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Veranstaltungsberichte

Klimawandelpolitik in Lateinamerika: Eine ökonomische Perspektive

von Nora Marie Zaremba

Autorin: Nora Marie Zaremba

Veranstaltung des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung am 23. und 24. September 2015 in Sao Paulo, Brasilien

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„Wir haben nur einen Planeten.“ Mit diesem Satz beendete Sergio Margulis, Senior-Berater am Institute for Sustainability in Rio de Janeiro, seinen eindringlichen Vortrag. Dieser diente als Einstieg in die zweitätige Konferenz unter dem Titel „Der Klimawandel und seine Folgen für Lateinamerika“, organisiert vom Regionalprogramm Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit der FGV-Universität von Sao Paulo. Margulis Präsentation, gespickt mit Daten rund um die Erderwärmung und ihre Folgen für Menschheit wie Umwelt, war ein „Wake-up Call“ für alle anwesenden Teilnehmer. Die eindeutigen Verlierer des Klimawandels sind bereits heute die ärmsten Regionen der Welt. So beeinflussen extreme Niederschläge und Dürren als häufige Folgen der Erderwärmung vor allem die Landwirtschaft, eine der Haupteinnahmequelle vieler Entwicklungsländer.

Christian Hübner, Leiter des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika, präsentierte mögliche Strategien zur Milderung des Klimawandels. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählt die Umstellung auf eine klimafreundliche Energieerzeugung. Ein klares Signal in dieser Hinsicht kam jüngst vom G7-Gipfel: Dort kündigten die Industriestaaten an, ihre Wirtschaften bis Ende des Jahrhunderts de-karbonisieren zu wollen. Hübner erläuterte in seinem Vortrag, wie Deutschland seine Energiewende umsetzt und in welcher Phase diese sich befindet. Saubere Energie aus Wind, Sonne und Biogas machen bereits einen Anteil von fast 25 Prozent der Stromerzeugung aus, bis 2050 sollen es 80 Prozent sein. „Die Umstellung kommt nicht von heute auf morgen, sondern sie ist ein Prozess“, sagte Hübner. Für eine langfristig erfolgreiche Energiewende sei es nun erforderlich, die Interessen der Bürger und der Unternehmen in die Planungen einzubeziehen.

Im weiteren Verlauf gaben verschiedene Panlisten aus Lateinamerika Einblicke in die nationalen Klimaschutzstrategien ihrer Länder. So hat Chile als exportstärkstes Land Südamerikas einen vergleichsweise hohen Anteil an Treibhausgasemissionen. Das Land werde mit einem ambitionierten Klimaprogramm seinen Beitrag leisten, erklärte Christian Gutierrez vom Chilenischen Umweltministerium. Chile steht dabei vor der großen Herausforderung, die Emissionen aus der Förderung von Bodenschätzen zu senken. Dieser Sektor aber ist zugleich eine der Haupteinnahmequellen des Landes. „Wenn wir es nicht schaffen, Wachstum und Umweltverschmutzung zu entkoppeln, dann werden verbindliche Klimaschutzregelungen unser Wirtschaftswachstum begrenzen“, verdeutlichte Jorge Valverde Carbonell, vom Chilenischen Finanzministerium. Mit Blick auf die COP21 würde daher erwartet, dass vor allem die Hauptverursacher des Klimawandels ambitionierte Ziele vereinbaren. Die Entwicklungs- wie Schwellenländer dürften nicht in ihrem Wachstum gehemmt werden. Gleichzeitig steuert auch Chile ambitionierte Klimaschutzziele an, die unter anderem durch eine CO2-Steuer erreicht werden sollen. Diese wird 2017 in Kraft treten. Die Vertreter aus Chile machten klar, dass Themen wie Energieeffizienz und ein Ausbau von erneuerbaren Energien in der Debatte um Chiles Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels aber nicht fehlen dürften.

Einen näheren Einblick erhielten die Teilnehmer auch in die derzeitige Situation Brasiliens in Fragen des Klima- wie Umweltschutzes. Der nationale Stromsektor wird bereits zu über 60 Prozent aus Wasserkraft gedeckt. Da das Land außerdem zu den größten Produzenten von Bioethanol gehört, ist auch der Transportsektor vergleichsweise umweltfreundlich. Gleichzeitig beherbergt Brasilien riesige Erdölressourcen. Hier spielen insbesondere die erst jüngst entdeckten Felder an der Südküste eine Rolle. Mit Blick auf Klimaschutz und Energiesicherheit stehe Brasilien derzeit am Scheideweg, wie Gilberto Câmara, Professor an der FAPESP, verdeutlichte. Entweder investieren Politik wie Wirtschaft nun in den Ausbau der Erneuerbaren - oder das Land bleibt am Erdöl hängen und steigert den Anteil von fossilen Brennstoffen im Energiemix. „Das wäre eine verpasste Chance. Wir könnten eine internationale Führungsrolle im Bereich der Biowirtschaft übernehmen, wenn wir es denn nur konsequent angehen“, so Gilberto Câmara. So ist die Umstellung des Energiesektors keinesfalls mit finanziellen Einschnitten verbunden. Ganz im Gegenteil, schloss Câmara. „Es würde sich langfristig auszahlen.“

Wie können Emissionen aus der Landwirtschaft gesenkt werden? Um diese Frage ging es im weiteren Verlauf der Veranstaltung. Beispielsweise könne schon die Wiederherstellung von Weideflächen Brasilien rund 1,8 Milliarden Tonnen CO2 einsparen, wie Angelo Gurgel, Koordinator des Departments für Landwirtschaft an der FGV-Universität in Sao Paulo, darlegte. Christoph Jungfleisch bereicherte das Panel um seine Erfahrungen aus seiner Arbeit mit Mikrofinanzierungsprojekten in der Landwirtschaft in Panama. Viele Mikrofinanzierungsprojekte vernachlässigten Klima- wie Umweltkriterien, erklärte Jungfleisch. Ein Ziel der Projekte sei es, Mitigations-Maßnahmen einzubeziehen und so die Resillienz der Kleinbauern vor Ort zu stärken. Solche Projekte seien durchaus für andere Länder vorstellbar, so Jungfleisch.

