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Veranstaltungsberichte

PEGIDA ausbuchstabieren: Gegen Islamisierung?

Zusammenfassung des zweiten Abends der Themenreihe

Seit mehreren Monaten demonstrieren jeden Montag in Dresden und anderen deutschen Städten Menschen unter dem Namen PEGIDA. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sprechen sich u.a. für eine strengere Auslegung des Asylrechts aus und fordern eine „Pflicht zur Integration“ für Menschen ausländischer Herkunft. Eine sachliche Diskussion zwischen PEGIDA-Befürwortern und -Gegnern blieb bislang oft auf der Strecke.

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Das Bildungsforum Sachsen der Konrad-Adenauer-Stiftung lädt daher am 13., 14. und 15. Januar 2015 die interessierte Öffentlichkeit in die Dreikönigskirche Dresden ein, die aufgeworfenen Themen zu diskutieren. Unter dem Titel „PEGIDA ausbuchstabieren“ analysieren die Referenten und das Publikum die Hintergründe der Schlagworte, hinter die sich die Demonstranten stellen: PE – Patriotische Europäer? GI – Gegen Islamisierung? DA – Des Abendlandes?

Auch am zweiten Abend der Reihe am 14. Januar 2015 im Festsaal der Dreikönigskirche Dresden beteiligten sich wieder mehr als 450 Menschen.

Joachim Klose, Leiter des Bildungsforums Sachsen, bedankte sich für das große Interesse. Zugleich mahnte er an: Wenn an diesem Abend über „Islamisierung“ diskutiert würde, erfordere das ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. „Wir sollten auch das Leiden der Anderen, der Muslime in Deutschland, sehen.“ Wer Islamismus bekämpfen wolle, müsse mit der gleichen Kraft auch gegen Links- und Rechtsextremismus vorgehen.

Islamismus in Sachsen

Auch Gordian Meyer-Plath, Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, trifft eine klare Unterscheidung: „Wenn mich jemand morgen wecken würde mit der Nachricht, alle Menschen in Deutschland sind über Nacht zu Muslimen geworden, wäre das für mich als professionellen Verfassungsschützer kein Problem.“ Schließlich sei die freie Religionsausübung grundgesetzlich gesichert. „Was mich aber aufregt, ist der Islamismus, der politische Freiheiten abschaffen will.“

Für den Verfassungsschutz ist der Islamismus neben dem Rechts- und Linksextremismus die größte Bedrohungen der demokratischen Grundordnung. Ziel des Islamismus sei die Errichtung eines Gottesstaates. Zum extremistischen Phänomen habe sich der Islamismus seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und speziell seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs entwickelt.

Etwa 1% der in Deutschland lebenden Muslime seien islamistischen Strömungen zuzurechnen, in Sachsen betrage die Zahl der Islamisten etwa 190. Von der Zahl der beobachteten Linksextremisten (750) und Rechtsextremisten (2300) werde der Islamismus in Sachsen weit übertroffen. Seit 2008 habe sich aber die Zahl der Islamisten in Sachsen mehr als verdoppelt.

Die Gruppe der Islamisten sei, so Meyer-Plath, äußerst heterogen und umfasse auch Konvertiten ohne Migrationshintergrund. Das Hauptaugenmerk richte der Verfassungsschutz auf den politischen und gewaltbereiten Salafismus. Der Salafismus orientiere sich am Kontext zur Zeit der Entstehung des Islam im 7. und 8. Jahrhundert und lehne Demokratie als unislamisch ab.

Einerseits durch Mission und Propaganda, andererseits durch Aufrufe zur direkten bewaffneten Beteiligung im Kampf für die eigene Ideologie versuche der Salafismus, neue Mitglieder zu gewinnen. Das stärkste Mittel des Verfassungsschutzes, um Organisationseinheiten und Geldflüsse zu durchbrechen, seien Vereinsverbote.

Die Radikalisierung von Menschen hin zum Islamismus werde gefördert durch eine Entfremdung zur vorherrschenden Kultur in Deutschland, aber auch der Suche nach Orientierung und Zugehörigkeit.

Gordian Meyer-Plath illustriert mit einem originalen Rekrutierungsvideo einer islamistischen Organisation, dass der Kampf in Bürgerkriegsregionen vor allem dazu dienen solle, seine religiöse Pflicht zu erfüllen. Entsprechend sei das Feindbild der meisten Islamisten auch nicht nur „der Westen“, sondern auch (in den Augen der Extremisten) vom Glauben abgefallene Muslime.

