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Mit blauen Eimerchen für eine bessere Zivilgesellschaft

Expertendiskussion mit Dr. Michail Fedotow und Dr. Andreas Schockenhoff MdB

Nach seinem Regierungsantritt vor knapp drei Jahren hat Russlands Präsident Medwedew immer wieder seine Forderung nach einer Modernisierung der russischen Gesellschaft bekräftigt. Diese Modernisierungs-Agenda ist jedoch ins Stocken geraten. Wie es tatsächlich um die russische Zivilgesellschaft bestellt ist, haben in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin zwei ausgewiesene Experten für dieses Thema diskutiert.

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Aus deutscher Sicht beschrieb der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff MdB, die Situation. Er attestierte eine „Kluft zwischen Rhetorik und Realität“, wenn es um Medwedews Modernisierungs-Agenda geht: Auf der einen Seite ehrgeizige Ziele, auf der anderen Seite nach wie vor zahlreiche Berichte über Korruption, politische Morde oder die Verfolgung und Bedrohung von Journalisten.

Mit der Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2014 und der Fußball-WM 2018 habe Russland große Aufgaben übernommen, so Schockenhoff. „Für diese Ziele braucht der Staat die Menschen und die Zivilgesellschaft als Partner“, sagte er. Dazu sei ein breites Engagement von unten notwendig, und nicht der Wunsch nach Veränderungen von oben, wie er momentan noch vorherrsche. Das Signal der russischen Regierung, die restriktiven NGO-Gesetze überarbeiten zu wollen, bezeichnete Schockenhoff in diesem Zusammenhang als Lichtblick.

Einen sehr detaillierten Einblick in die Situation der in Russland tätigen Nichteregierungsorganisationen (NGOs) gab Dr. Michail Fedotow, der dafür aus Russland angereist war. Fedotow ist Vorsitzender des „Rates für die Entwicklung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten“ bei Präsident Medwedew und findet in dieser Funktion immer mehr Gehör in Russland. Zuletzt wurde er vom Präsidenten damit beauftragt, den Ablauf der Gerichtsverfahren gegen Michail Chodorkowski und Alexander Lebedew zu untersuchen.

Bei der Entwicklung von NGOs ist Russland in fast allen Bereichen deutlich im Hintertreffen. Während in Deutschland immerhin 3,7 Prozent der Beschäftigten für eine NGO arbeiten, sind es in Russland nur 0,78 Prozent. Weitere 3 Prozent der Menschen arbeiten in Deutschland ehrenamtlich für eine NGO, in Russland sind es 0,44 Prozent. „Es gibt also in Russland noch Potential für sehr starkes Wachstum in diesem Bereich“, so Fedotow. Die Stimulierung müsse vor allem durch eine NGO-freundlichere Gesetzgebung erfolgen, gerade im Bereich der Steuerabgaben.

Vor allem im Erbe des 70-jährigen Totalitarismus in Russland sieht Fedotow die schwache Entwicklung der Zivilgesellschaft begründet. „Die sowjetische Mentalität wird auch heute noch reproduziert, das ist gefährlich“, sagte er. Menschenrechte wie Reise-, Rede- oder Versammlungsfreiheit werden teilweise von weniger als zehn Prozent der Menschen in Russland für wichtig gehalten. Dennoch gebe es kleine, aber bedeutsame Veränderungen. Dazu zählt er bürgerschaftliche Initiativen wie „Strategie 31“, die an die Bedeutung von Demonstrations- und Versammlungsfreiheit erinnert, oder die „Gemeinschaft der blauen Eimerchen“, die gegen die gemeingefährliche Fahrweise von Regierungswagen im Moskauer Straßenverkehr protestiert.

In der Diskussion mit dem Publikum verwies Fedotow auf drei zentrale Punkte, mit denen die russische Zivilgesellschaft gestärkt werden kann: Ein ehrlicher Umgang mit der eigenen Geschichte, eine vielfältigere Medienlandschaft und die „Entstalinisierung des kollektiven Bewusstseins“. Dies will Fedotow unter anderem mit einem Programm für nationale Aussöhnung und Denkmälern für die Opfer des Stalinismus erreichen. Für die Entwicklung der russischen Zivilgesellschaft sei letztlich aber vor allem eine Eigenschaft unverzichtbar, so Fedotow abschließend: Mut.

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Dr. Lars Hänsel

Dr

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