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Veranstaltungsberichte

Die Potentielle Demokratisierung in der arabischen Welt: Grundlegende Faktoren und Aussichten

Regionale Konflikte, extreme ökonomische Ungleichheit sowie politische und wirtschaftliche Renten scheinen die Hauptproblematiken zu sein, die eine effektive Reformierung und Demokratisierung der arabischen Welt verhindern. Am 4. Mai 2012 organisierten die KAS Amman und das Institut for Financial Economics der American University Beirut einen regionalen Workshop mit Experten und Akademikern, um die Geschehnisse des Arabischen Frühlings und die Aussichten der Proteste zu diskutieren.

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Event: Regionale Konferenz

Datum, Ort: 4. Mai 2012, American University of Beirut, Beirut – Libanon

Organisation: Institute of Financial Economics, AUB & Konrad- Adenauer-Stiftung Amman

Programmübersicht

Begrüßungsrede

Dr. Simon Neaime

Institute of Financial Economics

American University of Beirut

Beirut – Libanon

Dr. Martin BeckLandesbeauftragter

Konrad-Adenauer-Siftung

Amman – Jordanien

Dr. Samir Makdisi

Institute of Financial Economics

American University of Beirut

Beirut – Libanon

Ein Jahr nach Ausbruch der Proteste

Dr. Samir Makdisi

Institute of Financial Economics

American University in Beirut

Beirut - Libanon

Erschütterung der autokratischen Fundamente:

Überblick über die politisch-ökonomischen Faktoren, die eine Transition fördern

Dr. Ibrahim Elbadawi

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Center for Global Development

Washington DC - USA

Diskussion

Erkenntnisse aus den tunesischen und ägyptischen Aufständen

Dr. Youssef Choueiri

Institute of Palestine Studies

Beirut - Libanon

Erkenntnisse aus anderen arabischen Aufständen: Libyen, Syrien und Jemen

Dr. Youssef El Khalil

Bank of Libanon and AUB

Beirut - Libanon

Diskussion

Der Einfluss regionaler Konflikte auf demokratische Transformationen in der Region

Dr. Atif Kubursi

Department of Economics

McMaster University

Hamilton - Kanada

Werden die erfolgreichen Aufstände zu konsolidierten Demokratien führen?

Dr. Marcus Marktanner

Kennesaw State University

Kennesaw - USA

Diskussion

Fazit

Begrüßungsreden

Dr. Simon Neaime, Dr. Samir Makdisi und Dr. Martin Beck eröffneten die regionale Konferenz indem sie allen Referenten und Teilnehmer für ihre Teilnahme dankten und ein kurzes Feedback zu den regionalen Ereignissen in den letzen Monaten gaben.

Die festen politischen Strukturen die einst den Nahen Osten charakterisierten, haben sich in manchen Ländern der Region unter dem Druck der arabischen Aufstände gelöst. Politische Partizipation hat in diesen Ländern wieder Bedeutung gewonnen. Der Auslöser des Arabischen Frühlings war ein zu starkes Legitimitätsdefizit der Regime, was sich in autokratischer Repression, top-down Hierarchien und ökonomischer Ungleichheit widerspiegelte, bei einer gleichzeitig gut gebildeten Jugend und dem grundlegenden Wunsch aller, sich selbst zu definieren.

Die meisten Staaten des Nahen Ostens sind Empfänger politischer und/oder ökonomischer Renten in Form von Ölexporten und Entwicklungshilfe. Da das Geld nicht von der eigenen Industrie oder durch Humankapital erwirtschaftet wird, ist die politische Elite kaum gezwungen, es im eigenen Land zu investieren. Folglich nutzen sie dieses Einkommen zumeist, um ihren persönlichen Interessen nach zu kommen. Im Kontext des Arabischen Frühlings gibt es wenige Indizien dafür, dass die zukünftigen Staatsbürokratien von Wirtschaftspolitiken dieser Art Abstand nehmen werden.

