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Klimawandel und öffentliche Gesundheit

von Dr. Peter Hefele, Louisa Gaus
Die Welt verändert sich – beunruhigend schnell und weitgehend durch Menschen verursacht. Die Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute deutlich spürbar und Naturkatastrophen sind fast schon an der Tagesordnung. Der Klimawandel hat massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Dementsprechend gilt es nicht nur, die Treibhausgase zu reduzieren, sondern auch, sich auf die wetter- und klimawandelbedingten Konsequenzen einzustellen und sich an diese anzupassen. Eine klimaresiliente Gesundheitspolitik wird nötig.

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„Zahl der Hitzetoten nimmt zu“– „Tropische Tigermücke rückt nach Norden vor“

Bei der Diskussion um den Klimawandel geht es nicht mehr nur um die Vermeidung von klimaschädlichen Treibhausgasen und den nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaften in einem post-fossilen Zeitalter. Wie die Schlagzeilen in der deutschen Presse im Rekordhitzesommer 2018 zeigen, muss sich auch die deutsche Gesellschaft auf wetter- und klimawandelbedingte Konsequenzen einstellen, die bislang allenfalls zu den unangenehmen Folgen von Fernreisen oder Katastrophenberichten aus den Entwicklungsländern gehörten.

Global gesehen ist die Diskussion über die massiven Veränderungen von Ökosystemen durch den Klimawandel nicht neu. Dass das bisherige wirtschaftliche Entwicklungsmodell seit der Indus­trialisierung zu einer immensen Verschmutzung der Luft, der Meere und der Umwelt führt, ist unstrittig. Dass dieses Produktions- und Konsummodell nicht nachhaltig ist und langfristig zu einem massiven Verlust biologischer Vielfalt und einer rapiden Erwärmung der Erdatmosphäre führt, wird kaum mehr in Frage gestellt. Zwar sind die Folgen einer Veränderung des Klimas aufgrund der komplexen Zusammenhänge zwischen und für die Ökosysteme der Erde schwer einzuschätzen. Dennoch sind schon heute massive Auswirkungen spürbar. Die Zunahme von Naturkatastrophen, Hitzewellen und unregelmäßigen Niederschlägen in verschiedensten Teilen der Welt lassen sich bereits heute unbestreitbar den Folgen klimatischer Veränderungen zuordnen. Während die beschlossenen Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase (Mitigation) immer noch unzureichend sind, müssen sich Gesellschaften weltweit zugleich an die massiven Herausforderungen des Klimawandels anpassen (Adaptation). Dazu gehört auch, die Widerstandsfähigkeit öffentlicher Infrastrukturen zu stärken.

Die folgende Übersicht möchte deshalb das Bewusstsein gerade auch in Deutschland schärfen, dass kritische Infrastrukturen– und dazu gehört unser Gesundheitssystem– auf die bereits heute erkennbaren Belastungen durch die Folgen des Klimawandels einzurichten sind. Eine vorausschauende und rational abwägende öffentliche Diskussion ist auch hierzulande dringend geboten– gerade weil Deutschland nach allen bekannten Szenarien zu den Weltregionen gehört, die in den nächsten Jahrzehnten (noch) am wenigsten von den direkten Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Wohl aber kann sich unser Land den indirekten Folgen, aber auch den globalen Verantwortlichkeiten nicht entziehen.

