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Veranstaltungsberichte

Erfahrungen und Erwartungen nach 100 Tagen EURO in Litauen

von Victoria Kemper

Die Entwicklung der Baltischen Länder seit dem EU-Beitritt

Das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete am 6. Mai 2015 in Kooperation mit dem Deutsch Litauischen Forum e.V. einen Vortragsabend mit Podiumsgespräch zum Thema: „Die Entwicklung der baltischen Staaten seit dem EU-Beitritt – Erfahrungen und Erwartungen nach 100 Tage Euro-Einführung in Litauen", um über die wirtschaftliche Entfaltung dieser Länder zu diskutieren.

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Als Gäste konnten Prof. Dr. Ralph M. Wrobel von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Prof. Dr. Vadievutis Ipolitas Geralaviĉius, Litauischer Botschafter a.D. und Mitglied im Vorstand des Litauischen Bankenverbandes sowie Deividas Matulionis, Botschafter der Republik Litauen in Berlin, gewonnen werden.

Nach einer Begrüßungsrede durch die Landesbeauftragte und Leiterin des PBF Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung, Maja Eib begann Prof. Dr. Ralph M. Wrobel mit seinem Vortrag, in welchem er zunächst die allgemeine Entwicklung der baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland erläuterte und auf Gemeinsamkeiten dieser Länder einging.

Demnach seien Estland, Litauen und Lettland gemeinsam, so Wrobel, dass alle drei zwischen den beiden Weltkriegen unabhängig gewesen seien und schließlich unter sowjetischer Besatzung gestanden hätten. Im Jahre 1991 konnten sie jedoch erneut ihre Unabhängigkeit erringen.

Die wirtschaftliche Entfaltung der drei baltischen Länder seit dem Beitritt in die Europäische Union

Im Anschluss erörterte der Wirtschaftswissenschaftler die wirtschaftliche Entfaltung dieser drei Länder seit ihrem Beitritt in die Europäische Union bis zur Einführung des EURO. Daneben beleuchtete Wrobel die heutige Wirtschaftslage der drei Baltischen Staaten.

Der Beginn der wirtschaftlichen Transformation dieser Länder nach der sowjetischen Besatzung stellte sich laut Wrobel zunächst mit demokratischen Wahlen in diesen Ländern ein, welche in Estland und Litauen im Jahre 1992 und in Lettland 1993 vollzogen worden waren.

Durch diese haben sich neue Staatsinstitutionen etablieren können, auch sei es dadurch gelungen liberale Wirtschaftssysteme bzw. veränderte Währungssysteme in diesen drei Ländern zu installieren.

In Estland habe man im Jahre 1992 ein Währungssystem, das sogenannte currency board errichtet.

Wrobel erklärte, dass dieses Wechselkursarrangement eine strenge Form der Wechselkursbindung beinhalte und dieses Währungssystem dadurch gekennzeichnet sei, dass die nationale Währung in einem festen Verhältnis an eine ausländische Währung gebunden werde. Auch in Litauen habe man dieses Währungssystem zwei Jahre später eingeführt.

Beeinträchtigungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die wirtschaftliche Entfaltung

In zahlreichen anschaulichen Grafiken ging der Wirtschaftswissenschaftler schließlich u.a. auf die Exportprodukte der drei baltischen Staaten, auf den Bestand der ausländischen Direktinvestitionen in diesen Ländern sowie die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten bis zur Wirtschaftskrise 2008/2009 ein.

Wrobel konstatierte, dass alle drei Staaten bis zur Krise einen Aufwärtstrend zu verzeichnen hatten, dieser allerdings durch die weltweilte wirtschaftliche Krise deutlich abgedämpft wurde.

So sei Estland am stärksten von der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen gewesen und habe im Jahr 2009 eine (negative) Wachstumsrate des BIP von fast minus 15% aufgewiesen.

Jedoch habe sich Estland im Vergleich zu den anderen beiden baltischen Staaten sehr schnell von dieser Krise erholt und wies bereits im Jahre 2010 ein positives Wirtschaftswachstum auf. Litauen (mit minus 14%) und Lettland (mit minus 13%) haben ebenfalls im Jahre 2009 ein negatives Wachstum erleiden müssen.

