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Wenn das Licht ausgeht

Auswirkungen von Korruption auf die Elektrizitätsversorgung in Subsahara-Afrika

In Subsahara-Afrika hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu Elektrizität. Dies ist auch auf das endemische Ausmaß der Korruption zurückzuführen, deren Kosten Investitionen in den notwendigen Ausbau der Energieinfrastruktur verhindern. Der wichtigste Ansatz zur Korruptions­bekämpfung ist die Stärkung guter Regierungsführung und der Aufbau leistungsfähiger und rechenschaftspflichtiger staatlicher Institutionen, wie es in der Agenda 2030 unter Ziel 16 formuliert wurde.

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Einleitung

Weltweit wird Korruption als „das größte Hindernis für wirtschaftliche und soziale Entwicklung“ gesehen. Schätzungen zufolge ist der finanzielle Schaden, welcher den ärmsten Ländern durch Bestechlichkeit und unlautere Vorteilsannahme entsteht, zehnmal so hoch wie die Summe der gezahlten Entwicklungshilfe. Die Region Subsahara-Afrika belegt in der Statistik der korruptesten Länder weltweit mit trauriger Regelmäßigkeit den Spitzenplatz: Laut des aktuellen Korruptionsindex von Transparency International befinden sich zehn der weltweit 20 korruptesten Länder in Afrika südlich der Sahara. Diese Angaben decken sich mit den Ergebnissen ähnlicher Statistiken, wie z. B. einer weltweiten Unternehmerbefragung der Weltbank.

Es ist plausibel anzunehmen, dass in einem Land mit generell hoher systemisch bedingter Korruption der Energieversorgungssektor ebenfalls betroffen ist. Zudem fließen im Energiesektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren überdurchschnittlich häufig Korruptionsgelder und so ist es nicht verwunderlich, dass 23 Prozent der Bewohner Subsahara-Afrikas angeben, in den vergangenen zwölf Monaten Schmiergelder bezahlt zu haben, um sich ihren Zugang zu Versorgungsleistungen wie Elektrizität oder Wasser zu sichern. Neben Korruption auf dieser unteren Ebene fließen im Investitionssektor illegale Geldströme, die sich oft in Millionenhöhe bewegen. Egal, ob im großen Stil oder beim privaten Endverbraucher: Dass in Subsahara-Afrika noch immer viele Menschen keinen Zugang zu Elektrizität haben, ist auch auf das endemische Ausmaß der Korruption zurückzuführen, deren Kosten wichtige Investitionen in die notwendige Energieinfrastruktur verhindern. So haben laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur (­IEA) nach wie vor rund 590 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika, also rund 57 Prozent der Bevölkerung, keinen Zugang zu Elektrizität. Subsahara-Afrika weist damit im weltweiten Vergleich die größte Versorgungslücke auf. Die ­IEA geht davon aus, dass sich diese Kluft weiter vergrößern wird: Im Jahr 2030 werden rund 90 Prozent aller Menschen weltweit ohne Zugang zu Elektrizität in Afrika südlich der Sahara leben. Dies wirkt sich negativ auf den Gesundheits- und Bildungssektor sowie die Lebenserwartung der Menschen aus und erhöht somit die durch Korruption indirekt bedingten Kosten um ein Vielfaches. Ohne verlässliche und bezahlbare Energieversorgung bleibt das dringend benötigte wirtschaftliche Wachstum in Afrika südlich der Sahara eingeschränkt. Dieser Mangel an ökonomischen Perspektiven ist für eine überwältigende Mehrheit der Afrikaner wichtigster Beweggrund, ihr Heimatland zu verlassen.

Korruption im Elektrizitätssektor: Möglichkeiten der unlauteren Einflussnahme auf höchster Ebene

Korruption im Elektrizitätssektor kann auf höchster Regierungsebene stattfinden, wo z. B. Investitionen in die Energieinfrastruktur getätigt werden. Zunächst macht die schiere Größe dieser Investitionen den Energiesektor in Subsahara-Afrika anfällig für illegale Zahlungsflüsse. In der Regel sind Investitionen in die Elektrizitätsinfrastruktur Großprojekte in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro und die Ausschreibungsmodalitäten sind extrem komplex. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten zur Manipulation, in dem z. B. Arbeits- und Materialkosten oder der Aufwand für Instandhaltung zu hoch angesetzt werden und diese zusätzlichen Kosten in der Gesamtkalkulation nicht weiter auffallen.

