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Veranstaltungsberichte

Sie sind Jude? Kann man davon leben?

Gesprächsrunde über jüdische Identität

Fünfzig Jahre Altersunterschied - ein gemeinsames Thema. Die jüdischen Künstler und Satiriker Georg Kreisler und Oliver Polak sprechen in einer Kooperationsveranstaltung der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Jüdischen Gemeinde Berlin und des Jüdischen Museums im Rahmen der jüdischen Kulturtage über ihr Leben als Jude in Deutschland und Europa. Damals und heute.

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Die Kindergärtnerin lehrt die Gewitterregel. „Vor Eichen sollst du weichen. Und Buchen sollst du suchen.“ Doch das jüdische Kind Oliver Polak möchte nicht unter Buchen, denn seine Großeltern seien in einem Buchenwald umgekommen. „Na gut“, sagt die Kindergärtnerin, „unter den Umständen darfst du bei Gewitter auch unter Eichen stehen.“ Was nach einem pointierten Witz klingt, ist eine Geschichte aus Oliver Polaks Leben im Deutschland der 80-er Jahre. Erlebnisse wie diese beschreibt er in seinen Auftritten als Komödiant.

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Georg Kreisler, Moderatorin Shelly Kupferberg und Oliver Polak (von links)

Auch Georg Kreisler geht mit Humor durch sein Leben. Doch beim Stichwort Kindheit fallen dem 88-jährigen, jüdischen Satiriker, Kabarettisten, Komponisten und Autor andere Geschichten ein. Von sich als Junge, der auf der Straße spielt, fröhlich und unbeschwert wie alle Kinder. Bis sich seine Mutter zu ihm herunterbeugt und ins Ohr flüstert: „Psst, sei nicht so laut, wir sind Juden.“ Später flieht er aus Europa in die USA. Die US-Armee zieht ihn sofort ein. Er wird Aufklärer, verhört zum Ende des Krieges Spitzen-Nazis wie Göring. Wie sich das angefühlt hat? „Ekelhaft. Man konnte diese Leute ja nicht hassen. Sie waren besiegt und so saßen sie auch vor einem. Was sollte man mit denen tun? Ihnen eine runter hauen?“, sagt Kreisler mehr als sechzig Jahre später.

Kreisler kehrt 1955 zurück nach Europa, wird in Deutschland sesshaft. Heimat ist das für ihn nicht. „Heimat wandelt sich so schnell heute. Ich habe kein Gefühl mehr für Heimat. Aber vielleicht könnte es die Sprache sein, das Deutsch. Oder meine Frau.“ Auch Israel war nie eine Alternative für ihn, die Religion kein Grund für ihn dort zu leben.

Polak hingegen setzt seine Heimat für seine Comedy-Auftritte und erste Schmunzler ein. „Ich bin Oliver Polak, Ich bin 33. Komme aus Papenburg. Und bin Jude“, beginnt er seine Show. Während Kreisler sich als wenig religiös beschreibt, hat Polak seine letzten Schuljahre in einem jüdisch-orthodoxem College in England verbracht. Das Leben mit dem Judentum ist ein wichtiger Teil seiner Arbeit. Er erzählt auf der Bühne zum Beispiel von der Frau aus dem Publikum, die ihn nach einer Show ansprach mit den Worten „Herr Polak, Sie sind Jude? Kann man davon leben?“. Er erzählt davon, als er das erste Mal als Kind das Wort Judendeportation gehört hat und unweigerlich an die häufigen Reisen als Kind mit dem kleinen Auto seiner Eltern über Dörfer des Emslandes denken musste. Er erzählt von der Kindergärtnerin und der Gewitterregel. Geschichten des Alltags. Oder?

Kreisler ist skeptisch: „Darf man die Leute so provozieren? Ist es nicht provokant, das deutsche Publikum immer wieder auf ihre Geschichte hinzuweisen?“ Auch Polaks Publikum ist manchmal hin und her gerissen. Manche lachen über seine Geschichten. Manche nicht. Manche werfen ihm sogar vor sich über den Holocaust lustig zu machen. „Dabei mache ich gar keine Witze über den Holocaust, sondern nur darüber wie damit umgegangen wird. Und was mir im Alltag passiert“, sagt Polak.

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