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Philanthropie und Entwicklung

Essays zur Beitragssteigerung der NGOs in Bolivien

Die Untersuchung bestehe weder aus Fallstudien zu NGOs, noch gehe es um ihre Arbeit. Stattdessen würden die Essays auf einem breiten Ansatz basierend die Rolle der NGOs in der Gesellschaft reflektieren. Sie beabsichtigen dadurch, einen Beitrag zu einem besseren Verständnis der Rolle und zur Debatte darüber zu leisten, wie der bisherige Beitrag der NGOs gesteiert werden könne. Die Initiative ermögliche die Entwicklung einer demokratischen Schirmherrschaft in der Reichweite aller Steuerzahler und eines Systems der partizipativen Wohltätigkeit.

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In den Räumlichkeiten des Restaurants Vienna in La Paz präsentierten am Dienstag, den 14. Februar 2012 die Stiftung Milenio und die Konrad Adenauer Stiftung (KAS) das Buch „Philanthropie und Entwicklung“, das von Roberto Laserna, dem Präsidenten der Stiftung Milenio erarbeitet und editiert wurde. Das Buch zählt mit Beiträgen und freundlicher Unterstützung von Daniel Freiherr von Freyberg, Miguel Fabri, Franklin Pereira, Henry Oporto, und José Baldivia.

In seinen Einleitungsworten betonte der Koordinator der KAS in Bolivien, Iván Velásquez Castellanos, die grundlegende Idee der Untersuchung sei nicht spezifische Fallstudien über NGOs in Bolivien oder über deren Arbeit zu erstellen, sondern von einem breiten Ansatz ausgehend die Rolle der NGOs in der Gesellschaft aufzuzeigen, und so wie zuvor besagt, einen Beitrag zu einem besseren Verständnis dieser Rolle und zur Debatte darüber zu leisten, wie der bisherige Beitrag der NGOs gesteiert werden könne.

Anschliessend präsentierte Franklin Pereira die steuerrechtlichen Aspekte, die bei Spenden an wohltätige Aktivitäten und solche sozialer, unternehmerischer Verantwortlichkeit beachtet werden müssen. Zudem stellte er die rechtlichen Aspekte von Stiftungen vor, die wohltätige Aufgaben ausführen.

Daraufhin sprach Henry Oporto Asesor der Vereinigung privater Unternehmer in Bolivien und Autor der Untersuchung „Soziale Verantwortung: das neue Gesicht der Philanthropie“. Er erklärte die Rolle des Privatsektors hinsichtlich Themen sozialer, unternehmerischer Verantwortung und hob hervor, dass es -auch wenn diese Konzepte in Bolivien unbekannt seien- Unternehmen gebe, die interessante Programme sozialer, unternehmerischer Verantwortung durchführen. Er betonte, dass es über die Kooperation der NGOs hinaus wichtig sei, eine koordinierte interinstitutionale Arbeitsstrategie zu entwickeln.

Im Anschluss erklärte Cintia Villegas, Vorsitzende von SOBOCE und der Untersuchung, die Erfolge und Misserfolge, die ihr Unternehmen bei der Einführung eines Programs sozialer, unternehmerischer Verantwortung erfuhr. Sie schilderte die bisherigen Erfolge und den Werdegang seit 1993.

Anschließend deutete der Editor der Publikation, Roberto Laserna darauf hin, dass die finanzielle Unterstützung durch Prinzen und Millionäre fundamental für die Entstehung der Philanthropie gewesen sei. Er erwähnte, dass in der Vergangenheit eine direkte Übergabe üblich gewesen sei, wie es die Fälle von Leonardo da Vinci und der Mehrheit der großen Künstler zeigen. Seit Ende des XIX Jahrhunderts seien Stiftungen und ähnliche Körperschaften entstanden, um die Spenden für Werke, Initiativen oder Anträge zu kanalisieren, die die Besitzer von Reichtümern für bedeutend für ihre Gesellschaften hielten. Diese Geschichte, so Herr Laserna, erlaube die Schlussfolgerung, dass die gemeinnützige Finanzierung schon immer fundamental für den Antrieb der Entwicklung von Künsten, der Kultur, der Kreativität und der technischen Innovation gewesen sei. Deshalb habe sich in dem Maße, in dem die Gesellschaften und Staaten erstarkten, die Philanthropie erweitert. Sie sei nicht mehr nur Privileg von Millionären, sondern in Reichweite eines jeden Bürgers gelangt.