Ob bei Planung oder Instandhaltung einige Millionen zu viel kalkuliert wurden, die dann in Form von Kick-backs an denjenigen zurückfließen, der den Auftrag genehmigt hat, kann nur schwer nachgewiesen werden. Zudem fehlt es in vielen Ländern Afrikas an unabhängigen Regulierungsbehörden und Fachwissen, um die oft hochkomplexen Ausschreibungen entsprechend zu begleiten oder den Wert von Großprojekten korrekt zu beziffern. Folglich kostet die Fertigstellung von Anlagen regelmäßig mehr als ursprünglich veranschlagt. Diese Mehrkosten können also Indikator dafür sein, dass im Projekt möglicherweise Korruptionszahlungen geleistet wurden.

So wurde beispielsweise im Juli 2019 der kenianische Finanzminister Henry Rotich ­verhaftet – die Anklage lautet Veruntreuung in mehr als zehn Fällen. Illegale Zahlungen sollen im Zusammenhang mit dem Bau eines Wasserkraftwerks geflossen sein, für welches das Finanzministerium eine Finanzierung von 607 Millionen US-Dollar veranschlagt hatte. Der genehmigte Auftragswert betrug jedoch lediglich 450 Millionen US-Dollar. Mehr als 200 Millionen US-Dollar sollen für das Projekt bereits gezahlt worden sein, allerdings existiert das Wasserkraftwerk bisher noch nicht.

Alltägliche Korruption und ­gesellschaftliche Akzeptanz korrupter Praktiken

Korruption findet jedoch nicht nur im großen Stil im Rahmen illegaler Zahlungen im Investitionsbereich oder bei der Vergabe von Verträgen statt, sondern auch auf unterster Ebene, im direkten Kontakt zwischen Techniker und Endverbraucher. Gegen Zahlung eines geringen Betrages an Mitarbeiter vor Ort werden Stromzähler und Rechnungen geschönt oder aber der Stromzähler direkt aus dem Verkehr genommen, sodass der Strom fortan gar nicht mehr bepreist wird. Über Korruption auf dieser unteren Ebene wird weniger berichtet, trotzdem richten auch kleine Beträge in ihrer Gesamtheit einen beachtlichen Schaden an. Sie entziehen dem Versorgungssystem Geld, welches an anderer Stelle für die Wartung und Instandhaltung der Netze und Kraftwerke fehlt. Während Experten den Verlust durch Korruption im Energieinvestitionssektor in Entwicklungsländern auf rund acht Milliarden US-Dollar jährlich schätzen, entgehen dem Sektor durch die Manipulation von Rechnungen oder die auf korrupte Praktiken zurückführbaren Stromdiebstähle rund 33 Milliarden US-Dollar. Diese Summe würde in vielen Fällen reichen, um Lücken in der Stromversorgung zu schließen und die ineffizienten Netze zu modernisieren.

Das Ausmaß dieser alltäglichen unlauteren Vorteilsnahme, die oft als Beschleunigungsgeld oder Bagatellzahlung verharmlost wird, zeigt eindrucksvoll, dass Korruption in Ländern südlich der Sahara in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. Daher lohnt sich auch die Betrachtung der sozialen und gesellschaftlichen Faktoren, die Korruption im Elektrizitätssektor begünstigen. Dies kann helfen zu verstehen, warum Korruption dort verbreitet ist, soll aber korrupte Praktiken in keiner Weise legitimieren oder rechtfertigen.

In vielen Ländern Subsahara-Afrikas verkaufen Regierungen die Realisierung von Infrastrukturprojekten als ihren Verdienst. Gleichzeitig fehlt es der Bevölkerung an Bewusstsein dafür, dass die Bereitstellung von Energieinfrastruktur eine Grundaufgabe des Staates ist. Die politisch Beteiligten schlagen somit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie verkaufen die Realisierung des Projektes als politischen Erfolg und bereichern sich persönlich.