Die nachfolgende Analyse orientiert sich am internationalen Konzept von „public health“, weil dieser Ansatz umfangreicher als der deutsche Begriff „öffentliches Gesundheitswesen“ ist und das Gesundheitssystem stärker in seinen Bezügen zur gesamten Gesellschaft darstellt. Ferner stehen mittel- und langfristige klimatische Veränderungen im Mittelpunkt; kurzfristige Wetterphänomene bleiben außer Betracht. Und noch eine Vorbemerkung gilt es zu machen: Anpassungen an den Klimawandel haben die biologische und kulturelle Evolution des Homo sapiens maßgeblich vorangetrieben, insbesondere der Wechsel von Warm- und Kaltzeiten. Diese weitgehend natürlichen Veränderungsprozesse werden jedoch seit der industriellen Revolution durch vom Menschen verursachte Emissionen von fossilen Treibhausgasen immer stärker und in rasantem Tempo überformt (Zeitalter des Anthropozän). Die stetig steigende Konzentration solcher Gase verstärkt den natürlichen Treibhauseffekt der unteren und mittleren Erdatmosphäre. Schon ein minimales Ansteigen der globalen Durchschnittstemperatur kann erhebliche, jedoch regional sehr unterschied­liche Effekte auf die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse haben– und dies setzt dann eine ganze Kaskade von Veränderungen in den Ökosystemen, aber auch den gesellschaftlichen Systemen in Gang. Um die Folgen für eine dieser Kaskadenstufen, das Gesundheitssystem, soll es nachfolgend gehen.

Gerade die Regionen, die schon heute regelmäßig von wetterbedingten und geologischen Katastrophen heimgesucht werden, können dem wenig entgegensetzen.

Die Zusammenhänge zwischen globalem und regionalem Klimawandel, der Veränderung von Ökosystemen und deren direkten wie indirekten Auswirkungen auf die „öffentliche Gesundheit“ sind keineswegs eindeutig. Ob eine Veränderung des Klimas beispielsweise ein erhöhtes Vorkommen einer Krankheit zur Folge hat, ist meist eine sehr komplexe Fragestellung. Eine einfache Zuordnung im Sinne von Ursache und Wirkung ist, wie bei vielen klimabedingten Phänomenen (z. B. auch bei der Migration), bislang theoretisch und empirisch nicht sicher zu belegen (sog. Zuordnungs- / Attributionsproblematik). Das macht es auch schwer, zuverlässige Prognosen über die jeweiligen Effekte zu erstellen und Politik und Gesellschaft für präventive Maßnahmen zu mobilisieren. Im Folgenden werden zunächst globale Erkenntnisse wiedergegeben; im letzten Teil steht dann erneut die Situation in Deutschland im Blickpunkt.

Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit

Die Auswirkungen von kurzfristigen, wetterbedingten Veränderungen auf die individuelle menschliche Gesundheit sind vergleichsweise gut erforscht. Erhebliche Erkenntnislücken bestehen jedoch bei mittel- und langfristigen Effekten auf die physische, psychische und auch soziale Gesundheit des Menschen– ein Phänomen, das wir im Bereich der Klimaforschung unter dem Begriff slow onset auch für andere negative Effekte des Klimawandels kennen. Ferner muss zwischen direkten und indirekten Einflüssen des Klimas auf die Gesundheit unterschieden werden:

  • Direkte Auswirkungen auf den menschlichen Körper, aber auch auf soziale Verbände, werden durch extreme Temperaturen, wie Hitze­wellen und Kaltfronten, oder auch durch Extremwetterlagen, wie Hagel, Stürme, Stark­niederschlag, Hochwasser und Erdrutsche, ausgelöst.
  • Indirekte gesundheitliche Einflüsse treten mittel- und langfristig aufgrund von nachteilig veränderten Umweltbedingungen als Folge einer Veränderung des Klimas auf. Das reicht von erhöhten Anteilen an biologischen Allergenen und Pathogenen, einer höheren Inzidenz von vektoren- oder wasserübertragbaren Krankheiten bis zur systematischen Beeinträchtigung des Trinkwassers, der Luftqualität und von Nahrungsquellen.

