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China: Ein Entwicklungsland als globale Macht?

China beharrt trotz seiner Wirtschaftsstärke und weitreichender Entwicklungsfortschritte auf dem Status als „größtes Entwicklungsland der Welt“. Dadurch wird dem Land in internationalen Regimen eine entsprechende Sonderbehandlung zuteil. Als Argumente für dieses Festhalten werden bestehende enorme soziale und regionale Ungleichheiten im Land angeführt. Vereinzelt scheint China jedoch inzwischen auf internationalen Druck hin bereit, auf Privilegien als Entwicklungsland zu verzichten. Der Spagat zwischen Chinas Identität als Entwicklungsland und seiner Rolle als globale Macht wird zunehmend größer. Deutschland und Europa sollten dafür Sorge tragen, dass Chinas wachsendes globales Engagement in eine stärkere Einbindung in die Strukturen internationaler Zusammenarbeit mündet.

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Am 1. Oktober 2019, dem 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China, ist das Land auf der internationalen Bühne ganz oben angekommen. China ist zum wichtigsten Handelspartner vieler Länder dieser Welt aufgestiegen. Zudem befindet sich die Volkswirtschaft vier Jahrzehnte nach Beginn von Deng Xiaoping‘s Reform- und Öffnungspolitik immer noch im Wachstums­modus. Das bringt Chancen ebenso wie tiefgreifende Konflikte mit sich. So sind gegenseitige Anschuldigungen und Vorwürfe der unfairen Handelspraxis zwischen den ­USA und China seit Ausbruch des Handelskonfliktes im Jahr 2018 schon fast zur Normalität geworden. Es verwundert kaum, dass der US-amerikanische Präsident Trump twittert, China würde sich in der Welthandels­organisation (World Trade Organization, ­WTO) bewusst als Entwicklungsland darstellen, um damit auf unfaire Weise Handelsvorteile zu erzielen.

Die Frage, ob China ein Entwicklungsland ist oder nicht, gerät dabei immer wieder in den Fokus internationaler Debatten. Hier stehen drei Fragen im Mittelpunkt: Auf welchen Argumenten basiert das chinesische Narrativ eines Entwicklungslandes? Welche Auswirkungen hat das Festhalten an diesem Narrativ für die Strukturen der inter­nationalen Wirtschaft und Politik? Und letztendlich, wie wird dies die zukünftige internationale Zusammenarbeit beeinflussen?

Entwicklungsland China? Zwischen Wachstum und sozialer Ungleichheit

Der Beitritt Chinas zur ­WTO im Jahr 2001 war der Katalysator für die Internationalisierung und globale Einbindung der chinesischen Wirtschaft. Dieser Prozess wurde im Zuge der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik seit den 1980er Jahren stetig vorangetrieben. Mittlerweile ist das Land mit einer Bevölkerung von knapp 1,4 Milliarden Menschen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Gemessen an der Kaufkraftparität ist die chinesische Volkswirtschaft sogar die weltweit größte. Seit der globalen Finanzkrise 2008 hat China am stärksten zum weltweiten Wirtschaftswachstum beigetragen und ist auf dem Weg, die absolute Armut bis 2020 komplett zu beseitigen. Nichtsdestotrotz hat das Land nur ein verhältnismäßig geringes Pro-Kopf-Einkommen, das rund ein Siebtel des Durchschnittseinkommens der ­USA beträgt und Rang 68 im weltweiten Vergleich bedeutet.

 

Abb. 1: Top Ten der Länder mit dem größten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2018 (in Mrd. US-Dollar) sowie Top Ten der Länder mit dem größten Anteil am kaufkraftbereinigten globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2018 (in Prozent)

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Quelle: Eigene Darstellung nach Statista 2019: Größte Volkswirtschaften: Länder mit dem größten BIP im Jahr 2018 (in Milliarden US-Dollar), 24.04.2019, in: https://bit.ly/32BKGhx [11.11.2019]; Statista 2019: Die 20 Länder mit dem größten Anteil am kaufkraftbereinigten globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2018, 07.05.2019, in: https://bit.ly/2O5wrMq [11.11.2019].

 

Die Ausweitung von Krankenversicherung und Rentensystem sowie diverse Sozialhilfeprogramme haben dazu beigetragen, dass die Volksrepublik China in den vergangenen Jahren vermehrt Verbesserungen im sozialen Bereich erlangen konnte. Im Ländervergleich des Human-Development-Indexes, der nicht nur das Bruttoinlandsprodukt (­BIP) pro Kopf, sondern auch die Lebenserwartung und den Bildungsgrad miteinbezieht, hat sich das Land kontinuierlich verbessert. China liegt mit einem Indexwert von 0,752 inzwischen in der Gruppe der Länder, denen eine „hohe menschliche Entwicklung“ zugeschrieben wird. Damit hat China aber noch lange nicht zu Industrie- und anderen Schwellenländern aufgeschlossen, die in der Gruppe der Länder mit einer „sehr hohen menschlichen Entwicklung“ aufgeführt sind.