Die derzeitige Lage ist ebenso komplex wie herausfordernd. Mit wenigen Ausnahmen im Golf, sind die Regime des Nahen Ostens nervös und für politische Reformagenden sensibilisiert. Folglich werden im besten Fall Liberalisierungspolitiken innerhalb der arabischen Staaten zu einem Demokratisierungsprozess führen. Im schlimmsten Fall werden liberalisierte Autokratien weiter vorangetrieben. Antidemokratische Bewegungen werden zweifellos versuchen, die Situation zu nutzen und sich mit bestehenden Parteien zusammenschließen. Dennoch ist das Risiko tragbar wenn man bedenkt, was dadurch erreicht werden kann.

Die Teilnehmer der Veranstaltung waren überwiegend Akademiker, Politikwissen-schaftler und Ökonomen, welche die derzeitigen Ereignisse und ihre Auswirkungen auf die Zukunft aus Sicht der politischen Ökonomie bewerteten.

Die regionale Konferenz wurde an der American University Beirut veranstaltet und verfolgte drei Ziele: Erstens, die Umstände zu erörtern unter denen arabische Autokratien in der Lage waren, so lange zu überleben. Zweitens, die Faktoren herauszustreichen, welche eine Demokratisierung der Staaten fördern, und drittens zu diskutieren, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um effektive regionale Demokratisierung zu ermöglichen.

Ein Jahr nach Ausbruch der Proteste

Dr. Makdidi erörterte in seiner Präsentation, dass während die Aufstände in Tunesien und Ägypten im Gegensatz zu den gewalttätigen Aufständen in Syrien, Jemen und Libyen, relativ friedlich verliefen, es in manchen Ländern der Region aber nur sehr bedingten politischen Aktivismus gab, der zu keinem fundamentalen Wandel führte. Die Haupteigenschaften, die eine erfolgreiche Demokratisierung in der Region verhindern sind der Reichtum an natürlichen Ressourcen und andauernde Konflikte. Der Wandel von einer staatsorientierten zu einer marktorientierten Wirtschaft hat zu ungesicherten Arbeitsplätzen geführt und die Arbeitslosequote steigen lassen. Durch eine größere Offenheit des Nahen Ostens gegenüber dem Westen hat die arabische Jugend verstärkt Reformen und Wandel in der Welt vor Augen geführt bekommen, während eigene Reformprozesse kontinuierlich fehlschlugen. Dr. Makdisi betonte zudem, dass regionale Konflikte, insbesondere der arabisch-israelische Konflikt, gelöst werden müssen, bevor eine wahre Demokratisierung in der Region erreicht werden könne.

Erschütterung der autokratischen Fundamente: Überblick über die politisch-ökonomischen Faktoren, die eine Transition fördern

Dr. Ibrahim Elbawadi präsentierte einen quantitativen Ansatz zum Arabischen Frühling; eine ergänzende Studie zu Dr. Makdisis Arbeitspapier.

Ihm zufolge, verhinderte das Beharren autokratischer Regime in der Region ein früheres Erwachen der Staaten. Eine erfolgreiche demokratische Tranisition brauche seiner Meinung nach etwa 5 bis 10 Jahre, je länger der Prozess anhält, desto nachhaltiger sei die Demokratie. Während manche Staaten empfänglicher für Transformationen sind, sind andere – häufig aufgrund historischer Altlasten – stärker gefährdet sich zu Autokratien zu entwickeln.

Länderspezifische Analysen zeigen, dass Kuwait, trotz Ressourcenreichtum und einer konfliktträchtigen Umgebung, ein Maß an Demokratie aufweist. Zurückzuführen ist dies u. a. darauf, dass die königliche Familie traditionell als Beschützer der Handelsklasse auftrat, was zu einer gewissen Gleichheit zwischen den Bürgern führte.

