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Veranstaltungsberichte

Indonesien übernimmt ASEAN-Präsidentschaft

von Marc Frings
Eine Konferenz von KAS und LIPI diskutierte Chancen und Herausforderungen der kommenden zwölf Monate. Erhält der südostasiatische Staatenverband durch Indonesien neuen Impetus?

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2011 wird der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) für ein Jahr von der indonesischen Regierung geführt. Die Präsidentschaft setzt Indonesien unter das Motto „ASEAN Gemeinschaft in einer Weltgemeinschaft der Nationen“. Außenminister Marty Natalegawa stellte bereits Anfang Januar die drei Schwerpunkte vor, die Indonesien in den kommenden zwölf Monaten auf die Agenda der ASEAN platzieren möchte: Indonesien will Fortschritte bei der Realisierung der ASEAN-Gemeinschaft erwirken. Der ambitionierte Zeitplan sieht vor, bis 2015 dieses Ziel zu erreichen. Zudem soll der indonesische Führungsanspruch in der südostasiatischen Regionalarchitektur sichergestellt werden. Das wird wesentlich davon abhängig, ob das für diesen Sommer geplante Ost-Asien-Gipfeltreffen, mit den Gastländern Russland und USA, erfolgreich verläuft. Und schließlich strebt Indonesien an, eine Vision für die ASEAN zu formulieren, die über das Jahr 2015 hinausgeht.

Die außenpolitische Sektion des Forschungsinstituts LIPI und die Konrad Adenauer Stiftung boten Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Rahmen einer eintägigen Konferenz eine Plattform, um politik- und forschungsrelevante Fragen im Kontext des südostasiatischen Integrationsprozesses zu diskutieren.

Politik, Sicherheit und Wirtschaft sind zentrale Wirkungsfelder von ASEAN, stellte Ngurah Swajaya zu Beginn fest. Der permanente Vertreter Indonesiens bei der ASEAN betonte, dass der Erhalt von Frieden und Sicherheit in der Region langfristig dazu beitrage, dass sich die Länder wirtschaftlich entwickeln können. Gemeinsam kommen die südostasiatischen Staaten auf ein Bruttoinlandsprodukt, das in Asien nur noch hinter dem von China und Japan liegt. 2011 wird aus Sicht von Herrn Swajaya eine qualitative Weiterentwicklung der ASEAN bringen: Die ASEAN-Charta wird in Kraft treten, und Indonesien schickt sich an, den Gemeinschaftsgedanken der Staatengruppe zu stärken. Mit Blick auf regionale Herausforderungen, wie dem Konflikt auf der koreanischen Halbinsel, Indiens und Chinas Streben nach mehr Macht und das neuerliche Engagement der US-Amerikaner in der Region, erinnerte Herr Swajaya abschließend daran, die Gesellschaften in den südostasiatischen Ländern nicht aus dem Auge zu verlieren und sie beim Integrationsprozess entsprechend einzubinden sind. Das Ziel der ASEAN, bis 2015 zu einer Gemeinschaft zusammenzuwachsen, ist ein wichtiger Beitrag Südostasiens, um besser auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen reagieren zu können, konstatierte Winfried Weck, Leiter des KAS-Auslandsbüros für Indonesien und Ost-Timor. Damit vollziehen die Staaten einen Anpassungsprozess, der dem globalen Veränderungsprozess Rechnung zollt. Der Leiter von LIPI, Prof. Lukman Hakim, formulierte schließlich die Hoffnung, dass Indonesien in den kommenden Monaten Prozesse anstößt, die über das Jahr der Präsidentschaft hinauswirken. ASEAN, so seine Forderung, müsse ein Raum für Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und Frieden werden.

Mehr als nur ein regionaler Akteur?

