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Was ist Heimat?

Vorträge und Diskussion in Apolda

Vortrag und Gespräch

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In einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Bildungswerks Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung am 24. Mai in Apolda wurde das Thema Heimat im Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet.

In ihrer Eröffnung wies die Thüringer Landesbeauftragte der KAS Maja Eib darauf hin, dass Heimat immer ein Begriff war, der mit bestimmten Inhalten besetzt wurde bzw. sogar zur Rechtfertigung von Diktaturen mißbraucht worden ist. Dabei ginge es viel mehr darum, dass wir in der Beschleunigung unseres Lebens mit nahezu unbegrenzten Räumen eine vertraute Grundlage unseres Lebens benötigen, denn erst diese befähigen uns, Orientierung und ein Wertebewusstsein in der modernen Welt zu erlangen. Insofern ist Heimat ein Ort, ein Gefühl, Familie, aber vor allem ein offener Begriff.

Die Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen Christine Lieberknecht bezog sich in Ihrem Eröffnungsvortrag sowohl Thüringen betreffend als auch persönlich auf den Begriff Heimat, welcher für Sie selbst mit dem Ort des Aufwachsens und lokalen Orten verbunden ist. Dies seien Identifikationspunkte, die unabhängig von berufs- oder familienbedingten Ortsveränderungen die Persönlichkeit immer prägen werden. Als Regierungschefin Thüringens spürte Sie dabei auch bei Auslandsreisen in- und außerhalb Europas, dass gerade dieses Fundament bei Wirtschafts- und Vertragspartnern immer sehr positiv aufgenommen wird, da es die Verwurzelung mit dem Freistaat Thüringen zeige, für welchen man z.B. Investitionen gewinnen möchte. Dies sei auch für ihre politische Arbeit von großer Bedeutung, denn Regionen und lokale Identitäten lassen sich nicht am politischen Reißbrett verwalten. Die Verbindung zu den Menschen einer Region sei Grundlage für Akzeptanz und bürgernahe Entscheidungen, wie sie in ihrem Wahlkreis Apolda und Weimarer Land immer wieder erfahren würde.

Gleichwohl sei Heimat ein offener Begriff, dabei bezog sich Ministerpräsidentin Lieberknecht auf die vielen Thüringerinnen und Thüringer, die nach der Neugründung des Freistaats als Experten aus den alten Bundesländern nach Thüringen gekommen sind und selbstverständlich heute die Heimat in Vereinen, Kommunalpolitik und Kultur mit prägen.

Dr. Joachim Klose, KAS-Bildungswerksleiter aus Dresden und Leiter einer Arbeitsgruppe zum Thema näherte sich im zweiten Vortrag dem Begriff sowohl aus geistesgeschichtlicher wie historischer Perspektive und stellte ihn in seiner Wandlung in der aktuellen Lebenswelt gegenüber, wodurch auch Herausforderungen entstehen.

In einer Zeit, in der sich vieles rasch ändert, wird bedeutungsvoll, was einem Halt und Orientierung gibt. Der gesellschaftliche Austausch hat sich in kurzer Zeit aufgrund von technischen Innovationen, wie Computer, Internet und soziale Netzwerke rasant verändert. Europa ist nach dem Ende des Kalten Krieges wirtschaftlich und politisch wieder zusammengewachsen. So genießen seine Bürger Reisefreiheit und eine gemeinsame Währung, bedauern aber zugleich, weniger Einfluss auf Entwicklungen zu haben, die ihre Regionen betreffen. Der Wegzug besonders junger Menschen aus den ländlichen Räumen und die Auswirkungen der Finanzkrise bereiten ihnen Sorgen.

Einerseits ist die Welt größer geworden aufgrund der neuen Möglichkeiten, andererseits wurde sie kleiner, weil sie vernetzter geworden ist. Prozesse, die vorher weit entfernt waren, rücken näher, ja werden zur Bedrohung. Möglichkeiten, sie zu kontrollieren und sich einzubringen, erscheinen geringer. Zwar kommunizieren und reisen wir global, aber wir können nicht im Globalen wohnen. Damit tritt ein Begriff in die öffentliche Aufmerksamkeit, den wir Älteren dachten, längst abgelegt zu haben: Heimat. Heimat wird einem immer erst dann zur Aufgabe, wenn sie bedroht ist oder einem verloren gegangen zu sein scheint.

Wurde nicht genug unternommen, das Wort „Heimat“, das sich so leicht missbrauchen lässt, aus dem öffentlichen Sprachgebrauch zu verbannen? In diesem Zusammenhang sind sich die deutschen Diktaturen doch nichts schuldig geblieben. Beide versuchten, „Heimat“ für ihre Zwecke umzumünzen. Die Blut- und Bodenideologie der Nationalsozialisten setzte gerade am Heimatgefühl an, und die DDR-Ideologen dachten, die fehlende politische Identifikation mit dem Sozialismus mit einem neuen Heimat-Bewusstsein aufbauen zu können. „Und wir lieben die Heimat, die schöne // Und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört, // Weil sie unserem Volke gehört.“ heißt es in dem bekannten Pionierlied.