Schaut man sich die Interaktion zwischen politischen und ökonomischen Renten an, weißt die Studie darauf hin, dass Renten sich negativ auf Transitionen auswirken und effektive Demokratisierung erschweren. Dennoch, in Rentierstaaten wie Norwegen oder Chile ist dieser Effekt vernachlässigbar. Steigt die Arbeitslosenquote auf bis zu 10 Prozent erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit einer Demokratisierung. In Staaten wie Saudi-Arabien hingegen, ermöglicht der autoritäre Sozialvertrag weitreichende Geldgeschenke und sozialen Wohlstand.

Des Weiteren zeigt die Analyse, dass Kriege und politische Repression, wie sie in der arabischen Welt auftreten, die Entfaltung der Demokratie behindern. Als Indikatoren wurde hier z. B. die Zahl außergerichtlicher Tötungen genommen. Nachbarschaftskriege hindern ebenfalls eine Demokratisierung und fördern gleichzeitig die Bedeutung von Renten.

Diskussion

Dr. Martin Beck merkte vier Punkte zu den Präsentationen an:

Erstens, häufig betrachtet der Westen 'arabischen Exzeptionalismus' als abhängige Variable, die viele mit dem Islam in Verbindung bringen. Problem dieses Ansatzes sei, dass Faktoren wie Religion oder Kultur schwer veränderbar sind. Stellen Forscher Faktoren heraus, die mit Blick auf Demokratiserung flexibel sind, wie z. B. die kausale Beziehung von Kriegen und Renten, so ist dies als positiver Ansatz zu bewerten. Dies trifft jedoch nur zu, wenn alle anderen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen konstant bleiben (ceteris-paribus-Klausel). Demnach könnte der Arabische Frühling auch eine gewisse Demokratisierung in Öl-produzierende Staaten voranbringen. Dieser Ansatz kann auch auf Länder wie Jordanien übertragen werden, welches bedeutende politische Renten aus dem Ausland erhält.

Zweitens, im Hinblick auf Norwegen wird deutlich, dass Öl-abhängige Staaten nicht immer autokratisch sein müssen. Norwegens Vorteil sei jedoch gewesen, dass es bereits vor der Entdeckung der Ölvorkommnisse ein demokratischer Staat war.

Drittens, Transformationen sind Übergangs-phasen, die als langwierige Prozesse zu betrachten sind, welche signifikante Rückschläge erwarten lassen. Sprich, auch Vorgänge, die zunächst wie ein Rückfall in die Autokratie scheinen, können auf lange Sicht Teil des Transformationsprozesses sein.

Viertens, die kausale Relation zwischen ökonomischen und politischen Renten auf der einen und Nicht-Demokratisierung auf der anderen Seite ist deswegen gültig, da finanzielle Ressourcen dem Staat zur Verfügung stehen, um sich selbst zu stützen. Das Argument hingegen, dass Krieg und Konflikte Hindernisse einer Demokratisierung darstellen sei laut Dr. Beck als nicht überzeugend zu werten. Deutschland z. B. hätte sich damals wohl kaum zu einer Demokratie entwickelt, hätte es den Krieg nicht verloren. Auch der Libanon ist demokratischer als Saudi-Arabien was u. a. auf die Konflikte innerhalb des Libanons zurückzuführen sei. In pluralistischen Gesellschaften, wo einzelne Gruppierungen sich nicht gegenseitig kontrollieren können, müssen sie auf die Dauer Wege finden, miteinander zu kooperieren.

Dr. Elbadawi antwortete auf Dr. Becks Kommentare und erläuterte, dass zwar das Argument der deutschen Demokratisierung überzeugend sei, jedoch die arabische Welt den Konflikt mit Israel ausnutze, um Unterdrückung zu rechtfertigen. Vor allem Islamisten diene der Konflikt häufig als Instrument ihrer Interessen.