Im Folgenden sollen fünf Effekte herausgegriffen werden, die wesentliche Ursachen für eine weltweit steigende Belastung der öffentlichen (und auch privaten) Gesundheitssysteme darstellen. Wie stark sich diese vor Ort auswirken, hängt wesentlich von lokalen Umweltbedingungen und sozialökonomischen Umständen ab. So haben gerade die Regionen, die schon heute regelmäßig von wetterbedingten und geologischen Katas­trophen heimgesucht werden, nur eine schwache Infrastruktur (etwa keinen direkten Zugang zu Krankenhäusern oder fehlende Transportwege), so dass sich die Probleme im dortigen Gesundheitswesen noch weiter verstärken werden. Auch Küstenregionen sind durch Stürme und den steigenden Meeresspiegel besonders gefährdet, ebenso wie urbane Zentren mit ihrer hohen Bevölkerungsdichte. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Schnittstellen zwischen gesundheitlicher Versorgung und anderen Bereichen der Daseinsvorsorge (Wasser, Energie, Nahrungsmittel) bei der Formulierung entsprechender Politiken zu berücksichtigen. Diese sind wiederum eingebettet in umgreifende globale Entwicklungen wie die Globalisierung, den demografischen Wandel, Migration und soziale Mobilität.

Abbildung 1 versucht die komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen den Antriebskräften des Klimawandels, die Konsequenzen dieses Wandels und die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Menschheit abzubilden. Doch es besteht weiterer Forschungsbedarf, insbesondere in den Bereichen der regionalen Veränderung der Wetterlage, gesundheitlichen Anpassungsmaßnahmen und den vielfältigen Effekten auf die menschliche Gesundheit. Lokale / regionale Wetterveränderungen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit sind der Punkt, an dem Anpassungsmaßnahmen am meisten Sinn ergeben und am effektivsten wirken. Bei der Mitigation stehen die Verlangsamung, die Verminderung oder sogar die Rücknahme des Klimawandels im Mittelpunkt, was nur durch eine drastische Reduzierung von Treibhausgasemissionen gelingen kann.

Abb. 1: Wirkungszusammenhänge

https://www.kas.de/documents/259121/6470405/grafik_hefele_2_2019_DE.png/6b6d2203-42e1-ee71-8af0-464ba7297d5f?t=1561557582480

Quelle: Eigene Darstellung nach WHO/UNEP 2018.


Steigende Durchschnittstemperaturen

Der menschliche Organismus muss sich fortwährend mit den klimatischen Schwankungen seiner Umgebung auseinandersetzen. Mit Anpassungsreaktionen, wie zum Beispiel Schwitzen oder Zittern, reagiert der Körper auf diese äußeren Reize. Extreme Veränderungen setzen den Körper unter Stress. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen klimatischen Bedingungen sowie der menschlichen Gesundheit und dem Wohlbefinden. Studien zufolge erhöht eine signifikante Abweichung der optimalen Temperatur für eine Bevölkerung, ganz gleich ob es sich um eine Zu- oder Abnahme handelt, die Sterberate. Dabei handelt es sich vor allem um Herz-/Kreislaufprobleme, insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen. Dies konnte in den letzten Jahren schon in Europa beobachtet werden. Noch wesentlich gravierender dürfte es sich aber z. B. in der ­MENA-Region (Nahost und Nordafrika) auswirken, wo mit sommerlichen Temperaturen von über 50 Grad Celsius gerechnet werden muss.

Erhöhte Temperaturen führen aber auch zu intensiveren und längeren Blütezeiten von Pflanzen und ausgedehnteren Flugzeiten von biologischen Allergenen, wie zum Beispiel Pollen, was zu einem erhöhten Auftreten von Allergien beitragen wird.

Besonders bedrohlich ist die steigende Übertra- gungsrate von vektor-, wasser- oder lebensmittel­- übertragbaren Krankheiten, die vor allem bei länger anhaltenden wärmeren Temperaturen auftreten. Dies stellt für Entwicklungsländer die größte Bedrohung dar und dort insbesondere auch für Kinder. Krankheiten, die bislang eher in (sub-)tropischen Regionen verbreitet sind (z. B. Malaria oder Dengue-Fieber), werden ihre geografische Ausbreitung und Saisonalität verändern. Durch die Intensivierung und Verlängerung der warmen Perioden treten diese Krankheiten dann auch in bis dahin unüblichen Gegenden auf. Solche Krankheiten, die durch Vektoren (Stechmücken, Zecken etc.) übertragen werden, stellen zunehmend (oder auch wieder) für den mediterranen, ja sogar mitteleuropäischen Bereich eine Gefahr dar.