Zudem unterscheiden viele Menschen nicht zwischen der Energieinfrastruktur und dem privaten Stromverbrauch, und viele Parteien spiegeln diese Wahrnehmung in politischen Kampagnen wider. Dies führt dazu, dass Elektrizität von vielen Menschen als ein öffentliches Gut wahrgenommen wird, was jedoch zu dem Verständnis beiträgt, hierfür nur sehr wenig, im besten Falle gar nichts bezahlen zu müssen.

Fehlende marktwirtschaftliche Regulierungsmechanismen begünstigen staatliche Monopole.

Ein anderer Erklärungsansatz für die gesellschaftlich weit verbreitete Korruption leitet sich ab aus der in vielen Ländern vorherrschenden staatlichen Monopolisierung des Elektrizitätssektors. Diese ist dafür verantwortlich, dass Elektrizität oft als staatliches Eigentum angesehen wird. Das Bild vieler Afrikaner von Staat und Regierung ist ein negatives, mehr als die Hälfte der Bevölkerung hält die politische Elite für korrupt. Wenn der Staat als ausbeuterisch und ungerecht wahrgenommen wird, dann dient die unlautere Vorteilsnahme, die in Stromdiebstählen resultiert, in den Augen vieler nur dazu, dass man sich nimmt, was einem ohnehin zusteht.

Und letztendlich ist auch das soziale Risiko, im Elektrizitätssektor zu korrumpieren, gering. Aufgrund der dargestellten Komplexität bei Investitionen und der fehlenden Kontrollmechanismen ist die Gefahr entdeckt zu werden gering, was wiederum einen Anreiz für illegales Handeln darstellen kann.

Die Beschaffenheit der afrikanischen Energieversorgung erleichtert Korruption

Im afrikanischen Kontext ist aufgrund der sehr hohen Bereitstellungskosten von Energieversorgungsnetzen oft nur der Staat in der Lage, diese Investitionen zu tätigen. Er übernimmt damit häufig die Rolle eines natürlichen Monopolisten. Gleichzeitig sind die Betriebskosten niedrig. Daher kann der natürliche Monopolist die gesamte Nachfrage günstiger anbieten als andere Anbieter, da sich parallele Einrichtungen von Versorgungsnetzen nicht rechnen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Staat seine Monopolstellung missbraucht und privaten Energieanbietern den Zugang zum Markt verwehrt, sofern keine geordneten Regulierungsmechanismen für den freien marktwirtschaftlichen Handel angewendet werden. Neben dem Energieversorgungsnetz gibt es nämlich noch zwei weitere, technisch voneinander getrennte Komponenten der Energieversorgung: die Stromerzeugung und den Stromverkauf, die auch für private Anbieter wirtschaftlich lukrativ sind. In vielen Ländern Subsahara-Afrikas werden diese drei Aktivitäten jedoch von vertikal integrierten, staatlichen Monopolen ausgeübt. Im Jahr 2014 waren in 21 von 48 Ländern Subsahara-­Afrikas alle drei Teile der Energieversorgung komplett in staatlicher Hand ohne jegliche Beteiligung von privaten Unternehmen. Diese Monopolstellung erleichtert unlautere Vorteils­annahme.

Gemessen am Gesamthaushalt stellen staatliche Elektrizitätsunternehmen in vielen Ländern Afrikas südlich der Sahara eine enorme Relevanz dar. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der Schaden, welcher dem Staat durch Korruption in diesen Versorgungsbetrieben entstehen kann, nicht nur die Versorgung des Landes beeinträchtigt, sondern erhebliche negative Auswirkungen auf das Staatsbudget haben kann.

Als Erfolgsindikator für das Politikziel „Energiesicherheit“ gelten in Subsahara-Afrika vor allem hohe Investitionsbeträge.

