedingt, dass eine Grenze besteht, die gesichert wird, so dass berechtigte Ein- und Ausreise möglich ist und illegale Migration abgesichert wird.“, so Fritsch.

Die im Mai 2005 gegründete EU-Agentur, wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um die Mitgliedstaaten der europäischen Union bei der Koordination des Schutzes der europäischen Außengrenzen zu unterstützen. Im Zuge der Migrationskrise 2015 wurde allerdings deutlich, dass Frontex mit dieser Aufgabe überfordert war. Man habe bei der Gründung nicht mit derartigen Ausmaßen an Migration gerechnet. Deshalb wurde 2016 eine Neudefinition der Agentur vorgenommen. Sie wurde mit umfassenderen Instrumenten ausgestattet. Zu den wesentlichen Neuerungen gehören der Interventionsmechanismus und die Schwachstellenbewertung. Des Weiteren solle die Mitarbeiterzahl in Warschau bis 2020 auf 1000 Personen anwachsen, sowie eine verstärkte Kooperation mit Drittstaaten stattfinden, erläuterte Fritsch.

WIE BETEILIGT SICH DIE BUNDESPOLIZEI AN DEN EINSÄTZEN?

Deutschland sei derzeit mit gut 110 Beamten jährlich der größte Kontingentsteller. Die Bundespolizei unterstütze dabei zum Beispiel konkret den Frontex Einsatz im Hafen von Samos mit zwei Booten. Dort konnte durch die Betätigung der deutschen Kräfte, nach Aussage des Polizeidirektors, bereits rund 2000 Menschen das Leben gerettet werden.

FRONTEX DARF NICHT NUR BÜROKRATISCHES INSTRUMENT SEIN

Frontex könne Mietgliedstaaten künftig wirksamer unterstützen, dafür müsse die Agentur aber stärker ausgestattet werden, sonst drohe sie zum rein bürokratischen Instrument zu werden. Das aktuelle Mandat solle dafür zunächst ausgeschöpft werden. Für eine künftige Verschiebung der Souveränität hin zu Frontex sieht Fritsch keine Notwendigkeit.

Seinen Vortrag abschließend wand sich der Polizeidirektor mit einem Appell an die Politik: „Grenzschutz löst keine Migration, die Politik muss eingreifen.“

STÖRUNG UND UNTERBRECHUNG DES VORTRAGS

Zehn junge Teilnehmer unterbrachen den Vortrag von Alexander Fritsch, um eigene Statements gemeinsam laut durcheinander zu verlesen. Die durch die Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung Maja Eib schon in der Eröffnung angekündigte Möglichkeit zur Debatte nach den Vorträgen wurde mit Kommentaren wie „mit Euch diskutieren wir nicht, sauft euren Sekt alleine“ in der Konfliktsituation abgelehnt und das wiederholte Angebot durch die Mitarbeiter der KAS die Debatte nach den Vorträgen zu nutzen ausgeschlagen. Zu keiner Zeit beabsichtigte die KAS, kritische Meinungsäußerungen einzuschränken oder zu verhindern. Lediglich auf eine Gesprächskultur mit offenem Diskurs mit Diskussion und Meinungsaustausch statt einseitigen vorverurteilenden Statements wurde bestanden.

Mit der Aktion wurde somit der Versuch unternommen, zu verhindern, dass die anderen Gäste sich informieren konnten, da der Referent seinen Vortrag unterbrechen musste und in dem Moment nicht fortfahren konnte. Die von den Gästen mehrheitlich als unangemessen betrachtete Störung endete nach wenigen Minuten durch Hilfe des Sicherheitsdienstes des Thüringer Landtages mit dem Verlassen des Raums durch die Störer.

MAN DARF NICHT VERGESSEN, DASS ES UM MENSCHEN GEHT

„Migration stellt einiges auf die Probe“, begann Nikolaus von Peter seinen Impulsvortrag. Er bezog sich auf den inneren Zusammenhalt in der EU. Mittel- und Osteuropa fühlen sich überfordert und andere Staaten mit der Herausforderung illegaler Migration alleine gelassen.