Problematisch bleiben vor allem die enorme Ungleichheit und die soziale Spaltung im Land. Die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gehen mit dem Entstehen von starken Ungleichheiten einher – insbesondere zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen den Provinzen. So zog es in den letzten Jahrzehnten viele Arbeitskräfte aus den westlichen Provinzen an die dynamischere Ostküste und die Perlfluss­region im Süden Chinas. Dort, in der Metropolregion zwischen Hongkong und den Städten Guangzhou, Shenzhen und Zhuhai, lief lange Zeit der Exportmotor der chinesischen Wirtschaft (die „Werkbank der Welt“) auf Hochtouren. In der Zwischenzeit ist die Region zum Innovation Hub Chinas avanciert, was zu einem Boom der IT- und anderer technologiegetriebener Industrien geführt und das Jobniveau erheblich verändert hat. Der allgemeine Anstieg des Lohnniveaus hat gleichzeitig die arbeits­intensiven Bereiche so verteuert, dass versucht wird, eine Steigerung des Industrieoutputs über die Automatisierung von Produktionsprozessen zu erreichen. Im Gegenzug sind ganze Industriebereiche, die weiter auf Billiglohnarbeit setzen, in die südostasiatische Nachbarschaft abgewandert. In der Konsequenz haben viele Fabrikarbeiter ihre Anstellungen verloren und sind in ihre Heimatprovinzen zurückgekehrt. Hinzu kommt, dass im härter werdenden wirtschaftlichen Wettbewerb Faktoren wie die Zusammensetzung der Wirtschaftsstruktur, die Herausbildung von Industrieclustern oder die Anbindung an Handelsrouten deutlicher als zuvor Gewinner und Verlierer des ökonomischen Wettbewerbs hervorbringen. Beispielsweise ist der Anteil der drei nordöstlichen Provinzen Chinas, Liaoning, Jilin und Heilongjiang, am nationalen ­BIP deutlich gesunken. Die Provinz Liaoning, die im Osten an Nordkorea grenzt, verzeichnete 2017 sogar ein negatives Wirtschaftswachstum.

 

Abb. 2: Anteil der Exportwirtschaft an der Wertschöpfung in chinesischen Provinzen (in Prozent)

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Quelle: Eigene Darstellung nach Moody’s Analytics 2019: China’s Provincial Economies: Growing Together or Pulling Apart?, 01/2019, in: https://bit.ly/2rsHHec [11.11.2019]; Karte: p Natural Earth Data.

 

Im Jahr 2016 wurde außerdem die Reform des Hukou-Systems (staatliche Haushaltsregistrierung) beschlossen. Jahrzehntelang hatte eine Einteilung in ländliche und städtische Einwohner für ein Ungleichgewicht der Qualität und des Angebots von Dienstleistungen zwischen Bewohnern mit städtischer und länd­licher Registrierung gesorgt. Gleichzeitig hatte es die dualistische Struktur, die in den 1950er Jahren zur Bevölkerungsplanung eingeführt worden war, der ländlichen Bevölkerung nur eingeschränkt erlaubt, in die Städte zu ziehen. Die Vereinheitlichung des Systems soll nun dazu beitragen, dass ein weiterer Zuzug der ländlichen Bevölkerung in die Städte der wirtschaftlichen Entwicklung zu Gute kommt. Dabei bleiben Lösungen bisher allerdings auf die weniger boomenden Städte beschränkt und die Frage des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung und sozialen Dienstleistungen weiterhin ein schwieriges Unterfangen für die betroffenen Kommunen.

 

Abb. 3: Warenexporte und -importe 2017 im Vergleich (in Mrd. US-Dollar) sowie BIP pro Kopf 2018 im Vergleich (in Tsd. US-Dollar)

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Quellen: Eigene Darstellung nach Le Monde diplomatique 2019: Warenhandel weltweit, Atlas der Globalisierung, S. 60 – 61; Internationaler Währungsfonds 2019: World Economic Outlook. GDP per capita, current prices, 10/2019, in: https://bit.ly/2WXeG6k [08.11.2019].

 

Hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur ist anzumerken, dass der Anteil der Land- und Forstwirtschaft nach wie vor relativ hoch ist (ca. acht Prozent, im Vergleich zu einem Prozent in den ­USA). So wird von chinesischer Seite immer wieder darauf hingewiesen, dass der Anteil an sogenannten wissensintensiven Dienstleistungen (also Forschung und Entwicklung), trotz der in absoluten Zahlen massiven Investitionen der chinesischen Regierung, nach wie vor vergleichsweise gering ausfallen würde. Um den Status als Entwicklungsland zu betonen, verweist China immer wieder auf den eigenen, im Vergleich zu den Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-­operation and Development, ­OECD), niedrigen Urbanisierungsgrad von unter 60 Prozent.