Dr. Makdisi betonte, dass politische Renten nicht nur ein jordanisches Phänomen seien, sondern in der gesamten Region zu finden sind, eine fortschreitende Privatisierung die Bedeutung von Renten jedoch mindern wird. Bezüglich Norwegen stellte er die Frage in den Raum, ob das Land auch heute eine Demokratie sei, wenn Öl bereits vor der Demokratisierung gefunden worden wäre. Zuletzt wies er darauf hin, dass der arabisch-israelische Konflikt eine einzigartige Situation widerspiegele, die nicht auf andere Regionen übertragbar sei.

Dr. Marktanner widersprach dem Ansatz, dass Krieg und politische Repression Hindernisse der Demokratisierung darstellen, was er als zu undynamisch betrachtet. Auch die Behauptung, dass Transformationsprozesse 5 bis 10 Jahren andauern empfand er als fraglich.

Erkenntnisse aus den tunesischen und ägyptischen Aufständen

Dr. Youssef Choueri präsentierte sein Arbeitspapier über Ägypten und Tunesien und betonte, dass die Kriterien, welche die Voraussetzungen für eine Demokratisierung bilden sowie weitere europäische und nordamerikanische geprägte Indikatoren hinterfragt werden müssten. Zwar seien eine etablierte Mittelklasse, der Konsum bestimmter Güter und Alphabetisierungs-raten wichtige Faktoren, doch gebe es weitere äußerst wichtige Indikatoren die sich in der arabischen Welt konzentrieren.

Dr. Elbadawi ging weiter drauf ein, dass Revolutionen die Idee der dynastischen Thronfolge herausforderten, Syrien sich jedoch als Ausnahme erweisen könnte. In Tunesien verhielt sich die Armee neutral was darauf zurückzuführen sei, dass es sich als Verteidiger vor externen Bedrohungen ansah und folglich keinen Grund hatte, die Revolution im Inneren des Landes zu kontrollieren. In Ägypten hingegen, bilden die Sicherheitseinheiten einen ‘Staat im Staate’: Sie arbeitet sowohl im ökonomischen als auch im sozialen und kulturellen Bereich, was erklärt, warum die Armee an ihrer Macht festhält und unwillig ist sie aufzugeben.

Letztendlich gibt es keine Anzeichen von wirtschaftlicher und sozialer Restrukturierung in diesen Staaten, was eine Konsolidierung der Revolutionserfolge unterminiert.

Erkenntnisse aus anderen arabischen Aufständen: Libyen, Syrien und Jemen

Dr. Youssef El Khalil betonte zu Beginn seiner Präsentation, dass die Revolution in Tunesien und Ägypten weniger als einen Monat brauchten, um die Machthaber zu einem Rücktritt zu bewegen. Die sozialen Medien spielten in beiden Ländern eine kritische Rolle dabei, die arbeitslose Jugend zum Aufstand zu bringen. Syrien, Libyen und Jemen im Gegensatz zu Tunesien und Ägypten waren von jeher stärker von Gewalt geprägt. Die Situation verschärfte sich weiter durch den Krieg gegen den Terrorismus, stammesbasierten Nepotismus und hohe Rentenzahlungen.

Libyen ist als das am stärksten von Öl-Exporten in den Westen abhängige Land zu bewerten, dessen Strukturen ansonsten stark fragmentiert sind. Bis zur Revolution betrieb es eine Depolitisierung in höchstem Maße, Staatsvertreter wurden nie namentlich genannt und Muammar Gaddafi verfügte über umfassende autokratische Herrschaft.

Im Jemen gibt es starke koloniale Einflüsse in verschiedenen Teilen des Landes. Zudem ist das Land von direkten und indirekten Ölrenten abhängig, die überwiegend aus Saudi-Arabien kommen. Die Gesellschaft ist gespalten und stark durch tribale Konfessionen und Strukturen im Norden und Süden des Landes geprägt.