Die indirekten Auswirkungen von vermehrten Hitze- und Trockenperioden bestehen in einer geringeren landwirtschaftlichen Produktivität und Wasserknappheit. Dies beeinträchtigt die lokale Ernährungssituation und führt häufig zu ressourcenbedingten Konflikten sowie einer Destabilisierung lokaler sozialer Systeme.

Naturkatastrophen

Extreme wetterbedingte und geologische Naturvorkommnisse, wie tropische Zyklone, Überflutungen, Starkregen, Erdrutsche, Tornados, Hagel und Hurrikane, führen unmittelbar zu massenfachen Verletzungen oder Tod. Gravierender ist aber die regelmäßige und systematische Zerstörung lokaler Infrastrukturen, wie etwa der Zugang zu sauberem Trinkwasser, Lebensmitteln, Elektrizität, medizinischen Einrichtungen und Schutzunterkünften. Dadurch erhöht sich die Infektionsrate von wasser-, vektoren- und lebensmittelübertragbaren Krankheiten, während sich der Zugang zu medizinischer Versorgung zugleich massiv verschlechtert.

Neben Lebensmittel- und Wasserknappheit leiden viele Menschen, die eine Naturkatastrophe überlebt haben, an Angstzuständen und psychologischen Symptomen (z. B. Traumata). Diese gesundheitlichen Konsequenzen werden häufig jedoch im Rahmen von akuter Katastrophenhilfe nicht adressiert. Doch kann die angemessene Behandlung solcher Folgeerkrankungen maßgeblich für die langfristige Widerstandsfähigkeit einer Bevölkerung sein.

Anstieg des Meeresspiegels

Als typisches slow onset-Phänomen kann der Anstieg des Meeresspiegels angesehen werden, der schon heute für dichtbesiedelte Küstenregionen und Inselstaaten gerade in Asien und im Pazifik fatal ist. Die küstennahe Infrastruktur wird nur unter größten Anstrengungen zu halten sein und für hunderte Millionen von Menschen schwindet systematisch die Lebensgrundlage, etwa durch das Eindringen von Salzwasser in Trinkwasserspeicher und fruchtbare Ackerböden. Dies führt zu einer multiplen Ressourcenknappheit, was Unterernährung, Krankheiten (z. B. Arsenvergiftungen) und Wasserknappheit auslösen kann.

Luftverschmutzung

Durch die Ansammlung von Treibhausgasen, insbesondere Stickoxiden, in der unteren und mittleren Atmosphäre leidet die Luftqualität, vor allem in stark besiedelten Regionen. Die vermehrte Menge an Allergenen und Pathogenen in der Luft und die Verschmutzung durch Industrie- und Autoabgase haben einen signifikanten Einfluss auf die Gesundheit der Menschen in der Umgebung. Durch die Akkumulation derartiger Schadstoffe nimmt die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen und Allergien zu. Ferner führen wärmere Temperaturen etwa zu einer bodennahen Bildung von gasförmigem Ozon. Eine erhöhte Konzentration von Ozon in der Luft hat wiederum erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen.

Aufgrund dieser vorgenannten Belastungssyndrome prognostizierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2018 pro Jahr 250.000 zusätzliche direkte Todesfälle aufgrund des Klimawandels für den Zeitraum zwischen 2030 und 2050. Konkret wären dies 38.000 Todesfälle wegen Hitze bei älteren Menschen, 48.000 wegen Diarrhö, 60.000 wegen Malaria und 95.000 aufgrund von Unterernährung bei Kindern. Bezieht man indirekte Folgen mit ein, so dürften die Zahlen deutlich höher sein.