Aus dem Staatsbudget werden Investitionen in die Elektrizitätsinfrastruktur vorgenommen. In Ländern Subsahara-Afrikas, in denen die Elek­trifizierung niedrig ist, werden Investitionen sogar explizit erwartet. Energiesicherheit ist ein wichtiges Politikziel, allerdings werden die Höhe und der Nutzen von Investitionen in großen Teilen der Region nur selten in Frage gestellt, da es an Institutionen mangelt, die eine Rechenschaft über den Verbleib der Investitionen einfordern könnten. Dies bedeutet gleichzeitig, dass es keine funktionierenden Regulierungsbehörden oder Kontrollinstanzen gibt, die die ­Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von nachträglichen Kostenerhöhungen prüfen können. Auch können Mehrkosten bequem aus dem Staatshaushalt entnommen werden, sodass es zu keinem Finanzierungs­engpass kommt.

Zudem gilt die schiere Menge der getätigten Investitionen bereits als ein Erfolgsindikator, ohne dass nachgehalten werden muss, ob die Investition den Zugang der Bevölkerung zu Elektrizität oder die Qualität der Stromversorgung überhaupt verbessert hat. Diese unzureichende Erfolgsprüfung kann Korruption sogar noch verstärken, denn je mehr Geld ausgegeben wird, desto mehr kann der Eindruck entstehen, die Regierung kümmere sich um die Bedürfnisse der Bevölkerung. Die Monopolstellung des Staates macht es gleichzeitig für den Konsumenten extrem schwierig, sich aufgrund schlechter Versorgungsleistungen einen anderen Anbieter zu suchen.

Die Konsequenzen von Korruption im staatlichen Elektrizitätsmonopol lassen sich anschaulich am Beispiel des staatlichen südafrikanischen Stromversorgers Elektrisiteitsvoorsieningskommissie (Eskom) beobachten: Dieser ist für rund 90 Prozent der Energiezulieferung im Land verantwortlich und hat somit eine Monopolstellung inne. Im Frühjahr dieses Jahres litt das Land, immerhin Mitglied im Staatenbund der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, unter regelmäßig angekündigtem Stromausfall, dem load shedding. Grund hierfür war die Verzögerung bei der Inbetriebnahme zweier neuer Kraftwerke, die im Übrigen bereits vor der Fertigstellung schon doppelt so teuer waren wie ursprünglich geplant. Im Mittelpunkt der Eskom-Krise steht die Familie Gupta, welche sich die Refinanzierung der von ihr gebauten Kraftwerke durch die Regierung des African National Congress (­ANC) unter dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma mit sehr lukrativen Abnahmegarantien hat absichern lassen. Die Minen, in denen die überteuerte Kohle abgebaut wurde, gehören der einflussreichen Unternehmerfamilie gleich mit. Eskoms größter Ausgabenposten ist die Beschaffung von Primärenergie: Die Gupta-Kohle verdoppelte sich im Preis von umgerechnet zwölf US-Dollar pro Tonne im Jahr 2011 auf umgerechnet 26 US-Dollar im Jahr 2017. Gleichzeitig stiegen die Strompreise im Land, bei zunehmender Verschlechterung der Energieversorgung, um über 400 Prozent an. Über Jahre hinweg sicherte sich die Familie lukrative Verträge zur Abnahme der Kohle, die nie öffentlich ausgeschrieben wurden. Als unabhängige Forscher die Qualität des Produkts bemängelten, wurden sie von staatlicher Seite vom Dienst suspendiert. Dass die vereinbarte Menge an Kohle nicht an die Kraftwerke geliefert wurde, trug ebenfalls zu den erwähnten Versorgungsengpässen bei. Das Netz der Guptas, gemeinsam mit der Korruptionsbereitschaft von Mitgliedern der ­ANC-Regierung, ging so weit, dass Kontroll- und Aufsichtsgremien systematisch durch die Vergabe von Schüsselpositionen an korrupte Beamte ausgehöhlt wurden. Dies machte Korruption auf allerhöchster Ebene und allumfassend im staatlichen Betrieb Eskom möglich. State capture, übersetzt in etwa mit „Geiselnahme des Staates“, wird die Situation in Süd­afrika aktuell genannt.

