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Vertrauenskrise bulgarischer Medien setzt sich fort

von Christian Spahr, Manuela Anastasova
Das Medienprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und die Stiftung Mediendemokratie haben ihren Jahresreport 2014 zu bulgarischen Medien und eine Meinungsumfrage zum Vertrauen der Bulgaren in die Medien auf einer Pressekonferenz am 3. Februar in Sofia vorgestellt.

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Die repräsentative Meinungsumfrage unter 1.100 Bulgaren ergab, dass nur jeder sechste Bürger (17 Prozent) an die Unabhängigkeit der Medien in seinem Land glaubt. Die Studie wurde zum zweiten Mal im Auftrag des Medienprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung von der bulgarischen Agentur "Market Links" durchgeführt. Im Vergleich zu den Ergebnissen 2013 sei das Vertrauen der Bürger kaum gestiegen, so Christian Spahr, Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa. "Immer noch glauben nur sehr wenige Bulgaren an reale Medienfreiheit", sagte er auf der Pressekonferenz in Sofia.

Demnach bestreiten 59 Prozent der Bürger, dass die Medien unabhängig sind. Viele sind unentschieden, nur 17 Prozent glauben ausdrücklich an freie Berichterstattung. "Die Vertrauenskrise setzt sich fort, und die Gründe dafür haben Wissenschaftler im Auftrag der KAS bereits 2014 in einer umfangreichen Studie ermittelt. Mindestens jeder zweite Journalist beklagt Druck aus der Politik, aus der eigenen Branche oder aus anderen Bereichen der Wirtschaft", so Spahr. Überdies liegt Bulgarien im internationalen Ranking der Pressefreiheit aktuell nur auf Platz 100 (Reporter ohne Grenzen).

Das Fernsehen ist deutlich beliebter als Online-Medien

Manuela Zlateva, Kommunikationsexpertin beim KAS-Medienprogramm Südosteuropa, stellte die Ergebnisse der Meinungsumfrage im Detail vor. Nach Meinung der Bürger sei das Fernsehen das objektivste Medium und dazu noch die beliebteste Quelle für Nachrichten aus der Politik. Die Online-Medien kommen an zweiter Stelle, gefolgt von den Zeitungen, Radiosendern und Magazinen. Die Untersuchung zeigt zudem Unterschiede nach Altersgruppen in Hinsicht auf das Vertrauen der Bulgaren in die Medien. Die Bürger zwischen 18 und 34 Jahren vertrauen dem Fernsehen zwar überwiegend, jedoch sind sie kritischer als die Senioren ab 60 Jahre. Auch in der Hauptstadt Sofia sind die Bürger etwas skeptischer, wenn es um das Fernsehen geht; sie glauben Online-Medien etwas stärker als die Bürger in den übrigen Landesteilen.

In der Umfrage der KAS und "Market Links" wurde auch die politische Kommunikation im Land untersucht. 63 Prozent der Bürger fühlen sich von Politikern im Allgemeinen unzureichend informiert und halten deren Öffentlichkeitsarbeit für schlecht oder sehr schlecht. "Parteien und Regierung sollten künftig mehr in eine moderne, transparente Informationspolitik investieren", schlussfolgert Spahr. Das KAS-Medienprogramm werde seine Aktivitäten für Kommunikationsexperten aus der Politik weiter ausbauen.

Borissov wird mit Abstand am häufigsten genannt

In der politischen Berichterstattung ist Premierminister Boyko Borissov die meistgenannte Persönlichkeit, ergab ein jährliches Medien-Monitoring von KAS und Stiftung Mediendemokratie (FMD). Borissov kommt auf 3.908 Nennungen in acht führenden Medien im Verlauf des Jahres 2014 und liegt damit 80 Prozent vor dem Zweiten im Vergleich, Staatspräsident Rossen Plevneliev. Beide Politiker wurden zunehmend positiv beschrieben. Dies hängt nach Einschätzung der Analysten von FMD auch mit Borissovs Wahlsieg im Oktober 2014 zusammen. Unter den Parteien ist Borissovs konservative Partei GERB ("Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens") die am meisten genannte.

"Positiv ist zu bemerken, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen gegenüber den drei größten Parteien kritisch bleibt und seine Rolle im Interesse der Bürger erfüllt", so Studienleiter Orlin Spassov. "Im Übrigen gilt aber: Die notwendigen Veränderungen in der Medienlandschaft haben 2014 nicht stattgefunden. Noch immer sind Journalisten zu abhängig von externem Einfluss aus Wirtschaft, Politik und Behörden." Nach Ansicht von FMD und KAS sind insbesondere die Eigentumsverhältnisse der Medien nicht transparent genug. Hinzu kommt eine wenig wirksame Selbstregulierung in der Branche. Starke wirtschaftliche Verluste vieler Medien tragen maßgeblich zu der mangelnden Unabhängigkeit bei.

Reformen des Mediensystems sind notwendig

Positiv sehen Spassov und Spahr, dass die bulgarische Regierung in dieser Legislaturperiode die Bedingungen für Reformen des Mediensystems verbessern will. So sollen an öffentlichen Ausschreibungen, etwa im Rahmen von staatlichen Informationskampagnen, nur Medienhäuser mit ethischen Mindeststandards teilnehmen können. Auch sollen keine öffentlichen Gelder an Medien fließen, deren Besitzverhältnisse unklar sind, und Monopolen in der Branche soll wirksamer begegnet werden. "Noch liegen keine Details der Vorschläge vor, aber sie gehen hoffentlich in die richtige Richtung", erklärt FMD-Medienexperte Orlin Spassov. "Wichtig ist, dass alle maßgeblichen Akteure in die Debatte einbezogen werden: Politiker, Medieneigentümer und Journalisten. Alle drei Gruppen leiden unter der Vertrauenskrise der Medien", so Christian Spahr (KAS).

Für das Medien-Monitoring der beiden Stiftungen analysierte das Institut Market Links von Januar bis Dezember 2014 mehr als 21.000 einzelne Nachrichten von vier Tageszeitungen (Trud, Telegraf, Sega, Presa) und vier Fernsehsendern (BNT, bTV, Nova TV, TV 7).

Die Pressekonferenz stieß mit rund 35 Besuchern auf großes Interesse seitens bulgarischer Journalisten. Auch aus Deutschland waren Radio- und TV-Journalisten anwesend.

Die Meinungsumfrage und das Medienmonitoring sind online verfügbar.

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