Die Situation ist also vielschichtig und eine Einteilung in Entwicklungs- und Industrieland nicht unbedingt zielführend. Ein Land, das in den glänzenden Metropolen an der Ostküste ganz eindeutig als Industrieland erscheint, kann, wie im Falle ländlicher Regionen in den westlichen Provinzen Yunnan, Qinghai und Tibet, noch von absoluter Armut geprägt sein.

Neben der inländischen Dimension sorgt im Falle Chinas aber vor allem die globale Bedeutung und das wachsende politische Gewicht Chinas dafür, dass Chinas Selbstdarstellung als Entwicklungsland hinterfragt wird. So erklärte beispielsweise die Europäische Kommission im Vorfeld des EU-China Gipfels im Frühjahr 2019, dass China nicht länger als Entwicklungsland betrachtet werden könne, da es zu „einem wichtigen globalen Akteur und einer führenden technologischen Macht“ und darüber hinaus zu einem „Systemrivalen“ geworden sei. Nie zuvor hat ein Land, das in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsagenda erst noch zu den führenden Ländern der Welt aufschließen muss, gleichzeitig so weitreichend die Strukturen regionaler und globaler Ordnung mitprägt. Das zeigt sich gerade durch die handelspolitisch und geostrategisch motivierte Belt and Road Initiative (sogenannte Neue Seidenstraße). Die EU betont, dass diese besondere Konstellation eine Zusammenarbeit mit China erfordere. Gleichzeitig müssen die europäische Interessen und Werte bewahrt und China stärker dazu gebracht werden, Verantwortung für die regelbasierte internationale Ordnung zu übernehmen.

Bedeutung für Chinas Rolle in internationalen Regimen

China und die ­WTO: Ein Fall für „differenzierte Sonderbehandlung“?

Im Kontext des Handelsstreits zwischen den ­USA und China wurde in letzter Zeit viel über Chinas Selbstdeklarierung als Entwicklungsland im Rahmen der ­WTO diskutiert. Rund zwei Drittel der Mitgliedsländer der ­WTO deklarieren sich als Entwicklungsländer und erhalten damit eine sogenannte „differenzierte Sonderbehandlung“. Diese gesteht den Entwicklungsländern unter anderem längere Umsetzungsfristen für Vereinbarungen und die Gewährung von Subventionen und technischer Unterstützung zu. Entwicklungsländern soll damit die Möglichkeit gegeben werden, ihre wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, bevor sie ihre Märkte öffnen müssen.

Die Gewährung dieser differenzierten Sonderbehandlung auf Basis der Selbstdeklarierung von Ländern wurde im Juni 2019 von den ­USA als Vorwand für Protektionismus und unfaire Vorteilnahme durch wirtschaftlich starke Länder wie China kritisiert. Die ­USA reichten einen entsprechenden Vorschlag ein, die Deklarierung von Staaten im Rahmen der ­WTO zu regulieren. Der Reformvorschlag sieht vor, dass künftig diejenigen Staaten nicht mehr von der differenzierten Sonderbehandlung profitieren dürften, die mindestens eine der folgenden Eigenschaften erfüllen:

  • von der Weltbank als Staaten mit hohem Einkommen eingestuft werden;
  • Mitglied der ­OECD sind;
  • Mitglied der G20 sind;
  • und / oder einen Anteil von über 0,5 Prozent am Welthandel haben.

China und andere als Entwicklungsländer deklarierte Staaten, lehnen diesen Reformvorschlag vehement ab. Sie bestehen auf der Selbstdeklarierung als bestmöglichem Verfahren, um den weiterhin enormen Unterschieden in der wirtschaftlichen Entwicklung der ­WTO-Mitglieder gerecht zu werden. Gao Fang, der Pressesprecher des chinesischen Wirtschaftsministeriums, betonte in diesem Zusammenhang, dass China weiterhin zu seiner Einschätzung als größtes Entwicklungsland der Welt stehe und selbstredend bereit sei, die ­WTO-Verpflichtungen umzusetzen – soweit diese im Rahmen der wirtschaftlichen Kapazitäten als Entwicklungsland lägen. China werde mit anderen Entwicklungsländern zusammenarbeiten, um die gemeinsamen Interessen in dieser Hinsicht zu wahren.