Syrien ist ein Land, welches die Charakteristiken vieler Länder in der Region umfasst. Dennoch können keine genauen Aussagen über die Zukunft des Landes getroffen werden. Wovon jedoch sicher ausgegangen werden kann ist, dass die Revolutionen den arabisch-israelischen Konflikt beeinflussen werden.

Diskussion

Dr. Hanafi erläuterte in seinen Kommentaren zu den Präsentationen, dass die Kompatibilität von Islam und Demokratie nicht nur eine orientalische Herausforderung darstelle. Während die Revolutionen die häufig in der westlichen Welt vertretene Meinung widerlegen, die arabische Bevölkerung sei zufrieden mit autoritären Systemen, gewannen auch extreme Gruppierungen, wie die Salafisten, an Stärke – inwiefern Globalisierung einen gewissen Konservatismus in der arabischen Welt fördert, sollte weiter untersucht werden. Er betonte zudem, dass Individualismus entscheidend für einen demokratischen Wandel sei.

Einer der Teilnehmer merkte an, dass Tunesien das am weitesten fortgeschrittene Wirtschaftssystem in der Region habe, welches u. a. auf seiner Diversität, einer starken Verbindung zu Europa und der politischen Entwicklung beruhe.

Dr. Beck betonte gegenüber Dr. El Khalil, dass ein häufig erkennbares Phänomen sei, dass Gruppierungen, welche eine Revolution initiieren, häufig nicht die sind, die am Ende die Revolution gewinnen oder gar von ihr prof itieren. Oft sind es die alten Sicherheitsmächte im Land, die am Ende die Überhand behalten. Blickt man zurück, gibt es in der Geschichte mehr gescheiterte als erfolgreiche Revolutionen. Im Hinblick auf Syrien gebe es keine Garantie, dass das Assad-Regime fallen wird. Das gleiche gelte auch für die militärischen Führer in Ägypten. Bezüglich Libyen stimmte Dr. Beck zu, dass die strukturellen Probleme des Landes ein Resultat europäischen Einflusses seien.

Dr. Choueiri stellte nachfolgend heraus, dass die meisten Probleme in Libyen ein Resultat der Politik Gaddafis seien und der Kolonialismus nicht für alles die Verantwortung trage. Die arabische Welt habe es mit Nationalismus, Sozialismus, Marxismus, Post-Modernismus usw. versucht. Demnach wurden auch theoretische Untersuchungen wie die Gesellschaft sich ändern könne ausgeschöpft. Jetzt sei es an der Zeit, sich stärker an der Praxis zu orientieren.

Dr. El Khalil kommentierte, dass man die Frustration über den arabisch-israelischen Konflikt zunächst außen vor lassen sollte. Die Revolutionen seien eine Mischung aus Individualismus und sozialen Medien, welche in einem virtuellen Raum interagieren. Gaddafi, so El Khalil, war eine stark paranoide Persönlichkeit, was der Grund für die fehlenden politischen und wirtschaftlichen Strukturen sei.

Der Einfluss regionaler Konflikte auf demokratische Transformationen in der Region

Dr. Atif Kubursi betonte zu Beginn seines Vortrags, dass die israelische Besetzung nicht zu vergleichen ist und Prioritäten verzerrt habe. Verteidigungsausgaben sind in der Region, im Vergleich zu anderen Dritte Welt Ländern, bedeutend höher, während andere Ausgaben deutlich geringer sind. Was die Besatzung besonders tiefgreifend mache, sei die Kontrolle von Ressourcen, Siedlungen, fruchtbarem Land und Wasser. Dies sei der Grund, warum die Region in Bezug auf ausländische Investitionen im Hintergrund stehe. Da die Revolutionen sich jedoch nicht auf Israel konzentrieren, vernachlässige der Westen die Geschehnisse. Dr. Kubursi betonte, dass nichts eine erfolgreiche Entwicklung stärker hemme, als eine Besetzung.