Konsequenzen

Anpassung und Resilienz der öffentlichen Gesundheitssysteme

Vor dem Hintergrund dieses Belastungssyndroms stehen die Gesundheitssysteme weltweit vor der Aufgabe, sich auf die sich abzeichnenden Risiken für die menschliche Gesundheit besser einzustellen. Hier handelt es sich um einen wichtigen Teil des breiten klimapolitischen Feldes der Anpassung (Adaption). Organisatorische und finanzielle Strukturen staatlicher und privater Gesundheitssysteme müssen vor dem Hintergrund absehbar erhöhter Belastungen in Richtung einer steigendenden Resilienz umgebaut werden. Doch kann diese Herausforderung nicht alleinige Aufgabe des Gesundheitssystems sein. Planungsprozesse im Bereich von Stadtentwicklung, good governance oder die Reorganisation globaler Wertschöpfungsketten spielen oft eine ebenso bedeutsame Rolle.

In der bisherigen Entwicklungspolitik stand meist der Aufbau von Infrastrukturen öffentlicher Gesundheit im Mittelpunkt. Mittlerweile hat man aber erkannt, dass anstatt der Symptome eher die zugrunde liegenden Faktoren (Stressoren) bekämpft werden müssen, die zu einer höheren gesundheitlichen Verwundbarkeit von Gesellschaften führen. Dies gilt exemplarisch auch für die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. Denn dieser zusätzliche Stressor trifft meist auf Gesundheitssysteme, die bereits heute an vielen Orten und aus vielfältigen anderen Gründen ihren Aufgaben nicht ausreichend gerecht werden (können): ein mangelndes Ineinandergreifen verschiedener Schritte der medizinischen Versorgung (Disruption), der Mangel an allgemeiner gesundheitlicher Bildung, das Fehlen von sozialen Unterstützungssystemen oder fehlende Geschlechtergleichheit. Wirksame Prävention und Kuration setzen ein hohes Maß an Wissen um spezifische lokale Bedingungen voraus und müssen im Kontext weiterer entwicklungspolitischer Maßnahmen gesehen werden.

In der Entwicklungspolitik müssen statt der Symptome eher die zugrunde liegenden Faktoren bekämpft werden.

Dabei stellt die rapide fortschreitende Verstädterung weltweit einen entscheidenden Faktor dar. Die Konsequenzen einer hohen Siedlungsdichte in urbanen Räumen, gerade der Entwicklungsländer, begünstigen schon heute eine Reihe negativer gesundheitspolitischer Effekte, die sich im Zuge des Klimawandels noch verschärfen werden. Dies beginnt bei der Entstehung von Hitzeinseln, die durch eine fehlerhafte und energetisch ineffiziente Bauweise und Siedlungsplanung hervorgerufen werden. Es setzt sich bei der Anlage von Siedlungen fort, die oft in Fluss- und Küstengebieten liegen und von Klimawandel­phänomenen wie Überschwemmungen und steigendem Meeresspiegel betroffen sind. Und es endet beim Aufbau leistungsfähiger Trinkwasser- und Abwasser-, aber auch Kommunikationssysteme, die maßgeblich zur Vermeidung und Bekämpfung von Epidemien beitragen.

Klimamigration

Schwache oder fehlende Staatlichkeit gehört weltweit zu den wichtigsten Faktoren für eine unzureichende Gesundheitsversorgung. Die Stärkung funktionsfähiger staatlicher Strukturen ist entscheidend, um angemessen auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels reagieren zu können. Fatalerweise erhöht gerade letztere die Fragilität von Staaten und Gesellschaften. Wasser- und Lebensmittel­knappheit sowie weitere natürliche Ressourcen schaffen schon heute die Grundlagen für innerstaatliche und grenzüberschreitende Konflikte. Wenn die ohnehin knappen Ressourcen durch Wetterextreme oder Naturkatastrophen noch weiter beeinträchtigt oder zerstört werden, verstärkt dies wiederum die regionale und weltweite Migration und gefährdet damit die Stabilität der aufnehmenden Gesellschaften. Internationale Regelungen für die Unterstützung von Klimamigranten müssen deshalb priorisiert werden. Dies hätte unmittelbare positive Effekte auf den Gesundheitszustand (sowohl physischer wie psychosozialer Art) der Betroffenen als auch auf die Funktionsfähigkeit lokaler Gesundheitssysteme.