Gleichzeitig nimmt China sehr wohl die sich verändernden Erwartungen an seine Rolle im multilateralen Handelssystem wahr. China-­Experten sprechen vor diesem Hintergrund von einem Wandel in der Rhetorik des Landes. Vor die Wahl eines drohenden Zerfalls beziehungsweise einer Blockade der ­WTO und der Reform der Institution gestellt, erkennt China die Notwendigkeit von Reformen an – insbesondere, weil China dank der ­WTO-Mitgliedschaft massiv vom regelbasierten Handelssystem profitiert. Diese Einsicht wird durch das derzeitige Abkühlen der chinesischen Wirtschaft noch verstärkt. Zwar beharrt man auf dem Status als Entwicklungsland und der Sonderbehandlung, die damit einhergeht. Gleichzeitig zeigt sich die chinesische Regierung, auch aufgrund des zunehmenden Drucks der Industriestaaten, zu vereinzelten Zugeständnissen und Reformen der ­WTO bereit. Auf dem EU-­China-Gipfel im Frühjahr 2019 einigten sich beide Seiten darauf, bei der ­WTO-Reform zusammenzuarbeiten. Im Gegensatz zu anderen Staaten, die weitreichende Reformen anstreben, betont Chinas Regierung jedoch, dass Reformen „on the basis of necessity“, sprich nur wenn unbedingt nötig, durchzuführen seien. Auch dürften etwaige Reformen nicht negativ auf einzelne Staaten abzielen oder durch die Interessen einzelner Mitgliedstaaten dominiert werden – ein klarer Seitenhieb gegen die ­USA.

 

Tabelle 1: Selbsterklärte Entwicklungsländer im Rahmen der WTO, die von den Kriterien des US-Reformvorschlags betroffen wären

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Quelle: Zusammenstellung der Autoren. Aktuelle Entwicklungen nach: Channel News Asia 2019: Singapore does not take advantage of WTO special provisions for developing nations in negotiating agreements: MTI, 27.07.2019, in: http://po.st/y8qlG1 [11.11.2019]; Teller Report 2019: The UAE is a pivotal trade center and does not need special measures for developing countries, 30.07.2019, in: http://bit.ly/2NF5Dnv [11.11.2019]; Ihara, Kansaku 2018: Taiwan quits ‚developing economy‘ status in WTO with eye on China, Nikkei Asian Review, 17.10.2018, in: https://s.nikkei.com/32Eag5g [11.11.2019]; Kölling, Martin 2019: Südkorea gibt Status als Entwicklungsland auf – und beugt sich so Trumps Willen, Handelsblatt, 25.10.2019, in: http://bit.ly/2NTUL3K [11.11.2019].

 

In den Diskussionen wird zunehmend klar, dass China vom rule taker zum rule negotiator geworden ist. Entlang dieser Linien – und mit der differenzierten Sonderbehandlung für Entwicklungsländer als einer der unausweichlichen Positionen Chinas – scheinen die zu erwartenden Zugeständnisse Chinas stark davon abhängig, inwieweit es den Industriestaaten wirklich gelingt den notwendigen Druck hierfür aufzubauen.

Klimaschutz: Abkehr von alten Verbündeten?

Im Bereich der internationalen Klimaverhandlungen berufen sich Entwicklungs- und Schwellenländer in der Regel auf das Prinzip der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ (Common But Differentiated Responsibilities, ­CBDR). Das Prinzip wurde in der Erklärung von Rio aus dem Jahr 1992 festgehalten und macht die Übernahme von Verantwortung von Staaten für die globale Entwicklung von deren unterschiedlichen Kapazitäten abhängig. Im Kyoto-­Protokoll aus dem Jahr 1997 wurde dann die Unterscheidung zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern hinsichtlich ihres Beitrags zur Emissionsreduzierung explizit festgeschrieben. So sollten entwickelte Länder ihre CO2-Emissionen reduzieren und Entwicklungsländer in der Bekämpfung und der Anpassung an den Klimawandel unterstützen, während von Entwicklungs- bzw. Schwellenländern lediglich die Berichterstattung über ihre Emissionen verlangt wurde.

Dieses, angesichts veränderter wirtschaftlicher Realitäten, obsolet wirkende System unterschiedlicher Regeln für entwickelte und Entwicklungs- bzw. Schwellenländer wurde im Pariser Übereinkommen von 2015 überwunden. Das Regelwerk für die Umsetzung des Übereinkommens sieht nun vor, dass grundsätzlich alle Unterzeichner zur Emissionsreduzierung verpflichtet sind. Dabei sollen aber weiterhin unterschiedliche Entwicklungsgrade bzw. nationale Gegebenheiten bei den Klimaschutzbemühungen berücksichtigt werden. Weniger entwickelte Länder erhalten wegen ihrer größeren Verwundbarkeit durch die Klimawandelfolgen besondere Unterstützung seitens der Industrieländer.