Die Zahl der „Jihad-Ausreisen“ von Sachsen nach Syrien und in den Irak habe sich seit Juli 2013 etwa versechsfacht. Die rückkehrenden Kämpfer aus den Bürgerkriegen bedeuteten, so Meyer-Plath, auch für die sächsische demokratische Grundordnung eine Gefahr und müssten intensiv beobachtet werden.

Meyer-Plath wünscht sich von muslimischen Verbänden und Autoritäten ein stärkere Engagement im Kampf gegen die Radikalisierung: Genauso wie Fußballvereine eine Verantwortung hätten, gewaltbereiten Hooligans unter ihren Fans entgegenzutreten, müssten auch islamische Gemeinden und Verbände radikalisierte Mitglieder isolieren und nötigenfalls bei staatlichen Behörden anzeigen.

Islamismus und Islam

Daniel Roters, islamischer Theologe an der Universität Münster und selbst gläubiger Moslem, unterstützt die Forderung nach solchen Deradikalisierungs-Programmen. Er wünscht sich für die deutsche Gesellschaft aber auch, dass sie Muslime als selbstverständlichen Bestandteil wahrnehme.

Während sich in Frankreich nach den Anschlägen von Paris sämtliche Bevölkerungsschichten solidarisierten, instrumentalisierten hierzulande Gruppierungen wie PEGIDA die Proteste für die eigene politische Agenda.

Muslime, so Roters, seien seit Jahrhunderten ein Teil Europas. So gäbe es seit mehr als 400 Jahren in Bosnien eine muslimische Mehrheit. Die erste offizielle islamische Gemeindegründung in Deutschland habe es bereits im 18. Jahrhundert gegeben.

Für Roters ist die angestrebte Einrichtung von islamischen Lehrstühlen oder islamischem Religionsunterricht daher kein Zugeständnis an die Muslime, sondern lediglich eine notwendige Reform der Religionspolitik, die die freie Religionsausübung ernst nehme.

Erst wenn die islamische Religion auch im Alltag sichtbar werde, könne die „Blindheit gegenüber Religion“ überwunden werden. Anderenfalls speiste sich die Wahrnehmung des Islams nur aus Fernsehbildern: „Muslime erscheinen als Wesen von anderen Planeten, wenn nicht objektiv erzählt wird“, beobachtet Roters.

Roters bedauert, dass Muslime häufig im Kontext islamistischer Anschläge wahrgenommen würden. Fordere man Muslime zu einer deutlichen Distanzierung von islamistischem Terror auf, rücke man sie ungewollt in dessen Nähe.

Die Proteste der PEGIDA verurteilte Roters scharf. Die „Floskel vom christlichen Abendland“ verleugne den jahrhundertelangen Wissensaustausch östlicher und westlicher Kulturkreise. PEGIDA stelle den Islam dar, als ob es einen internen religiösen Denkprozess nie gegeben hätte. „Kant und Koran zu lesen, ist heute kein Widerspruch mehr.“

In der anschließenden Diskussion äußerten sich mehrere Teilnehmende kritisch gegenüber der Vereinbarkeit des Islams mit demokratischen Grundwerten und wünschten sich eine von innen geführte Reform des Islam.

Angemerkt wurde auch, dass sich die PEGIDA-Demonstrationen gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ richteten, aber nach neuesten Erkenntnissen nur etwa 25% der PEGIDA-Teilnehmer die befürchtete Islamisierung als Hauptgrund für ihr Engagement angaben.

Den detaillierten Diskussionsverlauf können Sie im Audio-Mitschnitt nachhören.

Die Reihe wird fortgesetzt am 15. Januar 2015, 17.30 Uhr, Festsaal der Dreikönigskirche Dresden, Hauptstraße 23, 01097 Dresden.

Autor: Friedemann Brause

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Kontakt

Dr. Joachim Klose

Dr. Joachim Klose

Landesbeauftragter für die Bundeshauptstadt Berlin, Leiter des Politischen Bildungsforums Berlin und Leiter Grundlagenforum

joachim.klose@kas.de 030/26996-3253 030/26996-53253

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