Ein interdisziplinär besetztes Podium beleuchtete im Anschluss den zurückgelegten und noch zu beschreitenden Weg der ASEAN. Bagas Hapsoro, stellvertretender Generalsekretär der ASEAN, behandelte in seinem Vortrag die „Dynamik der ASEAN“. Als Schlüsselprinzip der Organisation identifizierte er eine nach außen orientierte, offene, transparente und auf Dialog ausgerichtete Kooperationsform. Partnerschaft auf Augenhöhe, Nichtdiskriminierung und gegenseitiger Vorteil definierten das gegenwärtige Miteinander. Die erweiterten Dialogrunden (z.B. Ost-Asien-Gipfel) belegten zudem, dass die Einflusssphäre über die Grenzen Südostasiens hinausreiche. Dass weitere Staaten in die ASEAN strebten und 52 Staaten Botschafter beim ASEAN-Sekretariat in Jakarta akkreditiert hätten, führe laut Herrn Hapsoro zwangsläufig zu der Frage, ob ASEAN bereit sei, die Rolle eines Global Player zu übernehmen.

Klimawandel, Antiterrorkampf und Katastrophenhilfe kann man zwar schon heute auf der Agenda der ASEAN finden, aber für den stellvertretenden ASEAN-Generalsekretär steht und fällt der Erfolg der Organisation mit den Menschen in den Ländern der Mitgliedsstaaten: Sie müssen sich mit ASEAN identifizieren können, um der Organisation so zu innerer Stärke zu verhelfen (ownership-Idee).

Neue Gemeinschaftsarchitektur entsteht

Ngurah Swajaya nutzte die Teilnahme am Podium, um seine eingangs skizzierten Gedanken detaillierter vorzustellen. In seinem Vortrag zu „Indonesiens ASEAN-Politik“ unterstrich er die Bedeutung des laufenden Transformationsprozesses, der in der „ASEAN-Gemeinschaft“ münden wird. 2015 soll diese Idee Wirklichkeit werden. Politische Sicherheit, Wirtschaft und soziale Kultur, so Herr Swajaya, werden die drei Säulen der künftigen ASEAN-Architektur bilden. Drei Gremien (community councils) bereiten gegenwärtig die konzeptionelle Ausgestaltung dieser Säulen vor, indem sie Aktionspläne zu verschiedenen Fragestellungen entwickeln.

Demokratiedefizit im ASEAN-Raum

Adriana Elisabeth, Wissenschaftlerin bei LIPI, referierte im Anschluss über „Implementierung von Demokratie und Menschenrechten in der ASEAN“. Das ernüchternde Fazit ihrer Forschung: „Die Demokratie in der ASEAN ist fehlerhaft. Demokratische Ordnungsstrukturen haben es bislang nicht vermocht, den Menschen Wohlstand, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu bringen.“ Stattdessen dominierten vielerorts noch immer Armut, Arbeitslosigkeit, politische und lokale Gewalt, Korruption, Vetternwirtschaft und schlechte Regierungsführung. Gemeinsame Bekenntnisse zur Demokratie, beispielsweise in Form der ASEAN-Charta, haben daran bislang nichts geändert. Unterschiede in Ideologien, politischen Systemen, soziokulturellen und religiösen Ansichten, sowie bilaterale Konflikte bilden zusammen Hindernisse für den Siegeszug der Demokratie in der ASEAN-Region, so Adriana Elisabeth. Sie schloss mit einem Plädoyer für die Förderung gemeinsamer demokratischer Normen und Werte, institutionalisierter Demokratiemechanismen und dem Aufbau eines regionalen strategischen Ansatzes, der auf der ASEAN-Charta beruht.