Im Rahmen der VN-Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 einigten sich die Unterzeichnerstaaten auf ein entsprechendes Regelwerk zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris. Insbesondere die EU und andere Industriestaaten waren darauf bedacht, das Prinzip uniformer Regeln für alle Staaten aus dem Pariser Übereinkommen umzusetzen – gegen den Widerstand vieler Entwicklungsländer. Überraschenderweise war es am Ende auch das in der Vergangenheit vehement auf das ­CBDR-Prinzip pochende China, das die Einigung auf uniforme Regeln ermöglichte. Mit dem angekündigten Rückzug der ­USA aus dem internationalen Klimaschutz konnte sich China zunehmend eine Führungsrolle in den Klimaverhandlungen erarbeiten, nicht zuletzt aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts. Mit der Entscheidung, das Regelwerk in dieser Form zu unterstützen, brach China mit traditionellen Entwicklungs- bzw. Schwellenland-Verbündeten wie Brasilien, Südafrika und Indien. Die Voraussetzung für Chinas Einverständnis war das Zugeständnis einer gewissen Flexibilität in der Umsetzung und der Unterstützung entwickelter Staaten für Entwicklungsländer in Fällen, in denen die Kapazitäten eines Landes nicht ausreichen. Die Einschätzung dieser Notwendigkeit obliegt hierbei dem jeweiligen Land. Inwiefern auch China, das für mehr als ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, von dieser Regel Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.

Im Rahmen der Klimaverhandlungen im September 2019 bekräftigte der chinesische Außenminister Wang Yi erneut die gemeinsame Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft. Dass China im Rahmen der Belt and Road Initiative zu einem globalen Bereitsteller von Energietrassen geworden ist und dabei sowohl Projekte mit erneuerbaren Energieträgern fördert als auch zahlreiche Kohlekraftwerke baut, zeigt wie schwierig der Spagat für Peking hierbei ist.

Entwicklungszusammenarbeit: China als Nehmer

Trotz der wirtschaftlichen Stärke und zunehmenden globalen Gestaltungsrolle Chinas, findet sich China bis dato auf der ­OECD-Liste von Empfängerländern für Official Development Assistance (­ODA). Im Jahr 2017 erhielt China beispielsweise 630,1 Millionen ­Euro an deutschen ­ODA-Mitteln und liegt damit auf Rang drei der Empfänger deutscher ­ODA-Leistungen – eine Tatsache, die bei vielen auf Unverständnis stößt. Wie lässt sich dies erklären?

Zum einen handelt es sich bei dieser Zahl um die erhaltenen Brutto ­ODA-Leistungen. Zieht man hiervon die von China getätigten Rückzahlungen von Krediten ab, erhält man den Netto-­ODA-Betrag, der für 2017 noch bei 358,2 Millionen Euro lag. Hinsichtlich der von allen Gebern erhaltenen Netto-­ODA-Leistungen liegt China aufgrund hoher Rückzahlungen von Krediten seit einigen Jahren sogar bereits im Minusbereich, das Land zahlt also eine höhere Summe zurück als es erhält.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich zum anderen, dass es sich bei den deutschen ­ODA- Leistungen an China nicht um klassische bilaterale Entwicklungszusammenarbeit handelt. Diese wurde bereits im Jahr 2009 eingestellt; es erfolgen somit keine Neuzusagen mehr, lediglich bereits zugesagte Projekte werden noch bis zu ihrem Auslaufen finanziert. Der Großteil der deutschen ­ODA-Mittel für China wird hingegen im Bereich finanzieller Zusammenarbeit vergeben, insbesondere durch Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Darüber hinaus werden Kosten für Studienplätze in Deutschland und Projekte der Bundesregierung wie Beratungen und Fortbildungen zu Nachhaltigkeit oder finanziellen Reformen finanziert.

Doch auch gegen die Vergabe von vergünstigten Entwicklungskrediten an China, beispielweise durch die Weltbank, wird zunehmend Kritik laut. Obwohl China 2016 die von der Weltbank gesetzte maximale Einkommensgrenze von 6.795 US-Dollar pro Kopf für die Darlehensvergabe mit vergünstigten Konditionen überschritten hat, erhielt das Land pro Jahr durchschnittlich weiterhin rund 2 Milliarden US-Dollar von der International Bank for Reconstruction and Development der Weltbankgruppe. Laut einem Übereinkommen der Weltbank-Aktionäre 2018 erfolgt die Darlehensvergabe an Länder über dieser Grenze nun bereits zu höheren Zinssätzen. Auch erfolgt die Vergabe theoretisch nur noch für Projekte, die globalen Gemeinschaftsgütern oder der langfristigen Entwicklung der Länder weg von Weltbank-­Darlehen zugutekommen. In den von China erhaltenen Darlehen in den Jahren 2016 bis 2018 fallen jedoch nur 43 Prozent in diese zwei Kategorien. Vor dem Hintergrund der aktiven Darlehensvergabe von China an Entwicklungsländer, die von einigen als „Schuldenfalle“ kritisiert wird, und der allgemeinen wirtschaftlichen Stärke des Landes, fordern Kritiker deshalb, die Vergabe von Weltbankdarlehen an China gänzlich zu stoppen.