Ansätze für eine klimaresiliente Gesundheitspolitik

Globale Ansätze

Wie erwähnt, sollten im besten Fall Vermeidungs- und Anpassungsstrategien für den Klimawandel Hand in Hand gehen– dies gilt auch mit Blick auf den Gesundheitssektor. Gleichwohl liegt heute der Schwerpunkt in Politik und internationaler Gesundheitsforschung eher auf der Anpassung. Gründe hierfür sind die kürzeren Zeithorizonte, fehlendes Wissen um die komplexen Wirkungszusammenhänge und der Mangel an internationaler Koordination, was häufig zu (eigentlich) ineffizienten lokalen / nationalen Maßnahmen führt.

Die WHO hat 2015 erstmals einen umfassenden Plan gegen Klimaveränderungen und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken vorgestellt. Der Fokus der ­WHO liegt auf der Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Auseinandersetzung von Gesundheitsrisiken aufgrund des Klimawandels, damit Resilienz, Kapazitäten und Selbstkompetenz der Gesundheitssysteme vor Ort gestärkt und ausgebaut werden, um neuen Belastungen standzuhalten. Die ­WHO definiert vier Handlungsfelder, die das Bewusstsein der globalen Öffentlichkeit steigern und effektivere Maßnahmen fördern sollen:

1. Aufbau von Partnerschaften

Schon auf internationaler Ebene ist die Zuständigkeit für den Bereich public health zersplittert. Deshalb soll eine Plattform für eine bessere Koordination der verschiedenen Organe der Vereinten Nationen geschaffen werden, um Synergieeffekte zu stärken und dem Thema Gesundheit einen höheren Stellenwert auch in der internationalen Klima­diplomatie einzuräumen.

2. Bewusstseinsbildung

Trotz der existenziellen Bedeutung fehlt in vielen Ländern ein systematischer und präventiver Diskurs über die Auswirkungen der absehbaren Klimaveränderungen. Globale und nationale Insti­tutionen sollten verstärkt in die Aufklärung der Bevölkerung, aber auch der politischen, administrativen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger investieren.

3. Stärkung der wissenschaftlichen Forschung

Wie eingangs dargestellt, sind die Zusammenhänge zwischen den vielfältigen Phänomenen des Klimawandels und deren direkten und indirekten Auswirkungen auf die Globale Gesundheit noch häufig unklar. Deshalb schlägt die ­WHO die koordinierte Entwicklung einer globalen Agenda sowie ein systematisches Monitoring der Veränderungen vor. Dessen ungeachtet sind die Länder angehalten, jeweils lokal geeignete Anpassungs­strategien zu entwickeln.

4. Unterstützung der Reaktionsfähigkeit des Gesundheitswesens auf die Klimaveränderung

Kern und Priorität nationaler Gesundheits­politiken sollte es sein, die Kapazitäten lokaler Gesundheitssysteme durch (Weiter-)Bildung, technische Beratung, Bereitstellung technischer und finanzieller Unterstützung sowie die Entwicklung von Best Practice-Prozessen zu steigern. Hierzu können auch eine freiwillige Berichterstattung über die lokalen Herausforderungen und Fortschritte in den einzelnen Ländern zählen.

Europäische Zusammenarbeit

Die erste Europakonferenz über Umwelt und Gesundheit wurde bereits 1989 von der ­WHO initiiert. Dort wurde festgelegt, dass jedes Mitgliedsland der Europäischen Union einen nationalen Aktionsplan für Umwelt und Gesundheit erarbeitet. In Deutschland wird dieser von dem Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit, kurz ­APUG, repräsentiert – einer Kooperation zwischen Ministerien und Bundesbehörden, die Erforschung und Aufklärung über Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz, mit Schwerpunkt auf Kindern und Jugendlichen, fördert. Die spezifischen Handlungsfelder reichen von der Verbesserung der Kommunikation bei Gesundheitsrisiken zu europaweiten Handlungsansätzen. Die Förderung einer umwelt-, klima- und gesundheitsbewussten Lebensweise der lokalen Bevölkerung steht ebenfalls im Mittelpunkt.

