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Veranstaltungsberichte

Eine Frage des Wollens!

von Jasper Eitze

Bericht zur internationalen Konferenz "Energiesicherheit und weltweiter Klimaschutz nach der Kopenhagen-Konferenz"

Knapp fünf Monate sind seit der denkwürdigen UN-Klimakonferenz von Kopenhagen (COP-15) vergangen. Was ist geblieben und wie geht es weiter mit Klimaschutz und Energiesicherheit, zwei Seiten derselben Medaille? Diese für die Welt des 21. Jahrhunderts zentrale Frage stand im Mittelpunkt der von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und mit Unterstützung des Brasilianischen Zentrums für Internationale Beziehungen (CEBRI) organisierten Konferenz, die am 29. und 30. April in Rio de Janeiro stattfand.

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Die Konferenz als Audiodatei zum Download:

Begrüßung und Eröffnungsvortrag

Panel I: Energiesicherheit und Klimaschutz als Querschnittsaufgaben für die nationale Politik

Panel II: Energiesicherheit und Klimaschutz auf Bundesstaatsebene

Panel III: Energiesicherheit und Klimaschutz auf Gemeindeebene

Panel IV: Verantwortung regionaler Führungsmächte und Chancen internationaler Politikkoordination

In insgesamt vier Panels ging es um die Möglichkeiten der Energiesicherung und des Klimaschutzes auf lokaler, bundesstaatlicher, nationaler und internationaler Ebene. Im Vordergrund stand dabei weniger die Darstellung wissenschaftlicher Analysen oder politischer Rezepte als vielmehr die Chance zur Debatte und zum vertrauensvollen Meinungsaustausch. Um den Dialog zwischen Brasilien in seiner Rolle als aufstrebende Regionalmacht mit Vertretern anderer Führungsmächte zu ermöglichen, waren Repräsentanten aus Deutschland bzw. der EU, den USA, China, Russland und Indien geladen: Politiker, Wissenschaftler, NGO-Vertreter und Experten öffentlicher und privater Institutionen.

Eröffnet wurde die Konferenz durch einen Vortrag von Branca Americano, Staatssekretärin für Klimawandel und Umweltqualität im brasilianischen Umweltministerium. Mit Bezug auf die Ergebnisse von Kopenhagen stellte sie die Frage in den Raum, ob das Glas halb voll oder halb leer sei. Für beide Positionen ließen sich Argumente anführen: Zwar sei es nicht gelungen, ein verbindliches Vertragsgerüst auszuhandeln, jedoch dürften bei aller Enttäuschung auch nicht Fortschritte wie die Formulierung des 2-Grad-Ziels übersehen werden. Der Multilateralismus, so Americano, bleibe die beste, weil demokratischste Form, um Lösungen für globale Probleme zu finden. Brasilien habe bewiesen, dass es durch freiwillige Reduktionsziele mit gutem Beispiel vorangehen will. Da Brasilien seine Energieversorgung zu rund 46 Prozent aus erneuerbaren Quellen sichert, soll die angestrebte Emissionsminderung um 20 Prozent bis 2020 (Referenzjahr 2005) vor allem durch das Eingrenzen der Entwaldung erreicht werden. Americano betonte jedoch auch, dass die Industrieländer ihr starkes wirtschaftliches Wachstum in der Vergangenheit auf Kosten der Umwelt erzielt hätten und daher eine besondere Verantwortung als Vorreiter beim Klimaschutz übernehmen müssten, gerade auch durch Finanz- und Technologietransfers zugunsten der Entwicklungsländer. In die anschließende Debatte mit der brasilianischen Staatssekretärin schalteten sich auch die internationalen Gäste ein. So nutzte beispielsweise der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz die Gelegenheit, um von Americano Anregungen für die Ausgestaltung der EU-Richtlinien zu den Importvorschriften für Tropenholz zu erhalten.

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Branca Americano, Staatssekretärin für Klimawandel und Umweltqualität des Umweltministeriums Brasiliens
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CDU-Europaabgeordneter Karl-Heinz Florenz

Für die internationalen Referenten wie auch für das zahlreich erschienene Publikum zahlte sich aus, dass der Debatte im Rahmen der beiden Konferenztage bewusst viel Platz gelassen wurde. Die Möglichkeit zur intensiven Diskussion zwischen Vertretern einzelner Länder biete sich trotz des internationalen Gipfelmarathons der letzten Jahre nur selten, so Florenz später. Als Umweltexperte im EU-Parlament hat er praktisch an allen wichtigen Klimagipfeln der letzten Jahre teilgenommen. Doch bei aller Kritik und Enttäuschung über unzureichende Gipfelergebnisse müsse man sich auch die Struktur derartiger Konferenzen vor Augen halten: Allein der Umstand, dass innerhalb weniger Tage sämtliche Mitgliedsstaaten die Chance erhalten müssen, vor dem Plenum zu sprechen, stelle die Verhandlungsdelegationen vor ein enormes Zeitproblem. Wenn dann noch weitere Hindernisse wie diplomatische Fehltritte à la „No treaty, no money“ (US-Außenministerin Hillary Clinton) hinzu kämen, seien richtungsweisende Erfolge praktisch unmöglich. Florenz verwies ebenfalls auf die durch Medien und Nichtregierungsorganisationen übertriebene Erwartungshaltung im Vorfeld der Kopenhagen-Konferenz. Dies berge die Gefahr eines zunehmenden Vertrauensverlustes in die Klimapolitik. Dabei sei bereits das Zustandekommen von EU-Gesetzen bzw. Richtlinien ein höchst komplexer und mühsamer Prozess. Dennoch sei es gelungen, zwischen den EU-Mitgliedsstaaten das CO2-Reduktionsziel von 20 Prozent bis 2020 (Referenzjahr 1990) zu vereinbaren. Die EU habe dadurch ihre Führungsrolle beim weltweiten Klimaschutz unterstrichen und auf diese Ziele könne sich die Welt verlassen.