So stellt sich die Frage, warum Deutschland und andere Staaten an der breiteren Form der Entwicklungszusammenarbeit mit China festhalten? Wie das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betont, „gibt es keine Herausforderungen von globaler Bedeutung mehr, denen ohne Beteiligung Chinas begegnet werden kann.“ Dies umfasst auch die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Aus diesem Grund strebt Deutschland eine vertiefte Entwicklungspartnerschaft mit China an, um das Land stärker in die Bewältigung bestehender Herausforderungen für nachhaltige Entwicklung weltweit einzubeziehen. Aus der strategischen Partnerschaft für entwicklungspolitische Zusammenarbeit ging im Jahr 2017 unter anderem das Deutsch-Chinesische Zentrum für Nachhaltige Entwicklung als Plattform für Austausch zu entwicklungspolitischen Fragen hervor, das auch trilaterale Kooperationen für Entwicklungsprojekte umsetzt. Auch die EU hat bereits 2013 eine EU-China 2020 Strategic Agenda for Cooperation verabschiedet, die eine enge Zusammenarbeit mit China unter anderem im Bereich Nachhaltige Entwicklung vorsieht. Die Relevanz dieser Zusammen­arbeit für die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 wurde beim letzten EU-China-Gipfel im April 2019 erneut betont.

Wie in anderen Bereichen hat sich auch in der Entwicklungszusammenarbeit der Umgang mit China aufgrund der Wirtschaftsstärke und wachsenden globalen Rolle des Landes gewandelt. Immer mehr Länder und internationale Organisationen versuchen, China weniger als Empfänger zu behandeln, sondern vielmehr als Partner für die Bewältigung internationaler Herausforderungen zu sehen und durch die Nutzung chinesischer Kapazitäten hier verstärkt einzubinden.

Süd-Süd-Kooperation: China als Geber

Diese Kapazitäten und auch der Wille Chinas, als Geber zu wirken, zeigt sich insbesondere im Bereich der Süd-Süd-Kooperation, in dem China eine führende Rolle spielt. Als „größtes Entwicklungsland der Welt“ betont China die freiwillige Übernahme von Verantwortung zugunsten der Entwicklung schwächerer Länder. China ist außerdem seit Langem eng mit der Gruppe der 77 (G77), der größten intergouvernementalen Organisation von Entwicklungsländern, verbunden, die auf VN-Ebene die Interessen der Entwicklungsländer vertritt und Süd-Süd-Kooperation vorantreiben möchte.

Obgleich oftmals von China als „neuem“ Geber gesprochen wird, lässt sich Chinas Unterstützung für schwächere Staaten bereits in die 1950er Jahre zurückverfolgen. Die Ausrichtung der chinesischen Entwicklungszusammenarbeit hat seitdem zahlreiche Reformprozesse durchlaufen, beruft sich jedoch weiterhin auf die 1964 verankerten „Acht Prinzipien für wirtschaftliche und technische Entwicklungshilfe im Ausland“. Allen voran postulieren diese den Respekt der gegenseitigen Souveränität und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und eine gleichberechtigte Kooperation zum gegenseitigen Nutzen.

Die Fortschritte der chinesischen Entwicklungszusammenarbeit über die letzten Jahrzehnte spiegeln dabei die Identität und den wirtschaftlichen Wandel Chinas als Geberland deutlich wider. 

Auch das Volumen der chinesischen Entwicklungshilfe ist mit dem wirtschaftlichen Aufstieg des Landes deutlich gewachsen; 2016 lag der geschätzte Bruttowert bereits bei 6,6 Milliarden US-Dollar, was China zum siebtgrößten Geber weltweit machen würde. Auch wenn diese Zahlen aufgrund mangelnder offizieller Berichterstattung mit Vorsicht zu genießen sind, wird deutlich, dass Chinas Geberaktivitäten global relevant sind.

