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Veranstaltungsberichte

Nachhaltige Verkehrsplanung zwischen Politik und Zivilgesellschaft

von Jasper Eitze

Veranstaltungsbericht zum KAS-Rundtisch im Rahmen der ecogerma 2010

Unter diesem Titel fand am 23. Juni in São Paulo ein von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierter Rundtisch im Rahmen der "ecogerma 2010" statt, ein von der AHK São Paulo mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) organisierter zweitägiger Kongress. In dessen Mittelpunkt stand der Austausch zwischen Brasilien und Deutschland über Chancen für nachhaltiges Wachstum in urbanen Zentren durch technologische, politische und unternehmerische Lösungen. Aus Deutschland war u.a. auch Rainer Bomba, Staatssekretär im BMVBS, nach São Paulo gereist.

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Mit dem Ziel, den Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft als wichtiges Element einer nachhaltigen Verkehrsplanung zu fördern und Chancen erfolgreicher Kooperationen in diesem Bereich zu diskutieren, nahmen an dem Rundtisch der Konrad-Adenauer-Stiftung als deutsche Gesprächsteilnehmer teil: der CDU-Bundestagsabgeordnete Volkmar Vogel in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Bundestag und Thomas J. Mager, Vorstandsmitglied und Verkehrsexperte der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung. Von brasilianischer Seite wurde die Runde ergänzt durch die ehemalige Abgeordnete und dieses Jahr erneut bei den Kongresswahlen antretende Zulaiê Cobra sowie durch den Koordinator der Arbeitsgruppen Urbane Mobilität und Umwelt der "Bewegung Unser São Paulo", Cícero Yagi.

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Thomas J. Mager (SRL), Volkmar Vogel MdB, Zulaiê Cobra (DEM)

Einleitend betonte Zulaiê Cobra die besondere Bedeutung des Parlaments als Repräsentant des Volkes im Kommunikationsprozess zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Gesellschaftliche Interessen würden durch das Parlament kanalisiert und böten somit ein Gegengewicht zur Regierung. Die Frage der Verkehrsplanung sei für die weitere Entwicklung Brasiliens in den kommenden Jahrzehnten von zentraler Bedeutung. Derzeit fehle es jedoch sowohl an ausreichender und transparenter Planung als auch an qualifiziertem Personal in diesem Bereich, gerade auch im brasilianischen Kongress.

Trotz dieser eher pessimistischen Einschätzung seiner Vorrednerin, empfand Volkmar Vogel die Lage in São Paulo nicht als chaotisch. Die Verkehrsinfrastruktur wirke durchaus geordnet und die Vitalität und Mobilität der Bewohner sei überall zu spüren. Er glaube an eine positive Zukunft für das Land und habe den Eindruck, dass Brasilien von Europa lernen wolle, jedoch ohne dabei die Fehler der „Alten Welt“ zu wiederholen. Um dies zu verhindern, bedürfe es einer ganzheitlichen Verkehrsplanung. Verschiedene Aspekte, wie wirtschaftliche und ökologische, müssten ebenso in die Planung miteinbezogen werden wie die unterschiedlichen Interessengruppen in der Gesellschaft. In Deutschland würde dieser Prozess durch das Planungsgesetz formell geregelt. Wichtig sei hierbei, so Vogel, dass die Einbindung der Zivilgesellschaft rechtzeitig und in Form eines Dialogs auf Augenhöhe geschehe, denn die Zivilgesellschaft verfüge über Wissen und bringe Aspekte in die Planung ein, welche dem Staat so nicht zur Verfügung stünden. Der Staat bzw. die Politik alleine seien mit der Lösung der Probleme überfordert.

Cícero Yagi von der „Bewegung Unser São Paulo" griff diesen Aspekt auf, indem er die zentrale Aufgabe seines Netzwerkes damit beschrieb, den Bürgern Informationen zur Verfügung zu stellen, auf deren Grundlage sie sich in die Entscheidungsprozesse einbringen können. Gleichzeitig wolle man die Menschen dabei unterstützten, sich zu organisieren. Denn das Informationsdefizit der Bevölkerung gehe einher mit dem Fehlen einer mittel- oder gar langfristigen Planung seitens der Regierung. Es sei daher wichtig, seitens der Zivilgesellschaft auf einen Mobilitätsplan hinzuarbeiten, der unabhängig von Regierungswechseln weiterbesteht.

Ganz in diesem Sinne bekräftigte auch Thomas Mager, dass am Anfang jeder Planung die Frage stehen müsse: „Wo wollen wir gemeinsam hin?“ Die Planungskultur, die sich zu diesem Zwecke in Deutschland herausgebildet hat, sei das Ergebnis von Erfahrungen vieler Jahre, die bis in die Zeit der beginnenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert zurückreichen würden. Dies habe den Planungsprozess auf der einen Seite zwar sehr ausdifferenziert und kompliziert gemacht, auf der anderen Seite sei dadurch aber auch ein hoher Beteiligungsgrad seitens der Bevölkerung garantiert. Entscheidend sei, dass bei der Verkehrsplanung der Mensch im Mittelpunkt steht und dass Ökonomie und Ökologie als zwei Seiten derselben Medaille verstanden werden. Ein Beispiel für solch eine integrale Planung sei der Öffentliche Verkehr, der rein betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen sei, sondern erst, wenn Aspekte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Lebensqualität mitberücksichtigt würden. Mager betonte auch, dass der Dialog zur Planung zwischen Politik und Bürgern in der Sprache der betroffenen Menschen zu führen sei. Die durch technische Begrifflichkeiten verkomplizierte Sprache der Verkehrsplaner müsse entmythisiert werden, sonst würden sich die Leute verdrossen abwenden.

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Volkmar Vogel mit Teilnehmerin aus dem Publikum

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Thomas J. Mager neben Cícero Yagi

In der anschließenden Debatte mit dem Publikum wurde immer wieder der Aspekt der „Planungskultur“ aufgegriffen, der in Brasilien noch unzureichend verankert sei. Politik und staatliche Instanzen sähen sich nicht in der Pflicht, für die Bürger ein Informationsangebot zur Verfügung zu stellen und die Gesellschaft ihrerseits fordere dies nicht genug ein. Die Folge sei eine schlechte oder sogar fehlende Kommunikation zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Der Dialog müsse in den meisten Fällen erst noch erlernt und die Gewohnheit vertikaler Planung von oben nach unten aus den Zeiten noch nicht weit zurückliegender autoritärer Herrschaft in Brasilien überwunden werden.

Dass Brasilien trotz allem in der Verkehrsplanung mit großen Schritten voranschreitet, davon konnten sich Volkmar Vogel und Thomas Mager im Vorfeld des Rundtisches im Rahmen eines Besuchs im Kontrollzentrum der U-Bahn von São Paulo überzeugen: Bis zur WM 2014 sollen gleich mehrere U-Bahnlinien neu eröffnet werden. Die Arbeiten hierfür sind zum Teil bereits im vollen Gange.

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Besichtigung des Kontrollzentrums der Metro von São Paulo: Rainer Bomba (Staatssekretär BMVBS), Thomas Schmitt (Generalkonsulat São Paulo), Volkmar Vogel MdB, Thomas J. Mager (SRL)

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