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Veranstaltungsberichte

Ein Plädoyer für mehr Präventionsarbeit

von Jonathan Kamzelak, M.A. Regina Dvořák-Vučetić

Mittaggespräch zum Thema "Neo-Salafismus"

„Wer einmal radikalisiert wurde, der ist, meiner Meinung nach, nur sehr schwer zu resozialisieren.“, erklärte der Islamexperte und Beauftragte für Religionsdialog der Konrad-Adenauer-Stiftung, Thomas Volk, in seinem Vortrag im Rahmen unseres Mittagsgesprächs zum Thema „Neo-Salafismus“ und hielt ein Plädoyer für mehr Präventionsarbeit bereits an Grundschulen. Das Gespräch fand am vergangenen Donnerstag, dem 27. November, in der Alten Kanzlei in Stuttgart statt.

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Ein Ruck geht durch die Welt

Thomas Volk beginnt seinen Vortrag, indem er die aktuellen Ereignisse und Vorkommnisse rekapituliert, wie beispielsweise die Patrouillen der „Scharia-Polizei“ in Wuppertal, die erst kurz zurückliegenden Ausschreitungen in Celle und die Jagd von Hooligans auf Salafisten. Aber Volk richtet seinen Blick nicht nur auf Deutschland, sondern auch in den Nahen Osten, auf Länder wie Syrien und den Irak, in denen der „Islamische Staat“ (IS) sein Unwesen treibt und täglich an Land, Geld und Einfluss gewinnt.

Salafismus in Deutschland

Nicht nur in Syrien und dem Irak werde der „IS“ aktiv, sondern auch in Deutschland fänden sich fundamentalistische Islamisten. Die Zahlen des Verfassungsschutzes seien besorgniserregend, mahnt Volk. Seit 2011 sei die Zahl der Salafisten in Deutschland von 3800 auf knapp 7000 angestiegen – Tendenz: steigend. Mehr als 100 der vier- bis fünfhundert in Kriegsgebiete ausgereiste Islamisten befänden sich wieder in Deutschland. Eine Dauerüberwachung durch den Verfassungsschutz sei unmöglich, es könne nur punktuell und stichprobenartig kontrolliert werden.

Leben wie im 7. Jahrhundert - Was ist Salafismus?

Das Wort „salaf“ beziehe sich auf eine Menschengruppe, die im nahen Umfelds des Propheten Muhammad lebten, die sogenannten „frommen Altvorderen“ und könne mit „Wegbereiter, Vorgänger“ übersetzt werden.

Daran anknüpfend sei auch die Ideologie der Salafisten, denn sie orientieren sich an der Lebenart der Menschen zur Entstehungszeit des Islams, also dem 7. Jahrhundert, das als „Goldenes Zeitalter“ bezeichnet werde. Die Nachahmung der Lebensart dieser Zeit gehe über das Tragen von traditionellen Gewändern und langen Bärten bei Männern über die Vollverschleierung der Frau und der strikten Geschlechtertrennung bis zur Nutzung eines Zahnholzes anstelle einer Zahnbürste. Der Salafismus lehne alle Volkssouveränität und Rechtsstaatlichkeit konsequent ab. Ihr Gegenmodell: die Theokratie und die Anerkennung der „Scharia“ als einziges Mittel der Rechtsprechung. Außerdem werde in der allgemeinen islamischen Lehre davon ausgegangen, dass seit dem ersten Menschen Adam alle Propheten Muslime waren, die vom rechten Weg abgekommen seien. „Daraus leiten Salafisten ihren Missionierungsanspruch ab und die Koran-Verteilaktionen, die im Jahr 2012 für Aufsehen sorgten, sind in diesem Kontext zu sehen“, erklärt Volk.

„Der „Islamische Staat“ hat genau diesen Anspruch: die Einrichtung eines Kalifats, in dem die einzige Rechtsquelle die Scharia ist. Der Gründer der Organisation „IS“ stellt sich bewusst in diese Tradition, indem er sich bewusst„Abu Bakr al-Bagdadi“ nennt, denn Abu Bakr war nach Ansicht der Sunniten der erste rechtgeleitete Kalif“, führt Volk aus.

Neo-Salafismus - Die Idee einer weltweiten Gemeinschaft

Es gebe aber noch ein neues Phänomen: den Neo-Salafismus. Er ähnele einer „Erweckungsbewegung“ und werde von Anhängern als globale Bewegung verstanden. Leitbild sei die Idee der „ethnizitätsblinden Umma“ in der jeder ein wertvolles, gleichberechtigtes Mitglied sein könne, egal woher er komme und welche Sprache er spreche. „Diese Idee ist aber völlig unrealistisch, wenn man bedenkt, dass viele der jungen Muslime Predigten nur noch auf Deutsch verfolgen können, da sie weder Türkisch noch Arabisch sprechen. In Frankreich oder England muss dann ebenfalls in der jeweiligen Landessprache gepredigt werden“, schiebt Volk nach.