Einen vertieften Einblick in das Thema Klimafinanzierung gab der zweite Teil der Veranstaltung. Wie können einerseits Investoren für Klimarisiken sensibilisiert werden? Welche Anreize brauchen Banken, um gezielt De-karbonisierung zu fördern? Sean Kidney, Gründer der Climate Bond Initiative, erklärte das Konzept der Green Bonds – der „grünen Anleihen“. Durch sie beschaffen sich Emittenten Gelder für Umwelt- und Sozialprojekte, zum Beispiel in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Wasserreinhaltung. Noch ist zu klären, welche Regelungen ein Markt für grüne Anleihen genau beinhalten soll. Kidney verdeutlichte, dass viele Investoren von sich aus bisher kaum ein Interesse an Klimarisiken hätten. Dieses Problem könnte durch eine direktere Ansprache durch die Finanzinstitute angegangen werden. Diese könnten ihre eigenen Kunden gezielt bei der Investition in zukunftsweisende Technologien unterstützen. Jakob Thomä, Projektkoordinator der 2 Degree Investing Initiative, stellte eine derzeit in Frankreich zur Verhandlung stehende Richtlinie vor. Dieser Regelung zufolge sollen Banken oder auch Pensionsfonds in Zukunft ihre Klimarisiken offen legen. Vorgesehen ist, dass die Richtlinie Teil des nationalen Erneuerbaren-Energien-Gesetzes wird.

Im letzten Panel der Veranstaltung ging es um die Frage, welches Instrument geeignet sei, den Ausstoß von CO2 zu begrenzen. Mit Blick auf Lateinamerika hat Mexiko bereits 2014 eine CO2-Steuer eingeführt. Unternehmen können die Steuer nicht nur monetär, sondern auch mit Zertifikaten aus mexikanischen Clean Development Mechanismen bezahlen. Berechnungen zufolge umfasst die Steuer rund 40Prozent der mexikanischen CO2-Emissionen. In ihrem neuen Report „Put a price on Carbon“ gibt die Weltbank einen Überblick über verschiedene Szenarien der Emissionsminderung. Immerhin 40 Länder und über 20 Städte unternehmen bereits Bemühungen auf diesem Sektor. Damit sei man auf einem guten Weg, erklärte Alexandre Kossoy, Spezialist für Klimafinanzierung bei der Weltbank. Allerdings besteht auch die Gefahr einer sogenannten „Carbon Leakage“, also der Abwanderung von Unternehmen in Länder ohne „Carbon Pricing“. „Die Herausforderung ist nun, noch mehr Ländern für die Umsetzung dieser Mechanismen zu gewinnen“, erklärte Kossoy. Input über den Stand des Themas bei Unternehmen lieferte im Anschluss Nina Braun von der Nichtregierungsorganisation „CDP“. Im neuen Report würden sich bereits über 1000 internationale Unternehmen dazu äußern, wie sie einen internen Preis auf CO2 verwenden. Ebenso schauten die Panelisten auf das ETS in der Europäischen Union, das seit 2007 existiert. Eine nun beschlossene Reform sieht nicht nur die Verknappung der Zertifikate vor, sondern auch eine sogenannte Marktstabilitätsreserve, die Menge und Preis der Zertifikate jeweils anpasst. Man erwarte mit Spannung, was diese Reform bringt, sagte José Mario Pampini García, Direktor für Klimafragen im mexikanischen Umweltministerium.

Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die Länder Lateinamerikas beim Klimaschutz ambitionierte Beiträge der westlichen Industrienationen ebenso wie von China einfordern. Aber auch die einzelnen Länder der Region wollen mit eigenen Zielen zu einem verbindlichen Klimaschutzabkommen beitragen. Die Herausforderung besteht darin, die De-karbonisierung einzelner Wirtschaften anzugehen, ohne die Länder in ihren Wachstumsmöglichkeiten zu beschränken. Hier gilt es, die in vielen Ländern derzeit noch bestehende Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Treibhausgasausstoß abzuschwächen. Jene Länder, die wie Brasilien am Scheideweg zwischen „sauberer Energie“ und dreckigem Energiemix stehen, brauchen Unterstützung durch gezielte Investitionen in die Erneuerbaren-Branche. Ebenso verdeutlichten die Beiträge der Veranstaltung, dass der internationale Finanzmarkt einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Beispielsweise dadurch, dass Finanzinstitute wie Investoren klimafreundliche Projekte stärker finanzieren. Ebenso muss es Standard werden, dass Banken wie Unternehmen ihre Klimarisiken offenlegen. Das Beispiel Frankreich zeigt, wie solch eine Offenlegung auch politisch eingefordert werden kann. Die Mechanismen einer Carbon-Steuer sowie das ETS sind, besonders für wirtschaftlich starke Staaten, eine Möglichkeit, ihre CO2 Bilanz zu senken. Doch weitere Felder dürfen dabei nicht aus dem Blickfeld geraten. Dazu gehört ein umweltfreundlicher Transport ebenso wie der Bereich Energieeffizienz.

Anbei finden Sie noch den kompletten Bericht, der von GVces geschrieben würde und nur auf Englisch verfügbar ist.

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