Amerikaner im Irak und Israelis in Palästina kontrollieren die Region. Öl sei dabei von primärem Interesse, was eine Kleptokratie unterstütze. Rentier-Staaten haben von Natur aus eine starke Tendenz hin zur Korruption, da Regierungen die Renten für ihren eigenen Nutzen verwenden, was die arabischen Staaten zu den höchsten Pro-Kopf Importen der Welt zwinge.

Werden die erfolgreichen Aufstände zu konsolidierten Demokratien führen?

Dr. Marcus Marktanner strich in seiner Präsentation eine gewisse Skepsis gegenüber effizienter Demokratisierung in der arabischen Welt heraus.

Dr. Marktanner erklärte, dass faire soziale und marktgerechte Entwicklung Schlüsselelemente einer jeden Demokratie seien. Beide Faktoren sind in der arabischen Welt nicht zu finden. Die Chancen, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird stehen. Dr. Marktanner zufolge, eher schlecht. Zwar fanden nach dem Fall der Sowjetunion Reformbemühungen statt, doch blieb die politische Elite an der Macht. Das Scheitern ökonomischer Reformen im Nahen Osten könne als der Auftakt des Arabischen Frühlings gewertet werden. Die Hinterlassenschaften des Sozialismus müssten zwar nicht zwangsläufig negativ sein, doch gebe es ein signifikantes inner-gesellschaftliches Misstrauen, welches zusammen mit hoher Arbeitslosigkeit eine Umverteilung von Wohlstand extrem erschwere. Demnach stelle sich derzeit in der arabischen Welt die Frage: „Wie kann der Kuchen geteilt werden“, statt „Wie kann der Kuchen wachsen“.

Diskussion

Dr. Ghassan Dibeh kommentierte die vorangegangenen Präsentationen und betonte, dass es eine Verbindung zwischen Krieg und Entwicklung gebe und es fraglich sei, warum die arabischen Staaten sich bisher nicht mobilisiert hätten. Das eigentliche Problem sei nicht der arabisch-israelische Konflikt, sondern ein konstantes Wettrüsten. Die arabische Welt verfolge negative Investitionen, zudem gebe es ein unzureichendes Verhältnis zwischen Marktreformen auf der einen und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Die neuen Herrscher in Ägypten hätten versucht, einen Keil zwischen politische und ökonomische Reformen zu bringen mit der Begründung, dass wirtschaftliche Reformen wichtiger seien.

Dr. Marktanner betonte, dass es in Anbetracht der Tatsache, dass es keine ökonomischen Reformen gebe, von denen die Gesellschaft als ganzes profitiere, es zukünftig noch mehr Frustration geben werde.

Dr. Kubursi setzte hingegen, dass die Region sich zu einer Grenze in einem Konflikt zwischen dem Westen, China, Iran und Syrien entwickelt habe. Despotische Regime im Golf favorisieren Israel aufgrund seines Potentials Feinde zu konfrontieren.

Fazit

Regionale Konflikte, extreme ökonomische Ungleichheit, politische und ökonomische Renten und das Fehlen einer konsolidierten intellektuellen Bewegung scheinen die Haupthindernisse einer effektiven demokratischen Reformierung der Arabischen Welt zu sein. Die Konferenz gab wertvolle Einblicke in die möglichen Auswirkungen des Arabischen Frühlings in verschiedenen Ländern der Region.

Während zunächst Beobachter und Teilnehmner der Revolutionen optimistisch waren, scheint es heute, als sei der einstige Geist der Aufstände und die Hoffnung auf Demokratie von der blanken Realität überschattet worden. Derzeit gibt es wenige Hoffnungen, dass eine regionale, lang anhaltende Demokratisierung eintreffen wird. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass erfolgreiche Revolutionen nur der Anfang sind und effektive Reformen im Sinne einer Demokratisierung von den Revolutionssieger umgesetzt werden müssen.

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