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Sergei Roginko - Russische Energieagentur, Karl-Heinz Florenz MdEP, Emílio La Rovere - Bundesuniversität Rio de Janeiro (v.l.n.r.)

Für eine fairere Bewertung der USA beim Klimaschutz sprach sich Alexander Ochs vom Worldwatch Institute in Washington aus. Die Möglichkeiten der amerikanischen Regierung zur Formulierung ehrgeiziger Reduktionsziele würden von der internationalen Öffentlichkeit überschätzt. Das politische System der USA erlaube dem Präsidenten nicht, ohne die entsprechende Zustimmung im Kongress sein Land als Vorreiter im Klimaschutz zu positionieren. Allerdings würde auch übersehen, so Ochs weiter, dass die USA sehr wohl eine Führungsrolle einnähmen. Auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene würde sich in Nordamerika in Sachen erneuerbarer Energien und Klimaschutz nach dem Bottom-Up-Prinzip eine Menge bewegen. Trotz der vorherrschenden Enttäuschung über COP-15 blicke er mit Zuversicht in die Zukunft. Denn dort, wo bereits seit vielen Jahren, scheinbar entgegen wirtschaftlicher Logik, nachhaltige Konzepte in die Praxis umgesetzt werden, hätten sich die Lebensbedingungen für die Menschen klar verbessert, argumentierte Ochs.

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Remmer Edzards, Geschäftsführer der Stadtwerke Emden
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Alexander Ochs, Direktor des Klima- und Energieprogramms des Worldwatch Institutes

Als ein Beispiel hierfür kann zweifelsohne die Stadt Emden gelten, wie die Ausführungen des Geschäftsführers der dortigen Stadtwerke, Remmer Edzards, zeigten. Im Rahmen des Panels zu den Möglichkeiten auf lokaler Ebene präsentierte er die bereits seit Beginn der Neunziger Jahre in die Wege geleiteten Maßnahmen zum schrittweisen Umbau der städtischen Energievorsorgung. Bewusst haben man zu Beginn, noch Jahre vor dem Inkrafttreten des deutschen Förderungsgesetzes für erneuerbare Energieträger, kurz- und mittelfristige Gewinneinbußen in Kauf genommen. Dieser Mut habe sich mittlerweile ausgezahlt und die Stadtwerke Emden hätten sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 ihre Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Das solche Ziele zu erreichen sind, habe er in den letzten 20 Jahren gelernt, bekräftigte Edzards und motivierte die Zuhörer: „Es geht – man muss nur wollen!“.

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Wan Lin - Chinesisches Zertifizierungszentrum, Remmer Edzards - Stadtwerke Emden, Sérgio Besserman - Technische Kammer für Nachhaltige Stadtentwicklung von Rio de Janeiro (v.l.n.r.)

Dass auch das beim Klimaschutz viel gescholtene China nicht untätig ist, sondern die Zeichen der Zeit verstanden hat, versuchte Wan Lin vom chinesischen Zentrum für Zertifizierung in seiner Präsentation zu veranschaulichen. Das Land habe sich dafür entschieden, durch massive staatliche Subventionen Pilotprojekte ins Leben zu rufen, wie beispielsweise im Falle der international bekannten Solarstadt Dezhou. China entwickle und produziere zunehmend selbst entsprechende Technologien, auch für den Export, erklärte Lin.

Doch kaum ein Ort der Welt wird in der nahen Zukunft derart unter dem Druck stehen, grüne Technologien und intelligente Lösungen für seine öffentliche Infrastruktur zu finden, wie Rio de Janeiro. Die Augen der Welt werden sich mit einem besonders kritischen Blick in den kommenden sieben Jahren gleich mehrfach auf die 12 Millionen Einwohner zählende Metropole richten. Zunächst stehen 2011 die Weltmilitärspiele an, ein Jahr später die UN-Klimakonferenz. 2014 wird Rio de Janeiro einer der Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft sein. Hier erwartet die Öffentlichkeit den Umbau des legendären Maracanã-Stadions zu einem regelrechten Symbol für Nachhaltigkeit. Und schließlich wird 2016 der Höhepunkt mit der Austragung der Olympischen Spiele in der Stadt erreicht – eine echte Mammutaufgabe also, für die die Zeit knapp bemessen ist. Vielleicht gelingt es ja, Rio de Janeiro zu einem herausragenden Beispiel dafür zu machen, was alles möglich ist – eine Frage des Wollens!

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26. - 27. Mai 2010
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