Jüngst gab der Konzern bekannt, dass der Verlust für das Jahr 2018/2019 um 800 Prozent höher sei als der (angegebene) Verlust im letzten Jahr. Vor diesem Hintergrund ist Eskom, dessen Verschuldung etwa 15 Prozent des Staatshaushaltes entspricht, laut Ratingagenturen das größte Risiko für die südafrikanische Wirtschaft. Wie häufig üblich werden die Kosten dafür externalisiert: So hat Eskom jüngst eine Preiserhöhung für Strom in Höhe von 17 Prozent bei der staatlichen Regulierungsbehörde beantragt.

Privatisierung des Elektrizitätsmarktes in Subsahara-Afrika: Fluch oder Segen?

Knapp die Hälfte der Bevölkerung in den Ländern Afrikas südlich der Sahara hat keinen Zugang zu Elektrizität, in 13 Ländern leben sogar mehr als 75 Prozent der Menschen ohne Strom. Diese enorme Versorgungslücke kann nur mit privaten Investitionen geschlossen werden. In den letzten Jahren sind daher vermehrt unabhängige Stromanbieter (Independent Power Producers, ­IPPs) in den afrikanischen Markt vorgedrungen. ­IPPs sind private Betreiber von Kraftwerken, die die gewonnene Energie in das staatliche Energienetz einspeisen. Entweder sie verkaufen ihren Strom direkt an den Endverbraucher (hier erhält der Staat eine Gebühr für die Nutzung der staatlichen Stromleitungen) oder sie erhalten direkt vom Staat eine vorher festgelegte Einspeisevergütung. Die Rolle von ­IPPs für die Stromversorgung in afrikanischen Ländern ist von enormer Wichtigkeit, allerdings können Partnerschaften zwischen Staat und ­IPPs ohne die ­notwendigen Rahmenbedingungen verheerende Folgen haben. Ein Worst-Case-Szenario liefert das Beispiel Tansania, wie das Africa Research Institute eindrucksvoll darstellt:

Der in den 1990er Jahren veröffentlichte Energieplan der tansanischen Regierung sah vor, dass Erdgas künftig eine dominantere Rolle in der Energieversorgung des Landes spielen sollte, um die Abhängigkeit von unzuverlässiger Wasserkraft und kostenintensivem Dieselkraftstoff zu reduzieren. Als das Land 1994 von einer akuten Energiekrise betroffen war, erhielt die Regierung das Angebot des malaysischen Investors Mechmar, durch den Bau eines Kraftwerks kurzfristig Energie zu liefern – obwohl die Regierung den Bau eines Kraftwerks nicht ausgeschrieben hatte und dieses entgegen dem vereinbarten Energieplan mit importiertem Dieselkraftstoff betrieben werden sollte. Obgleich die Energiekrise ein Jahr später nicht mehr akut war, unterzeichnete die tansanische Regierung mit Mechmar ein 20-jähriges Abkommen: ein Power Purchase Agreement, welches staatlich garantierte Abnahmepreise vorsah. Bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Mechmar der staatlichen Vertriebsgesellschaft Tanzania Electric Supply Company (­TANESCO) ein ruinöses und unwirtschaftliches Abkommen abgerungen hatte, welches überteuerten Strom mit Hilfe von überteuert importiertem Kraftstoff herstellte. Zudem wurden in dem Kraftwerk kostengünstigere Generatoren eingesetzt als ursprünglich vereinbart, die wiederum nicht die zuvor vereinbarte Menge an Energie produzierten. Aufgrund zahlreicher Dispute ging das Kraftwerk, welches ursprünglich zeitnah Energie liefern sollte, erst mit sieben Jahren Verspätung ans Netz. Im Laufe der juristischen Ermittlungen, welche bis 2017 andauerten, kam ans Licht, dass Mechmar und seine lokalen Partner Widerstände in den Ministerien durch Zahlungen in Millionenhöhe bekämpft hatten. Im Jahr 2006 wiederholte sich das Drama ein zweites Mal: Es wurde ein intransparenter Ad-hoc-Vertrag zur Bekämpfung einer akuten Energiekrise geschlossen. Wieder verzögerte sich die Inbetriebnahme des Kraftwerks, welches überteuerten Strom gegen staatliche Garantien lieferte. Nur wenig später wurde bekannt, dass der private Investor keinerlei Erfahrung im Bereich der Stromerzeugung hatte und die erheblichen Verzögerungen bei der Fertigstellung aus der Unerfahrenheit des Betreibers resultierten. Die Konsequenzen für das Desaster wurden von der Bevölkerung Tansanias getragen, die jahrelang unter überhöhten Energiepreisen und Stromausfällen litt. Das Africa Research Institute beziffert allein den direkten Schaden des ­IPP-Desasters auf 1,5 Milliarden US-Dollar. ­TANESCO ist zudem chronisch von Insolvenz bedroht und benötigt regelmäßige Investitionsspritzen seitens der Regierung. Zu den indirekten Kosten zählen verpasste Wachstumsmöglichkeiten sowie vertane Chancen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung.

