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PEGIDA ausbuchstabieren: Des Abendlandes?

Zusammenfassung des dritten Abends der Themenreihe

Seit mehreren Monaten demonstrieren jeden Montag in Dresden und anderen deutschen Städten Menschen unter dem Namen PEGIDA. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sprechen sich u.a. für eine strengere Auslegung des Asylrechts aus und fordern eine „Pflicht zur Integration“ für Menschen ausländischer Herkunft. Eine sachliche Diskussion zwischen PEGIDA-Befürwortern und -Gegnern blieb bislang oft auf der Strecke.

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Das Bildungsforum Sachsen der Konrad-Adenauer-Stiftung lud daher am 13., 14. und 15. Januar 2015 die interessierte Öffentlichkeit in die Dreikönigskirche Dresden ein, die aufgeworfenen Themen zu diskutieren.

Unter dem Titel „PEGIDA ausbuchstabieren“ analysierten die Referenten und das Publikum die Hintergründe der Schlagworte, hinter die sich die Demonstranten stellen: PE – Patriotische Europäer? GI – Gegen Islamisierung? DA – Des Abendlandes?

Der dritte Abend der Reihe am 15. Januar 2015 im Festsaal der Dreikönigskirche Dresden lockte etwa 400 Menschen.

Karlheinz Ruhstorfer, Professor für katholische Systematische Theologie an der TU Dresden, wunderte sich, dass die PEGIDA-Demonstrationen das christliche Abendland retten möchten, obwohl in Dresden selbst etwa 75% der Menschen keiner Kirche angehören.

Wenn aber das Abendland vor empfundenen Gefahr bewahrt werden solle, müsse man sich zuerst darüber klar sein, was man unter Abendland verstehe – und worin die Bedrohung bestehe.

Was heißt Abendland?

Die kulturellen Wurzeln des Abendlandes ließen sich nicht nur auf den heute mit dem Abendland gleichgesetzten „Westen“ reduzieren. Griechische Philosophie, aber auch die kulturelle Tradition Ägyptens hätten die abendländische Kultur entscheidend beeinflusst. Neben dem „Abendland“ als einem in der deutschen Romantik geprägten Begriff würden synonym auch „Okzident“ oder „der Westen“ verwendet.

Aus einer religiösen Perspektive stellt Ruhstorfer heraus, dass sich die großen Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam teils auf die selben religiösen Quellen und Gründungsfiguren berufen. So stammte Abraham (im Islam: Ibrahim) aus dem Gebiet des heutigen Irak.

„So kann es auch sein, dass ein gläubiger Muslim und ein gläubiger Christ mehr miteinander gemeinsam haben, als ein Christ und ein Atheist“, betont Ruhstorfer. Noch der Sozialphilosoph John Locke habe bemängelt, dass Atheisten ohne einen Gottesbezug nicht in der Lage wären, einen verbindlichen Eid abzulegen.

Bei allen historischen Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen entscheide aber die Auslegung der Schriften über die Wertvorstellungen der jeweiligen Kulturkreise. Dadurch ließen sich auch zwischen den westlichen Kirchen und den orthodoxen Kirchen große Unterschiede erkennen.

Worin liegen aber die Prinzipien westlicher Kultur? Karlheinz Ruhstorfer zieht eine enge Verbindung zum christlichen Menschenbild:

  • Als einzige Religion hebe das Christentum die Grenze zwischen Gott und Mensch auf, indem Gott in Jesus zum Menschen wurde und damit auch „den Menschen zu Gott werden“ lasse.
  • Die Armen und Benachteiligten einer Gesellschaft werden als erste Heilsempfänger in der christlichen Botschaft genannt.
  • Religion und Staat werden im Christentum als getrennt verstanden.
Diese christlichen Grundprinzipien sorgten dafür, dass von Europa und später von den USA aus die Menschenrechte und eine demokratische Grundordnung verbreitet wurden.

Allerdings, schränkt Ruhstorfer ein, bedeute das nicht, dass die Kirchen selbst diese Errungenschaften stets vorangetrieben hätten. Bis in das mittlere 20. Jahrhundert hinein hätten die deutschen Kirchen Widerstand gegen die Pressefreiheit und Demokratie geleistet. „Vor 100 Jahren konnten Sie nicht gleichzeitig Katholik und Demokrat sein“, so Ruhstorfer. Erst die Katastrophen der beiden Weltkriege machten eine vollständige Öffnung der deutschen Gesellschaft hin zu westlichen Werten möglich.

Wenn im deutschen Grundgesetz von der „Verantwortung vor Gott“ die Rede ist, schließe das andere Religionen nicht zwangsläufig aus. „Wir müssen Muslimen zubilligen, dass damit auch ihr Gott gemeint ist“, fordert Ruhstorfer. Insbesondere Christen müssten wissen, wie schmerzhaft religiöse Reformprozesse seien, und sollten deshalb die Muslime bei der Anpassung ihrer Religion an westliche Werte unterstützen.

Ist das Abendland bedroht?

Um die Werte des „Abendlandes“ zu verteidigen, müssten sich alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligen. „Demokratie muss stets errungen werden“, mahnt Ruhstorfer.

Dementsprechend sieht Ruhstorfer auch nicht im Islam oder dem Islamismus per se eine Bedrohung. Die größte Gefahr sei hingegen, wenn Menschen nicht mehr an das politische System und dessen Werte glaubten.

Ruhstorfer fordert weiterhin, „religiöse Ressourcen nicht vertrocknen zu lassen“. Selbst die Säkularisierung sei auf christlichem Boden gewachsen. Für eine Gesellschaft sei es wichtig, aufgeklärte Religion nicht absterben zu lassen, weil ohne sie wichtige Sinn- und Moralquellen fehlten.

Die anschließende Diskussion wurde lebhaft geführt. Den detaillierten Diskussionsverlauf können Sie im Audio-Mitschnitt nachhören.

Der angestoßene Diskussionsprozess soll fortgesetzt werden. Sie können das Bildungsforum Sachsen der Konrad-Adenauer-Stiftung gern kontaktieren, um Themen vorzuschlagen, die Ihnen in diesem Zusammenhang wichtig sind. Vielen Dank.

Autor: Friedemann Brause

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Dr. Joachim Klose

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Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

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