Der Wirtschaftswissenschaftler stellte fest, dass Litauen im Vergleich zu Estland und Lettland von dieser Krise nicht so schwerwiegend betroffen gewesen sei, da dort das Bankensystem zum Zeit-punkt der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht so stark weltwirtschaftlich gekoppelt gewesen sei, wie es in den anderen beiden Staaten Estland und Lettland der Fall gewesen sei.

Die Reaktionen der baltischen Staaten auf die Finanz- und Wirtschaftskrise

Die Reaktionen auf diese Krise seien in allen drei Ländern hingegen gleich gewesen, so Wrobel. Man habe die eigene Währung intern abgewertet, was u.a. mit Lohnkürzungen und Kürzungen staatlicher Leistungen verbunden gewesen sei.

Dies wiederum habe einen sogenannten Braindrain-Effekt in allen drei Ländern hervorgerufen. D.h. hoch qualifizierte Wissenschaftler und Fachkräfte seien ins Ausland „geflüchtet“, da sie dort höhere Gehälter, bessere Forschungsbedingungen vorgefunden hätten.

Der Wirtschaftswissenschaftler begründete diese interne Abwertung damit, dass man sowohl in Estland, aber auch in Lettland und Litauen keinesfalls die geplante Einführung des EURO gefährden wollte, welche in Estland im Jahre 2011, in Lettland 2014 und in Litauen schließlich in diesem Jahr erfolgt sei.

Motive der baltischen Staaten für die Euro-Einführung

Im Nachfolgenden erörtere der Referent die Motive der drei baltischen Staaten hinsichtlich der Einführung des Euro. Laut Wrobel habe hier vorrangig die Integration in europäische Strukturen, wie beispielsweise in das System kollektiver Sicherheit (NATO) und in die Europäische Union eine Rolle gespielt.

Auch seien sicherlich Sicherheitsaspekte, die durch die Ukrainekrise intensiviert worden seien, relevant für die Entscheidung zur Euro-Einführung gewesen. Neben diesen politischen Gründen nannte Wrobel auch wirtschaftliche Gründe, welche Motiv für die Einführung des Euro gewesen seien.

U.a. habe man so ein Ende des ständig herrschenden Abwertungsdrucks herbeiführen wollen.

Weiterhin seien der Zugang zur Liquidität der EZB, aber auch die Teilnahme an Entscheidungsprozessen der EZB sowie die Preisvergleichbarkeit für die Euro-Einführung motivierend gewesen.

Seinen Vortrag beendete der Wirtschaftswissenschaftler mit aktuellen Angaben zum Einkommensniveau und der Arbeitslosenquote in den drei baltischen Staaten, welche im Vergleich zu an-deren europäischen Staaten gering ausfalle.

Erfahrungen und Erwartungen 100 Tage nach der Euro-Einführung aus litauischer Sicht

Anschließend erhielt Prof. Dr. Vadievutis Ipolitas Geralaviĉius, Litauischer Botschafter a.D. und Mitglied im Vorstand des Litauischen Bankenverbandes das Wort und berichtete über die Erfahrungen und Erwartungen 100 Tage nach der Euro-Einführung in Litauen.

Der Botschafter a.D. erläuterte zunächst die Anfänge der Euro-Einführung in Litauen und verwies darauf, dass Litauen bereits im Jahre 2007 beabsichtigte den Euro einzuführen, die Einführung des Euro aus diesem Grunde 2 Jahre zuvor offiziell beantragt wurde.

Prof. Dr. Vadievutis Ipolitas Geralaviĉius konstatierte allerdings, dass die Eurozone zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit gewesen sei, ein weiteres Land in ihre Wahrungszone aufzunehmen, weshalb man die Einführung des Euro in Litauen, trotz sorgfältiger Vorbereitungen von Seiten der Republik Litauens, zunächst verschob, sodass die Euro-Einführung schließlich erst im Jahre 2015 erfolgte.

Erfolge der Euro-Einführung

Folglich erörterte der Botschafter a.D. der Republik Litauen die Erfolge, welche sich bereits nach kurzer Zeit der Einführung des Euro in Litauen eingestellt hätten. Demnach habe sich Ende Dezember der Anteil des Bargeldes um die Hälfte verringert- von 12 Mrd. auf 6,5 Mrd. Litas (von 3,47 Mrd. auf 1,9 Mrd. EUR).

Des Weiteren seien nach der Einführung des Euro die Prognosen hin-sichtlich einer nachträglichen Inflation nicht eingetreten, die Inflation wies weiterhin einen Durchschnittswert von 0,2% auf, so der Botschafter a.D.