Arbeitsmigration in ASEAN

Die letzte Sprecherin, Tri Nuke Pudjiastuti, ebenfalls Wissenschaftlerin in der politischen Sektion von LIPI, ging mit ihrem Vortrag zu „Arbeitsmigranten in der ASEAN-Region“ auf ein Thema ein, das gegenwärtig die Medien in der Region beherrscht. Eine Reihe von Missbrauchsskandalen hat die Frage aufgeworfen, ob Arbeitsmigrantinnen und -migranten ausreichend in ihren Einsatzländern geschützt sind. 60 Prozent der Arbeitsmigranten, so Frau Pudjiastuti, sind im informellen Sektor tätig und folglich in keiner Weise rechtlich und sozial geschützt. Aus ASEAN-Perspektive stelle sich die Frage, wie mit diesem Problem umzugehen sei, da die Wirtschaftsgemeinschaft diese schlecht oder wenig ausgebildeten Arbeitskräfte nicht berücksichtigen könne. Daher stünde die ASEAN nun in der Verantwortung, Instrumente zum Schutz dieser Menschen zu entwickeln.

Meinungsaustausch mit dem Plenum

An der anschließenden Aussprache und Diskussion beteiligten sich viele Gäste aus dem Plenum. Fragen und Anmerkungen kamen von internationalen Diplomaten, Wissenschaftlern, Privatpersonen und zivilgesellschaftlichen Vertretern. Auf das Demokratiedefizit in der ASEAN-Region angesprochen, beobachtete Bagas Hapsoro, dass die politischen Systeme der Mitgliedsstaaten noch immer sehr unterschiedlich ausgestaltet seien. Er unterstützte daher den von Adriana Elisabeth skizzierten Forderungskatalog, um die Demokratie in Südostasien zum Erfolg zu führen. Ngurah Swajaya betonte, dass insbesondere Frauen und Kinder Leittragende fehlender demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen seien. Auch seien es insbesondere Frauen, die als Arbeitsmigrantinnen in andere Länder gingen. Dies müsse auch die ASEAN entsprechend berücksichtigen. Als einen Schritt in die richtige Richtung betrachtete Herr Swajaya die ASEAN-Kommission zum Schutz von Frauen und Kindern und die Deklaration zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Arbeitsmigranten. Hinsichtlich der Transformation Südostasiens zu mehr Demokratie stellte er fest: „Wir können die politischen und rechtlichen Systeme nicht in jedem Land ändern. Aber wir können gemeinsame Ideen, Werte und Normen entwickeln.“ Adriana Elisabeth erinnerte an die Schwierigkeit, Rechte, die bereits existieren, einzuklagen.

Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger

Als ein konkretes Beispiel für die Einbindung der ASEAN-Völker in den politischen und ökonomischen Integrationsprozess stellte Herr Hapsoro ein Gemeinschaftsforum vor. Hier, so die Idee, sollten Vertreter aus zivilgesellschaftlichen Organisationenen eine Plattform erhalten, um über die drei Säulen der ASEAN diskutieren zu können. Bereits vor einigen Jahren, erinnerte er das Plenum, trafen sich die ASEAN-Regierungen mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Thailand. Und in Hanoi 2010 übergaben Nichtregierungsorganisationen eine schriftliche Erklärung an die Staats- und Regierungschefs. Um ein „Wir-Gefühl“ zu generieren, werde das ASEAN-Sekretariat Diskussionen, Ausstellungen und Forschungen unterstützen, die die Regionalorganisation unter den südostasiatischen Gesellschaften bekannter zu machen.

Die Frage nach der Ausweitung von ASEAN in ein asiatisches oder globales Forum wurde ebenfalls in der Debatte aufgegriffen. Herr Swajaya auf die Frage, ob das Ost-Asien-Gipfeltreffen als Konfliktregelungsinstrument interpretiert werden kann: „Wir versuchen, die Macht der großen Staaten auszubalancieren.“

Die Breite der andiskutierten Themen demonstrierte die Relevanz der ASEAN im heutigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Netz regionaler und internationaler Politik. KAS und LIPI wollen am Ende des Jahres in Form einer ähnlichen Konferenz auf die dann zurückliegende ASEAN-Präsidentschaft der indonesischen Regierung blicken.

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