Trotz allem dürfe man nicht vergessen, dass es um Menschen geht, die hier eine bessere Lebensperspektive suchten. Dies teste unsere Werte, verwies von Peter auf die unzähligen Toten an den Grenzübergängen. Um die Situation zu managen, müsse man aktiv gegen Schleuser vorgehen und den Menschen in ihren Herkunftsländern helfen.

Danach erläuterte er den Gästen die politischen Gründe für die Ausweitung der Agentur für die Grenz- und Küstenwache im Jahr 2016. An erster Stelle nannte von Peter hier die entstehenden Mehrkosten einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen, die Milliarden kosteten, sowie die Beeinträchtigung der Freizügigkeit.

Der Kommissionsmitarbeiter zieht nach der Neuerung 2016 insgesamt eine positive Bilanz. Erfolgreich sei man besonders in Bezug auf den schnellen Beschluss von Mandaten für FRONTEX gewesen. Auch die Möglichkeit von Beschwerdeverfahren gegen Frontex bei Grundrechtsverstoßen heißt er gut.

Trotzdem müsse man konsequent die Ursachen der Migration bekämpfen und legale Einwanderung gesetzlich regeln. Von Peter nimmt Bezug auf den 2011 erstmals vorgestellten Gesamtansatz Migration und betonte auch, dass Maßnahmen in der Entwicklungszusammenarbeit ergriffen werden müssen.

Der Blick in Herkunftsregionen zeige: „Die Nachbarschaft ist instabil“. Bis 2050 werden weltweit voraussichtlich 200 Millionen Menschen auf der Flucht sein.

Den Schutz der Grenzen sicherzustellen sei daher nicht nur für die Menschen wichtig, die innerhalb der EU leben, sondern trage dazu bei, dass die Menschen, die Schutz benötigen diesen auch bekommen können. Deshalb sei es wichtig, dass die Souveränität der Mitgliedstaaten gemeinsam unter diesen ausgeübt werde, damit gemeinsame Ziele erreicht werden können.

EINE ZUSAMMENARBEIT DER MITGLIEDSTAATEN IST NOTWENDIG

Marion Walsmann sieht die Herausforderungen besonders in der Vollharmonisierung des materiellen Flüchtlingsrechts. Diese sei Notwendigkeit, damit keine Anreize für Migration in bestimmte Mitgliedstaaten gesetzt werden.

Je mehr die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Umgang mit der Migration auseinanderdriften, desto deutlicher werde, dass eine Zusammenarbeit notwendig ist. Deshalb fordert Walsmann einen einheitlichen Mechanismus in der EU, der - auch für Nachbarn-, akzeptabel gestaltet werden müsse.

„WER HILFE WILL MUSS SICH AN DIE HAUSORDNUNG HALTEN“

Fiedler sieht besonders die Flüchtlingspolitik von 2015 kritisch. Es sei ein Fehler gewesen, so viele Migranten auf einmal ins Land zu lassen, da der Staat bis heute an den Folgen arbeiten müsse. Auch er plädiert deshalb für eine materielle und technische Aufwertung Frontex, zum Schutz der Außengrenzen. Natürlichen seien humanitäre Aspekte wichtig, so Fiedler, aber dabei müsse das Recht beachtet werden. „Wer Hilfe will muss sich an die Hausordnung halten.“ Dies bedeutet für ihn, abgelehnte Asylbewerber und Straftäter sowie Gefährder konsequent abzuschieben.

GESPRÄCH UND DISKUSSION

Im anschließenden Gespräch stellten sich die Referenten vielen Fragen des Publikums, die durchaus kritisch das Agieren von FRONTEX und den europäischen Staaten hinterfragten

Sind die Einsätze von Frontex menschenrechtskonform?