My Son the Fanatic

Besonders attraktiv für junge Menschen mit schwierigen Biographien, Ausgrenzungserfahrungen und Rückschlägen sei, dass die Welt klar strukturiert werde in „erlaubt“ und „nicht erlaubt“, außerdem werde das Gefühl vermittelt, akzeptiert zu sein, solange man den salafistischen Regeln folge. „Auf den ersten Blick merken viele Eltern gar nicht, dass ihre Kinder in ein radikales Milieu abrutschen. Anfangs freut man sich vielleicht sogar darüber, denn die Kinder hören auf Drogen und Alkohol zu konsumieren, gehen in die Moschee, beten und führen ein scheinbar besseres Leben. Dass sie dabei radikalisiert werden und oft sogar bereit dazu sind, als Dschihadisten in einen heiligen Krieg zu ziehen oder sich als Selbstmordattentäter in die Luft zu sprengen, merken Eltern oft erst dann, wenn es zu spät ist“, erklärt Volk später im Gespräch mit den Teilnehmern, macht aber auch deutlich, das nicht jeder gläubige Muslim ein Salafist ist. „Es gibt nicht den Islam oder den Salafismus.“, erklärt er. Durch charismatische deutschsprachige und deutschstämmige Imame, wie den Konvertiten Pierre Vogel, die auf die Alltagsprobleme junger Menschen mit verständlicher Sprache eingingen, Konflikte mit den Eltern, der Schule, der Arbeitswelt und dem alltäglichen Leben auf ein „unislamisches“ Leben zurückführten, und den Betroffenen durch falsche Versprechen Zufriedenheit, Sinn und Anerkennung voraussagten, gerieten mehr und mehr Menschen in die Fänge neo-salafistischer Gruppen.

Nicht jeder Salafist ist Extremist!

„Salafismus ist nicht gleich Salafismus“, erklärt Thomas Volk. Auch hier müsse wieder klar unterteilt werden. Es gebe puristische Neo-Salafisten, die durch ihre individuelle Lebensweise versuchten Menschen zur Konversion zu bewegen. „Manche dieser Gruppierungen bieten sogar Konversionstelefone an, denn jeder, der vor mindestens zwei muslimischen Zeugen das muslimische Glaubensbekenntnis spricht ist Muslim.“, erklärt Volk diese seltsam anmutende Einrichtung. Politische Salafisten versuchten, entweder durch Engagement im Rechtsstaat ebendiesen zu untergehen, oder sie lehnten die Prinzipien und Instrumente des Rechtsstaats ohnehin ab und bewegten sich außerhalb der rechtstaatlichen Möglichkeiten. Die dritte Gruppe, die dschihadistischen Neo-Salafisten seien diejenigen, die eindeutig gewaltbereit und gewalttätig sind.

Mehr Investitionen in Prävention!

Für Volk ist klar, dass der Salafismus mittlerweile auch in Deutschland fest verwurzelt sei und Deutschland mit dieser relativ neuen Problematik umgehen muss. „Es muss mehr Aussteigerprogramme geben“, sagt Volk. Er fügt aber auch an: „Meiner Meinung nach ist es sehr schwer jemanden, der einmal in das salafistische Milieu abgerutscht ist, zu resozialisieren. Wir müssen bei der Prävention ansetzen.“ Volk schließt seinen Vortrag mit folgendem Zitat des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, ab: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist. Aber fast alle Terroristen, die wir kennen, hatten Kontakt oder sind Salafisten.“

Der "IS" ist die reichste Terrororganisation der Welt

In der anschließenden Diskussion geht es vor allem noch einmal um die Möglichkeiten zur Prävention und um den "Islamischen Staat". Ein Teilnehmer möchte beispielsweise wissen, wie sich der „IS“ finanziert. Die Antwort auf diese Frage ist für viele Anwesende schockierend: Der „IS“ nimmt jeden Tag 3.000.000 US-Dollar durch die eroberten Ölraffinerien ein, aber auch durch Spenden und andere Unterstützung von Privatleuten und Staaten wächst das Vermögen des „IS“ immens.

Jeder kann einen Beitrag leisten!

Das Fazit der Veranstaltung: Es muss etwas getan werden und zwar bevor Jugendliche und junge Erwachsene radikalisiert sind! Prävention und die Mittel des Rechtsstaats sind die einzigen Waffen im Kampf gegen den „IS“. Daher ist es die Aufgabe jedes einzelnen Bürgers die Augen offen zu halten, nicht wegzuschauen und so dazu beizutragen, dass der Extremismus in Deutschland keine Chance hat.

Text: Regina Dvorak-Vucetic und Jonathan Kamzelak

Bilder: Regina Dvorak-Vucetic und Jonathan Kamzelak

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