Positiv sei laut Geralaviĉius außerdem zu bewerten, dass seit der Einführung des Euro keine Währungswechselkosten mehr anfallen würden und die Anleihezinsen sowohl für Geschäftskunden, Einwohner als auch für den Staat deutlich geringer seien.

Zudem konstatierte der Botschafter a.D., dass sich die Einführung des Euro auch hinsichtlich der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts der Republik Litauen positiv ausgewirkt habe.

Laut Geralaviĉius werde das tatsächliche Bruttoinlandprodukt Litauens in den Jahren 2014-2022 um 0,5-2,8 Prozent höher sein und somit Wachstum aufweisen.

Daneben werde ein Rückgang der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen sein. Der größte Erfolg, der sich durch die Euro-Einführung eingestellt habe, sei jedoch, dass das internationale Kreditrating Litauens stark gestiegen sei. Daneben erhöhte die Ratingagentur Fitch Ratings Ende 2014 das Kreditrating Litauens von BBB/ Baa auf A-, so der Botschafter a.D.

Meinungen der litauischen Bürger hinsichtlich der Euro-Einführung

Neben all diesen wirtschaftlichen Fakten beleuchtete der Botschafter a.D. jedoch auch die Meinungen der Einwohner Litauens hinsichtlich der Einführung des Euro. Hier habe eine dynamische Entwicklung stattgefunden wie eine repräsentative Umfrage (von Januar bis Februar) verdeutlicht habe. Demnach würden mehr als 68% der litauischen Einwohner die Einführung des EURO positiv bewerten, auch sei die Zahl der Euro-Skeptiker von 30 auf 26 Prozent gesunken.

Resümee der Euro-Einführung

Prof. Dr. Vadievutis Ipolitas Geralaviĉius resümierte, dass der Vorteil für der Euro-Einführung deutlich sichtbar überwiegen würden und dass sich dieser Vorteil finanziell auf ca. 10,08 – 10,5 Mrd. EUR belaufen würde. Die Wirkung der Euro-Einführung für die Wirtschaft des Landes sei sowohl kurzfristig als auch langfristig vorteilhaft, so der Botschafter a.D.

Im Anschluss an die beiden Vorträge folgte eine Podiumsdiskussion, für welche auch der Botschafter der Republik Litauens in Berlin Deividas Matulionis gewonnen werden konnte. Die Moderation der Diskussion übernahm Guido Fischer vom MDR Thüringen.

Das Podium erörterte die Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland, welche stark ausgeprägt und somit für Litauen von äußerst hoher Relevanz seien.

Der Botschafter a.D. sowie der Botschafter der Republik Litauen in Berlin stellten übereinstimmend fest, dass 46% der Exporte aufgrund der Ukraine-Krise zurückgingen. Allerdings habe man die größten Probleme, die diese Krise mit sich gebracht hatte, bereits überwunden.

Der Botschafter der Republik Litauen in Berlin betonte, dass man deutlich beobachten könne, dass europäische Länder zunehmend wichtiger für litauische Unternehmer werden würden.

Des Weiteren intensivieren sich die wirtschaftlichen Beziehungen zu arabischen und asiatischen Partnern.

Ferner wurde das Freihandelsabkommen TTIP und die Akzeptanz dieses Abkommens in Litauen thematisiert.

Der ehemalige Botschafter Prof. Dr. Geralaviĉius und der Botschafter Matulionis befürworteten dieses und verdeutlichen, dass auch ein Großteil der litauischen Bevölkerung gegen-über TTIP positiv eingestellt sei.

In Litauen teile man die Sorgen der deutschen Bevölkerung hinsichtlich TTIP nicht.

Neben wirtschaftlichen Aspekten wurden zudem über die russische Minderheit in Litauen sowie deren Integration in die Gesellschaft diskutiert.

Die litauischen Staatsgäste betonten, dass diese Minderheit weder „ökonomischen Sprengstoff“ bieten würde, noch vermehrt Streitigkeiten mit dieser Bevölkerungsgruppe auftreten würden. Ganz im Gegenteil, auch die russische Minderheit sei vollwertig in die litauische Gesellschaft integriert, so der Botschafter a.D. und Botschafter.

Nach Beendigung der sehr angeregten Podiumsdiskussion waren die Bürgerinnen und Bürger herzlich zur Begegnung und persönlichen Gesprächen eingeladen.

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