Fritsch betonte, dass jeder Einsatz der Charta unterliegt und die Menschenrechte dadurch geschützt werden. Man solle den Blick in Bezug auf die Wahrung der Menschenrechte stärker auf Schleuser richten, die lediglich an ihren Profit denken und dafür den möglichen Tod der Hilfesuchenden billigen.

Wie stehen sie zur Drittstaatenregelung?

Auf Bitte äußerte sich auch Marion Walsmann zur Drittstaatenregelung. Hilf- und Rückführmechanismen befindet sie für wichtig. Die CDU-Politikerin begrüßt Oettingers Vorschlag der Aufstockung von Frontex zum einen für die Bewahrung einer funktionalen Organisation, aber auch um die Akzeptanz der Bevölkerung von humanitären Maßnahmen zu gewährleisten.

Wie sind die Kriterien für einen „offensichtlich unbegründeten Asylantrag“ für Menschen mit marokkanischer Staatsbürgerschaft?

Welche Kriterien genau bestehen könne Fritsch nicht sagen. Aber 40-60% der aus Marokko ankommenden seien junge Männer, die angeben es gehe ihnen aus wirtschaftlichen Gründen schlecht. Er könne das zwar nachvollziehen, man müsse hier aber unterscheiden. Den Familien aus Bürgerkriegsgebieten stehe hier ein vorrangiger Bedarf nach Schutz zu.

Wird nicht häufig Entwicklungshilfe vermehrt dort geleistet, wo Migration dadurch scheinbar steuerbar wird?

Das stimme teilweise, sei aber nur ein Ausschnitt der Entwicklungshilfe der beleuchtet werde. Wichtig ist die Hilfe für diese Länder, da Migration und Sicherheit in einem engen Zusammenhang stehen. In den Transitstaaten komme es häufig zu Kriminalität, zum Beispiel durch Schleuser und Drogenhandel.

In Libyen beispielsweise seien die Zustände unhaltbar. „Deshalb ist es zum einen wichtig die Menschen vor Ort zu schützen, damit sie sich nicht auf die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer begeben, aber auch denjenigen, die in Libyen gestrandet sind, die nötige Hilfe zu bieten um zurückzukehren.“, so von Peter.

Wie ist das Vorgehen beim Beschwerdeverfahren?

Alexander Fritsch verwies darauf, dass Frontex eigene unabhängige Menschenrechtsbeauftragte hat, die sich den Beschwerdeverfahren annehmen. Im Komitee seien des Weiteren auch Vertreter von NGOs. Auch bei Beschwerden oder Verdachtsfällen die innerhalb der Agentur bekannt werden, leite man diese an die entsprechende Stelle weiter.

Nach Berichten über Push-Back Aktionen und deren Bestätigung durch den ehemaligen Leiter von Frontext steht die Frage im Raum: Sind die Frontex Einsätze tatsächlich menschenrechtskonform?

Von Peter machte deutlich, dass es klare Regeln in Bezug auf die Genfer Konvention gibt und dieses Vorgehen grundsätzlich nicht zulässig ist. Mit Bedauern räumte der Kommissionsmitarbeiter von Peter als auch Alexander Fritsch ein, dass es in jeder Behörde Fehlverhalten gebe. Genaue Kontrollen und das Abstellen des Fehlverhaltens sieht er deshalb als zwingende Maßnahmen durch Frontex.

Nach intensiven zwei Stunden ging eine Veranstaltung zu Ende, die den kritischen Diskurs in vielen Facetten führte und zeigte, dass man unterschiedliche Meinungen diskutieren kann, ohne dem Andersdenkenden das Wort zu nehmen oder sich des Anhörens anderer Standpunkte zu verweigern, wie Moderator Daniel Braun und damit die Störer kritisierte, die nur ihre eigene Meinungsäußerung zulassen wollten ohne sich auf eine Diskussion einlassen zu wollen.

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Über diese Reihe

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Erfurt Deutschland