Die Charakteristiken der chinesischen Entwicklungshilfe weichen dabei von den Standards des ­OECD Development Assistance Commitees (­DAC) der „traditionellen“ Geberstaaten deutlich ab. Chinas Entwicklungszusammenarbeit ist in vielerlei Hinsicht stärker von wirtschaftlichen Interessen geprägt, was sich unter anderem im Fokus auf Infrastrukturprojekte zeigt. Dabei werden kommerzielle Finanzierung und Entwicklungshilfeinstrumente nicht strikt getrennt, sondern komplementär eingesetzt. Unternehmen, die meisten davon in Staatshand, kommt entsprechend bei der Umsetzung der Projekte eine wichtige Rolle zu. Zahlreiche westliche Beobachter warnen vor einer Schuldenfalle und politischer Abhängigkeit für Entwicklungsländer durch dieses Modell der Entwicklungszusammenarbeit „mit chinesischen Cha- rakteristika“.

Ein wichtiger Meilenstein für die chinesische Entwicklungszusammenarbeit war die Schaffung der China International Development Cooperation Agency (­CIDCA) im April 2018. Die Agentur soll die bisher komplexen und fragmentierten Strukturen chinesischer Entwicklungszusammenarbeit koordinieren und durch strategische Planung und Kontrolle die Effizienz und Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Auch soll eine stärkere Trennung zwischen Entwicklungshilfe und kommerziellen Finanzierungen erfolgen. Es bleibt abzuwarten, ob die Agentur die notwendigen finanziellen Kapazitäten für diese Aufgabe erhält und inwiefern die bisher führenden Ministerien, allen voran das Handelsministerium, bereit sind, Kontrolle abzugeben. Laut einem Bericht liegt das Entwicklungs­hilfebudget der ­CIDCA für 2019 bei lediglich 18 Millionen US-Dollar, während dem Handelsministerium für diese Haushaltslinie immer noch 2,63 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stehen. Ein weiterhin starker Einfluss des Handelsministeriums und kommerzieller Interessen in der chinesischen Entwicklungszusammenarbeit ist damit zu erwarten.

Diese Annahme scheint umso naheliegender aufgrund der chinesischen Belt and Road Initiative, bei der China massive Infrastrukturinvestitionen in zahlreichen Entwicklungsländern vornimmt. Auch die Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (­AIIB) und die Schaffung finanzstarker neuer Fonds, wie dem Hilfsfonds für Süd-Süd-­Kooperation, zeigt Chinas aufstrebende Rolle als Geber in diesem Kontext. Insbesondere die hohen angekündigten Investitionsvolumen sind hier bemerkenswert. So soll sich das Investitionsvolumen des Hilfsfonds bis 2030 beispielsweise auf zwölf Milliarden US-Dollar belaufen, um Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Ein weiterer Fonds, der China-­Süd-Süd-Klimakooperationsfonds, soll mit 3,1 Milliarden US-Dollar Entwicklungsländer bei der Bekämpfung des Klimawandels unterstützen. Der Fonds unterstützt unter anderem die Umsetzung des als „10-100-1000-Initiative“ bekanntgewordenen chinesischen Leuchtturmprojekts, in dessen Rahmen China im globalen Süden zehn Demonstrationsprojekte für emissionsarmes Wachstum, 100 Klimaschutz- und Klimaanpassungsprogramme, und Klima-Trainings für 1.000 Personen aus dem globalen Süden durchführen möchte. Während für China Industrienationen durch ihre vergangenen Emissionen in der Verantwortung stehen, Entwicklungsstaaten bei der Bekämpfung und der Adaption an den Klimawandel zu unterstützen, sieht es seine eigene Hilfe in diesem Bereich als freiwillig und ergänzend zu diesen Anstrengungen.

Kritisch beäugt werden die Geberaktivitäten Chinas indes nicht nur im Westen. Auch intern regt sich Kritik an den hohen Summen, die China für Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern bereitstellt, während im eigenen Land weiterhin Personen in Armut leben und Entwicklungsrückstände in zahlreichen Regionen bestehen. Diese interne Kritik zeigt erneut den Spagat zwischen dem chinesischen Narrativ eines Entwicklungslandes und der Rolle des Landes als globale Macht und wichtigem Geber im Bereich Entwicklungszusammenarbeit auf.

Fazit: Balanceakt zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Während Chinas Aufstieg zu einer globalen Wirtschaftsmacht von der Führung in Peking symbolträchtig und mit viel Pathos zelebriert wird, um nach innen wie nach außen Zustimmung zum Chinese Model of Development zu erzeugen, zeigt man sich in der Frage des eigenen Entwicklungsstatus zumeist unbeeindruckt von kritischen Stimmen aus der internationalen Gemeinschaft. Gleichzeitig ist eine globale Zusammenarbeit mit China in vielen Bereichen unabdingbar geworden. Immer deutlicher nimmt China in internationalen Organisationen Schlüsselpositionen ein, über die die Zustimmung zu eigenen Standpunkten aktiv gesucht wird – im Kreis der Entwicklungsländer wie auch der Industriestaaten. China ist hier zu einem klaren Pragmatismus übergegangen. Damit folgt man einer Vorgehensweise, die den klassischen Strategien der Industrieländer entspricht und der Erkenntnis folgt, dass eine aktive Gestaltung der globalen Spielregeln immer nur durch das Erringen von Mehrheiten gelingen kann. In diesem Zusammenhang spielt das chinesische Narrativ, ein Entwicklungsland zu sein (gerade in Zeiten, in denen Chinas geostrategische Ambitionen unter den Industrieländern, aber zunehmend auch in den Gesellschaften der Nachbarländer auf breite Skepsis stoßen) eine wichtige Rolle, um Partnerländern zu signalisieren, dass man sich nach wie vor im gleichen Boot wähnt.