Die Situation in Deutschland

Wie sieht es vor diesem Hintergrund nun in der Bundesrepublik Deutschland aus? Schon 2008 hat das Robert-Koch-Institut (­RKI) Hitzewellen, Überschwemmungen, das erhöhte Vorkommen von Allergenen und vektorvermittelten Krankheiten als besonders gefährliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit in Deutschland definiert. Dies muss in Deutschland auch vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen und mit Blick auf die Rolle des Landes als zentraler Knoten im internationalen Wirtschaftsaustausch gesehen werden. Gerade eine weitere globale Verflechtung, aber eben auch ein wachsender Anteil älterer Menschen stellen spezifische Faktoren dar, die klimabedingte Auswirkungen auf das Gesundheitssystem verstärken können.

Das ­RKI arbeitet in diesem Zusammenhang eng mit dem Umweltbundesamt zusammen, wenn es um präventive und akute Maßnahmen gegen Gesundheitsrisiken aufgrund einer Klimaveränderung in Deutschland geht. Dabei stehen die Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Klimawandel, wie auch Warnhinweise und konkrete Hinweise für vorbeugende Maßnahmen im Mittelpunkt. Im Rahmen eines nationalen Aktionsplanes für Deutschland haben beide Institutionen folgende Handlungsfelder identifiziert:

1. Aufbau eines Gesundheits- und Umweltmonitoringsystems

Ziel ist es, das Gesundheits- und Umweltmonitoring in einem einheitlichen System zusammenzuführen. Dies ist insbesondere relevant für das verstärkte Auftreten vektorvermittelter Krankheitserreger und die Zunahme pflanzlicher Allergene, etwa bei invasiven Pflanzen und veränderten Wachstumszyklen.

2. Prävention und Risikokommunikation

Wie die Auswirkungen der Hitzewellen in Europa mit Tausenden von Toten in den letzten Jahren gezeigt haben, besteht erheblicher Bedarf an einer besseren Koordination von meteorologischen und klimatologischen Erkenntnissen sowie deren Umsetzung in konkrete public health-Maßnahmen. Dabei ist die gezielte Ansprache von besonders gefährdeten Gruppen wie Kindern und alten Menschen wichtig.

3. Gesundheitliche Versorgung

Um die gesundheitliche Versorgung während und nach Extremwetterlagen und bei klimabedingten Erkrankungen zu gewährleisten, müssen die bestehenden Versorgungsangebote den lokalen Bedingungen angepasst werden. In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass sich der Klimawandel in Deutschland regional sehr unterschiedlich auswirken wird. Darum werden die Anforderungen und Anpassungen der Gesundheitssysteme im regionalen Rahmen verschieden ausfallen müssen. Die stetige Durchführung von Evaluationen der bestehenden Maßnahmen ist wichtig, um optimale Bedingungen aufrechtzuerhalten.

4. Bildung über klimabedingte Gesundheits­risiken

Der Mangel an Bewusstsein über die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit ist größtenteils verantwortlich für eine höhere Verwundbarkeit der Gesellschaft. Aus diesem Grund muss eine umfassende Aufklärung über diese Zusammenhänge geschaffen werden, um die Widerstandsfähigkeit und Selbstkompetenz der Bevölkerung und der Gesundheitssysteme zu stärken.

 


Dr. Peter Hefele ist Leiter des Teams Asien und Pazifik der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 



Louisa Gaus war von ­März bis Mai 2019 Praktikantin im Regionalprojekt Energiesicherheit und Klimawandel Asien-Pazifik (­RECAP) der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Hongkong.

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