Herr Laserna erklärte, dass es in Bolivien reichlich Beispiele für Wohltätigkeit gebe, deren Entwicklung jedoch erst am Anfang stünde und marginal sei. Die Familie von Simón Patiño habe eine Stiftung gegründet, die eine Großzahl Professioneller auf höchstem Niveau ausgebildet habe, ein Forschungszentrum für Zytogenetik mit der größten Bank an Genmaterial von Mais, sowie eines der fortgeschrittensten pediatrischen Zentren unterhalte, und Bildungs- und kulturelle Aktivitäten fördere. Dieser Anstoß sei nicht auf gleichem Niveau erwiedert worden, teilweise weil sich in Bolivien keine großen Reichtümer angesammelt hätten. Einige Stiftungen hätten nur über einen kurzen Zeitraum bestanden, wenn auch fruchtbringend: Sie erhielten kein solides Erbe, das ihren Bestand ermöglichte, sondern Spenden, die sie mit der Zeit ablehnten. Dennoch gebe es viele Institutionen und Organisationen, die ohne profitbringende Ziele arbeiten und eine außergewöhnliche soziale und wirtschaftliche Wirkung vorweisen.

Die Kirchen beispielsweise hätten viele wohltätige Initiativen unterstützt, die Bildungsaktiviäten durchführen. Ein Beispiel sei das System des Glaubens und der Freude, das mehr als 400 Schulen umfasse. Andere seien die Heime für Alte und Weisenkinder, und die Gesundheitsdienste für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln. Viele Privatuniversitäten seien gemeinnützige Körperschaften, die ihre Überschüsse wieder investieren, um ihren Wachstum und die Verbesserung der Qualität zu garantieren.

Viele Projekte der ländlichen Entwicklung, die verbessertes Saatgut, bessere Wassernutzung, und die Anpassung und den Wiederaufbau von Technologien eingeführt haben, seien von NGOs angetrieben worden. Nichtsdestotrotz bestünde die beste Unterstützung der Entwicklung in Bolivien durch gemeinnützige Körperschaften in Mikrokrediten, wie es José Baldivia zeige. Es möge paradox erscheinen, dass eine gemeinnützige Anstrengung dazu fähig gewesen sei, einen solch dynamischen Sektor aufzubauen, der aber in Wirklichkeit kein solcher sei, wenn man bedenke, dass die Reinvestition zu der gemeinnützige Körperschaften verpflichtet sind ihnen erlaubt habe, die finanziellen Mittel zur Unterstützung von kleinen Unternehmen zu steigern. Die Mikrokredite hätten die kleinen Unternehmen von wucherischen Krediten befreit, an die sie gebunden waren und die ihnen auferlegt hätten, ihren Handel zu expandieren, indem ihnen ein Betrag von US$ 3.000 Millionen zur Verfügung gestellt wurde, der zuvor nicht bestanden habe.

Als Konsequenz der Expansion sei die Effizienz des Sektors gestiegen und die Zinsrate sei verringert worden, was zur erneuten Verbesserung der Kreditkonditionen geführt habe. Das wichtigste sei, dass, wenn auch zu Beginn externe Spenden erhalten wurden, sich bereits die Selbstfinanzierung eingestellt habe, und es sich sicherlich um den Sektor mit der geringsten Abhängigkeit von ausländischen Wohltätigkeiten handele. Dies sei bedeutend, da bei Betrachtung der Welt der NGOs und der Wohltätigkeit in Bolivien sofort die Abhängigkeit von ausländischen Spenden auffalle.