Daneben wird anhand internationaler Organisationen wie der ­WTO deutlich, dass China gerade in der Handelspolitik vom Status als Entwicklungsland profitiert. Obwohl China zum wichtigsten Markt in vielen Wirtschaftssegmenten geworden ist, und damit integraler Bestandteil des globalen Handelssystems, folgen Zugang und Rahmenbedingungen des chinesischen Marktes nur begrenzt den Regeln der Welthandelsorganisation. Aufgrund der spürbaren Konsequenzen des Handelskonfliktes und der drohenden Blockade der ­WTO steht China hier unter Zugzwang, konkrete Reformschritte vorzunehmen.

Das Narrativ Chinas vom „größten Entwicklungsland der Welt“ steht im Zuge des wachsenden globalen Engagements Chinas also vermehrt unter Druck. Im Bereich der Entwicklungs­zusammenarbeit wird China bereits nicht mehr als klassischer Empfänger, sondern zunehmend als notwendiger Partner zur Erreichung nachhaltiger Entwicklung wahrgenommen. Hinsichtlich Chinas Geberaktivitäten im Rahmen der beschworenen Süd-Süd-Kooperation wird indes das chinesische Narrativ des gleichberechtigten Partners der restlichen Entwicklungsländer – und insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, ­LDCs) – zunehmend unglaubwürdig. Hierzu ist die chinesische Entwicklung in den vergangenen 40 Jahren zu stetig dem Weg der Modernisierungstheorie gefolgt und das Land hat die strukturellen Probleme klassischer Entwicklungsländer im Großen und Ganzen hinter sich gelassen.

Nichtsdestotrotz ist zu erwarten, dass China als Geber im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle einnehmen wird. Während zwar Schritte hin zu einer Professionalisierung und damit potenziell auch erhöhter Transparenz angestoßen wurden, ist eine Angleichung an ­OECD-Standards nicht zu erwarten.

Wie in den letzten Monaten und Jahren deutlich wurde, ist China bereit, seinen Status als Entwicklungsland und damit verbundene Vorteile auch gegen starke internationale Widerstände entschieden zu verteidigen. Gleichzeitig erkennt die chinesische Regierung jedoch auch die Vorteile, die das Land aus seiner Mitgliedschaft in multilateralen Foren zieht und zeigt in einigen Bereichen eine gewisse – wenn auch limitierte – Reformbereitschaft, wenn dies für den Erhalt der jeweiligen Foren und Verhandlungen notwendig scheint. Als starker Wirtschaftsakteur und potenter Geber ist China zu einer globalen Gestaltungsmacht aufgestiegen und besitzt zunehmendem Einfluss auf die Regelsetzung multilateraler Foren und das Zustandekommen von Abkommen und Verträgen.

Um in diesem Prozess als Deutschland und Europa unsere Interessen und Werte angemessen zu vertreten, bleibt es essentiell, die widersprüchlichen Signale aus China besser einordnen zu können, die sich anhand des chinesischen Strebens nach politischer und wirtschaftlicher Stabilität einerseits und der Skepsis Chinas gegenüber dem bestehenden globalen Ordnungsrahmen andererseits ergeben. Wichtig ist, dass gerade im Hinblick auf die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen, Europa die Bedürfnisse von Ländern in Asien, Lateinamerika und Afrika im Blick behält, um hier konkrete Anreize für Vertrauen und Kooperationen zu schaffen. Damit können letzten Endes auch China Wege aufgezeigt werden, die nicht auf Basis von miteinander konkurrierenden Entwicklungsmodellen beruhen, sondern vielmehr den großen gemeinsamen Nenner und gemeinsame Verantwortlichkeiten in globalen Herausforderungen wie dem Handel, dem Klimaschutz und der Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen.

 


 

Veronika Ertl ist Referentin für Entwicklungspolitik im Team Agenda 2030 der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

David Merkle ist Länderreferent für China im Team Asien und Pazifik der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

 


 

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Sebastian Enskat

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Leiter des Multilateralen Dialogs Wien

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