Dieser Gefahr bewusst, hat die Bundesrepublik die „Bundeszentrale für Heimatdienst“ in „Bundeszentrale für politische Bildung“ umbenannt und das Unterrichtsfach Heimatkunde in Sachunterricht. Die neuen Bundesländer zogen 1990 nach. Aber ein politisch korrekter Sprachgebrauch führt nicht zur Verhinderung dessen, was Heimat bedeutet. Begriffe werden häufig missbraucht. Man erinnere sich an das rhetorische Gerede vom Frieden in der DDR oder den zu allen Zeiten verwendeten Freiheitsbegriff, in dessen Namen die größten Verbrechen begangen wurden. Dennoch besitzen Frieden und Freiheit hohe Wertschätzung. So ist es auch mit Heimat. Als Edgar Reitz in den 1980er Jahren „Heimat“ filmisch wieder in den öffentlichen Diskurs einführte, erschien es vielen als würde ein verlorengegangenes Gefühl geweckt, denn er zeigte die Bilder und Mythen, mit denen man groß geworden ist.

„Heimat“ ist der Ort der Herkunft. Das kommt in einer gemeinsamen Sprache, den gebräuchlichen Riten und der Landschaft zum Ausdruck. Aber er ist zugleich auch der Ort der Vertrautheit, den man versteht und in dem man verstanden wird. Hier fühlt man sich geborgen und angenommen. Hier ist man zu Hause. So zeichnet sich Heimat vor allem durch soziale Bezüge aus, wie die Familie, die Kirchgemeinde oder die Dorfgemeinschaft.

Im übertragenen Sinne befinden wir uns immer auf einem „Heimweg“ – während ein „Heim“ es uns ermöglicht, in uns zu wohnen und soziale Bindungen einzugehen, lässt uns der „Weg“, den wir gehen, offen sein für Neues. „Heimat“ ist nicht einfach so da und liegt vor, sondern wir müssen sie uns immer wieder neu aneignen und erarbeiten.

Jemand, der eine Heimat gefunden hat, ist neugierig auf das, was ihm die Welt bietet. Sie wird ihm nicht zur Bedrohung, sondern zur Aufgabe. Es ist sehr sinnvoll, über ein zeitgemäßes Heimatverständnis gemeinsam nachzudenken.

In der anschließend von Karsten Jauch (Thüringer Allgemeine) moderierten Diskussion legten mit Dr. Thomas Wurzel, Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und Vorstandsmitglied des Heimatbunds Thüringen und Günter Ramthor

Mitgesellschafter und ehemaliger Geschäftsführer der Apoldaer Vereinsbrauerei zwei weitere Persönlichkeiten ihre Perspektive zum Thema dar.

Thomas Wurzel verdeutlichte in diesem Zusammenhang, dass Heimat für ihn persönlich durchaus mit Orten verbunden ist und er seinen Arbeitsort Frankfurt nicht als Heimatort betrachten würde. Zusätzlich sei für ihn der christliche Glaube als Mitglied der Katholischen Kirche eine geistige Heimat, da er dort ein Wertefundament vorfindet, was ihn mit den anderen Gläubigen verbinde. Seine Mitgliedschaft im Thüringer Heimatbund, dessen Aufbau er mit vorantrieb, korrespondiert mit beruflichen Tätigkeiten vor Ort, wodurch er auch einen persönlichen Auftrag verspüre, lokale Kultur und Heimatpflege zu unterstützen.

Günter Ramthor steht durch das Unternehmen Apoldaer Vereinsbrauerei zweifellos als lokale Persönlichkeit für die Stadt und Region, obwohl auch Günter Ramthor nicht in Apolda geboren wurde, sondern aus Nordthüringen stammt. Sein Engagement für die Region als Unternehmer, Lokalpolitiker und Stifter sei für ihn selbstverständlich unterstrich Ramthor. Die Stiftung seines Namens unterstütze junge Menschen insbesondere aus Apolda und Umgebung bei Ausbildung und Studium auch international. Selbstverständlich sei es wichtig, immer seinen Erfahrungshorizont zu erweitern führte Ramthor aus, jedoch sei in der Förderung seiner Stiftung der lokale Bezug gegeben und Verantwortung für Region und Stadt Teil der Förderung, auch wenn man nicht erwarten könne, dass mögliche spätere Spitzenkräfte ihr Leben weiter in Apolda verbringen werden, aber vielleicht dennoch der Region verbunden blieben.

Die vielen Facetten des Begriffs Heimat sorgten auch mit dem Publikum für eine angeregte Diskussion, welche persönliche Erfahrungen und Erlebnisse aus anderen Teilen Deutschlands mit einbrachten. Einig waren sich alle Teilnehmer und Gäste, dass Heimat ein offener Begriff der Identitätsbildung sein muss und bürgerliches Engagement fördert, das unsere Gesellschaft zusammenhält.

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