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Veranstaltungsberichte

Suche nach der tschechischen Identität

von Alena Reslová

Versteckte Eliten in der tschechischen Gesellschaft

Am 22. 4. 2015 fand im Zentrum für zeitgenössische Kunst DOX die zweite Debatte aus der Reihe „Suche nach der tschechischen Identität“ statt, die die Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Plattform für europäisches Gedächtnis und Gewissen veranstaltet. Die Diskussion trug den Untertitel „Eliten versus Vorbilder“ und widmete sich der Suche nach den gegenwärtigen Eliten und Vorbilder des tschechischen Volkes.

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Als Hauptredner sprachen Prof. PhDr. Jan Sokol, Ph.D., CSc., Prodekan für die Außenbeziehungen FHS UK, Mgr. Jana Adamcová, Beraterin des stellv. Ministerpräsidenten für Wissenschaft, Forschung und Innovationen, Doz. Mgr. Pavel Stopka, Ph.D., Leiter der Forschungsgruppe im Zentrum BIOCEV und Mgr. Neela Winkelmannová, Ph.D., Leiterin der Plattform für europäisches Gedächtnis und Gewissen. Die Diskussion moderierte Jan Urban von der New York University.

Zu Beginn stellten sich die Diskussionsteilnehmer der Frage, wie man sich Eliten vorstellen müsse und wie man diese erkenne. Mit Ausnahme von Jan Sokol einigten sich die Teilnehmer auf folgende Definition von Eliten - Eliten seien Menschen, die positive Werte postulieren und vertreten sowie Anstand und Demut besitzen. Jan Sokol definierte Eliten hingegen mithilfe einer soziologischen Begriffsbestimmung. Der zufolge handelte es sich bei Eliten um Personen mit einer Hochschulausbildung sowie einem hohen Gehalt. Sokol führte des Weiteren aus, dass der Begriff „die Elite“ irreführend sei und wies auch im weiteren Verlauf der Diskussion auf diese Problematik hin.

Im Folgenden wurde die Problematik zwischen den natürlichen und unnatürlichen Eliten diskutiert. Neela Winkelmannová erläuterte zunächst die historische Perspektive auf Eliten. Gegen die natürlichen Eliten sind die Nazis und Kommunisten ausgezogen. Zurzeit sei die Wahrnehmung jedoch verschoben. So werden heute oft Menschen als Teil der Elite wahrgenommen, die über eine gewisse Wirtschaftsmacht verfügen. Dabei sei aber nicht von Interesse wie diese Personen Macht und Geld erworben hätten. Im Gegensatz dazu mangele es der Elite an einer adäquaten Repräsentation aus der Wissenschaft.

Bezüglich der Frage, ob Politiker einen Teil der Eliten bildeten, fanden die Diskussionsteilnehmer einen Konsens. Jana Adamcová zufolge gäbe es in der Gesellschaft nur wenig Politiker, die entsprechende Werte vertreten würden. Neela Winkelmannová brachte den Vorschlag ein die politische Profession im Rahmen von Gehaltserhöhungen attraktiver zu gestalten. Politiker sollten von Natur aus der Elite angehören, jedoch konzentriere sich diese oft in der Privatwirtschaft, da hier deutlich höhere Gehälter zu erzielen seien. Gegen diese Aussage verwehrte sich Jan Sokol, der bemerkte, dass gerade Arbeitsplätze mit hohen Gehältern oftmals die größten Missstände aufwiesen und ein besseres Arbeitsklima bei Arbeitsplätzen mit niedrigeren Gehältern zu finden sei. Er fügte außerdem an, dass achtbare Menschen nicht in der Politik zu finden seien.

Der Verlauf der Debatte bot auch Raum für Fragen aus dem Publikum. Die erste Frage bezog sich auf die Bildung und die Entwicklung von Eliten. Jan Sokol wies darauf hin, dass es unmöglich sei, jemanden zu einem Mitglied der Elite zu erziehen. Pavel Stopka wies auf die Bedeutung der Familie und der Grundschule hin. Es sei wichtig, dass Eltern Zeit für ihre Kinder hätten. Diese Investition seitens Eltern und Lehrer sei notwendig. Neela Winkelmannová führte aus, dass die Ausbildung von hochbegabten Kindern zu stark vernachlässigt worden sei. Es sei ein deutlicher Mangel an entsprechenden Schulen und speziellen Förderprogrammen zu verzeichnen.

Die Diskussion beschäftigte sich auch mit dem Thema nationale Minderheiten und im Speziellen auch mit den Roma. Neela Winkelmannová merkte an, dass Kindern aus Roma-Familien bereits oftmals der Weg in eine Sonderschule vorgegeben sei, wo sie langsamer lernen würden als andere Kinder. Pavel Stopka sieht eine mögliche Lösung in Bezug auf diese Problematik in der Gründung von Gemeindezentren. Zustimmung erhielt er von Jana Adamcová. Als positives Beispiel führte sie eine israelische Universität an, die es sich zur Aufgabe gemacht habe mithilfe von Studenten ein lokales Gemeindezentrum zu unterstützen und zu betreuen.

Zum Thema der Diskussionsrunde gehörte auch die aktuelle Hochschulbildung. Neela Winkelmanová führte aus, dass die Zahl der Hochschulabsolventen zu niedrig sei. Es fehle zudem an einer Ausbildung, die das Zusammenleben der Bürger fördere und eine aktive Partizipation der Bürger am politischen und gesellschaftlichen Geschehen ermögliche. Jan Sokol widersprach dieser Aussage jedoch, da der Anteil der Hochschulabsolventen von 1990 mit 10% auf aktuell 25% angestiegen sei und dies als enorme Leistungssteigerung zu verzeichnen sei.

Ein Beitrag stellte auch die Frage nach dem prinzipiellen Bedürfnis an Vorbildern in der heutigen Gesellschaft. Auch auf diese Frage fanden die Teilnehmer der Diskussion einen Konsens. Vorbilder seien ein notwendiger Teil der individuellen Entwicklung. Kinder wie Erwachsene bräuchten sie für die Entwicklung von Idealen. Wenn es keine Vorbilder gäbe, sollte es auch keine Elite geben.

Das Ende der Debatte wurde der Erwähnung zweier großer Auswanderungswellen gewidmet, die die Tschechische Republik vor und nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen haben. Infolge dieser Auswanderungen verschwand aus der tschechischen Gesellschaft eine Generation von kreativen Menschen. Diese Menschen könne man nicht durch Erziehung ersetzen, daher entstehe eine Diskontinuität. Als Beispiel kann auch das heutige Russland herangezogen werden, da viele kreative und eigenständig denkende Menschen in den Westen auswandern würde.

Eine Aufzeichnung der Diskussion kann auf der Webseite Česká televize angesehen werden.

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