In der von Daniel von Freyberg durchgeführten Studie zeige sich, dass mit Ausnahme der Mikrokreditgeber und der konfessionellen Körperschaften, 66 Prozent der Geldmittel der NGOs der internationalen Kooperation entstammen. Die Schuld daran hätten nicht die NGOs. Trotz ihres ausreichenden Verdienstes gewinnen sie Spenden für sich und kanalisieren diese nach Bolivien. Auffällig sei, dass nur 4 Prozent private Spenden seien, was zeige, dass die bolivianische Philanthropie alarmierend schwach ist. Dies sei zum Teil auf den begrenzten Besitz von persönlichem und familiärem Vermögen im Land zurückzuführen, was ohne Zweifel die reduzierte Skala der nationalen Märkte, aber auch die Abwesenheit von einfachen Mechanismen, die die Bürger ermutigen – seien sie Millionäre oder nicht -, sich für die Förderung der Künste, der Kultur und der Wissenschaften oder für den Schutz der Schwachen einzusetzen, zurückzuführen sei. Weder die Regierungsformen, die die private Investition betonten, noch die, die die Selbstregierung der Gesellschaft unterstützen, wie die Aktuelle, hätten Fortschritte hinsichtlich der Gestaltung von konkreten Politiken gemacht, die das Engagement der Bürger hinsichtlich der Finanzierung von gemeinnützigen Aktivitäten stärken und ausbauen.

Laut Herrn Laserna beinhalte die Publikation „Philanthropie und Entwicklung“ einen Vorschlag zur Debatte der Gestaltung von Politiken, die zur partizipativen Schirrmherrschaft oder zur demokratische Wohltätigkeit anrege. Diese bestehe in der Einführung einer leichten Abänderung der Regelung des Steuergesetzes (Ley Tributaria 843) und würde erlauben, dass alle Zahler der Gewinnsteuer einen kleinen Anteil derselben einer Aktivität oder einer gemeinnützigen Organisation zukommen lassen könnten.

Wie es die Autoren Frabbri und Pereyra zeigen, erlaube das Steuergesetz 843 den Steuerzahlern einen Teil ihrer Einkünfte für die Finanzierung von kulturellen, wissenschaftlichen oder wohltätigen Aktivitäten zu verwenden, indem sie diese auf die Ausgabenseite stellen, als wären sie Funktionskosten. Dies reduziere den Gewinn in der Bilanz und als Konsequenz auch die darauf zu zahlenden Steuern. Ziehe man die im Gesetz festgeschriebenen Grenzen in Betracht, so bedeute dies, dass der Staat bis zu 10 Prozent der Gewinnsteuer hingeben müsse, wenn diese Mittel gemeinnützigen Aktivitäten zugewiesen werden, die sich von gewöhnlichen Aktivitäten des Steuerzahlers unterscheiden. Dieses „Opfer“ käme 2 Prozent weniger Steuereinnahmen gleich, wodurch die Auswirkung minimal wäre.

Dennoch gebe es wenige Firmen, die von diesem Recht Gebrauch machen. Einigen schiene es zu kompliziert, anderen zu kostspielig zu sein. Viele Unternehmen hätten einen unsicheren Betrieb und kennen ihren Gewinn nur zum Zeitpunkt der Schlussbilanz, wenn der Betrieb bereits abgelaufen und es nicht mehr möglich sei zu spenden. Andere hielten die Kosten für exzessiv, da sie in der Praxis dreimal so viel spenden müssten, wie der Staat. Zudem gebe es Verwaltungsprobleme, da die Zuständigen für Buchhaltung und Steuerverwaltung der Unternehmen nicht immer Kenntnisse darüber besitzen, wie Spenden urkundlich abgestützt werden. Auch die möglichen Spendenempfänger verfügen nicht über dieses Wissen.

Deshalb würden nur wenige große Unternehmen diesen rechtlichen Mechanismus anwenden und das Land verliere das enorme Potenzial, das durch die Idee der sozialwirtschaftlichen Verantwortung (RSE) mobilisiert werden solle, beschreibt es Henry Oporto. Demgegenüber drücke der Staat im Gesetz 843 seinen Willen aus, auf bis zu 10 Prozent der Gewinnsteuer zu verzichten und einen einfacheren und schlichteren Mechanismus zu entwerfen, damit alle Steuerzahler, ob Unternehmen oder Privatpersonen, im Namen des Staats einen Teil zur Unterstützung kultureller, wohltätiger oder Bildungsaktivitäten spenden können. Dieser Vorschlag befreie den Steuerzahler nicht von seinen Zahlungen, aber erlaube ihm eine horizontale und direkte Beziehung zu dem Spendenempfänger aufzubauen, was beide zu einer effizienten Ausführung der gemeinnützigen Aktivität verpflichte. Diese Initiative ermögliche die Entwicklung einer demokratischen Schirmherrschaft in der Reichweite aller Steuerzahler, sowie eine partizipative Wohltätigkeit. Der Staat, losgelößt von seiner Rolle als Vermittler, könne sich mit der Absicht der Vermeidung einer betrügerischer Verwendung des Mechanismus, und hinsichtlich der Evaluierung der Eigenaktivitäten der Gesellschaft mit der Absicht der Gestaltung von angemesseneren Politiken mit den zugewiesenen Mitteln, auf die Überwachung und Kontrolle konzentrieren.

Dieser Vorschlag erlaube den gemeinnützigen Organisationen pro Jahr bis zu US$ 60 Millionen zur Verfügung zu stellen, die in auf konkurrenzfähige und demokratische Weise zugeteilt würden. Die Steuerzahler hätten dabei direkten Einfluss auf die Entscheidung über die Art der Aktivitäten, die finanziert würden, und auf die Überwachung derselben. So erreiche das Universum der Wohltätigkeit mehr als 200.000 Zahler der Gewinnsteuer. Als direkte Betroffene wären sie zugleich die Aufsicht über die Mittel, was ohne Zweifel die Effizienz des Einsatzes erhöhe. Durch mehr eingesetzte Mittel und mehr Effizienz würde eine unmittelbare Stärkung kultureller, künstlerischer und wissenschaftlicher Aktivitäten im Land sichtbar.

Die steuerliche Auswirkung wäre letztenendes deutlich niedriger als die scheinbare Aufbringung zu Beginn, da durch die Höhe des Multiplikators privater Ausgaben das Steueraufkommen der folgenden Periode stiege. Wenn zum Beispiel 10 Prozent der Gewinnsteuer der Unternehmen Spenden wären, bedeute dies eine Kapitalspritze von ungefähr US$ 60 Millionen für die Wirtschaft. Bei einem Multiplikatoreneffekt von 2.03 würden diese sich in US$ 120 Millionen im Folgejahr transformieren und US$ 15 Millionen Steuern generieren. Damit würden sich die realen Kosten um ein Viertel reduzieren, was dieses „Opfer“ sehr effizient für die nationale Entwicklung machen würde, da es einen bedeutenden Impuls für die Kultur, die Wissenschaft und die soziale Solidarität bei niedrigen Kosten darstelle.

Auch die Demokratie würde gestärkt, da sich die horizontalen Bindungen zwischen den Bolivianern vermehren und so mehr sozialer Zusammenhalt entstehe. Das Vertrauen in den Staat stiege, da eine Beteiligung des Steuerzahlers an der Entscheidungsfindung über den Einsatz seiner Steuern gewährt wäre. Dies erzeuge eine höhere Zufriedenheit des Steuerzahlers über seine Beiträge, als wenn diese nur als Kohäsion wahrgenommen würden.

Zum Schluss der Veranstaltung erhielt das Publikum die Möglichkeit den Autoren Fragen zu stellen und ihre Eindrücke zu der Publikation zu schildern.

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