Die Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft zur Schließung von Versorgungs­lücken ist nicht einfach.

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll die weitreichenden und andauernden Folgen intransparenter und schlechter Planung im Bereich privater Beteiligung an der Energiestruktur. Ohne einen fairen und transparenten Wettbewerb ist eine genaue Projektplanung schwer, wenn nicht unmöglich, und das Unterfangen ist anfällig für Betriebsrisiken. Interne Kosten werden externalisiert, was im Elektrizitätssektor durch eine Erhöhung des Strompreises möglich ist. Auch dies ist ein Grund, warum Korruption in diesem Sektor weit verbreitet ist.

Tansania ist nicht das einzige Land, in dem ­IPPs direkt Abkommen mit Regierungen schließen. Es gibt in Subsahara-Afrika mehr ­IPP-Vereinbarungen, die durch unmittelbare Verhandlungen mit der Regierung abgeschlossen wurden, als durch faire Wettbewerbsverfahren zustande gekommen sind. In den meisten dieser Fälle treten Anbieter direkt an die Regierung heran, ohne dass es eine Ausschreibung gegeben hätte.

Folgen von Korruption im ­Elektrizitätssektor für Subsahara-Afrika

Die Folgen von Korruption für die Energieversorgung sind verheerend. Schätzungen zufolge beträgt der gesamte Schaden durch Korruption im Energiesektor in den Entwicklungsländern weltweit rund 41 Milliarden US-Dollar jährlich. Eine der direkten Folgen ist das Fehlen von Investitionen für die Instandhaltung der Netze, was wiederum einen Verlust von durchschnittlich 50 Prozent der gesamten Stromleistung in Subsahara-­Afrika bedeutet.

Je weniger Korruption herrscht, desto effizienter ist das Energienetz und desto geringer sind Verluste bei der Stromübertragung.

Es ist daher wenig erstaunlich, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Korruption und Effizienz im Elektrizitätssektor gibt: Je weniger Korruption im Land herrscht, desto effizienter ist das Energienetz und desto geringer sind Verluste bei der Stromübertragung. Zahlreiche Studien haben zudem den positiven Zusammenhang zwischen verlässlicher, bezahlbarer und stabiler Stromversorgung auf der einen und wirtschaft­lichem sowie sozialem Wachstum auf der anderen Seite nachgewiesen: Zugang zu Energie bedeutet nicht nur wirtschaftliche Chancen, sondern auch eine Reduzierung der Kindersterblichkeit, eine bessere medizinische Grundversorgung und einen besseren Zugang zu Bildung. Korruption hingegen bedeutet Verschwendung von Ressourcen und Ineffizienz. Korruption im Energiesektor ist zudem ein Geschäftsrisiko, welches viele private Anbieter von Investitionen abhält. Noch immer ist die Stromversorgung in Subsahara-­Afrika zu 80 Prozent in staatlicher Hand, in ­OECD-Ländern liegt die Staatsquote bei ca. 50 Prozent. Ohne private Investitionen im Energiesektor wird die flächendeckende Elektrifizierung in Afrika jedoch nicht gelingen, womit die Chance auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung vertan wird. Die Durchsetzung von Transparenz, einer unabhängigen Justiz und die Schaffung effizienter, effektiver staatlicher Institutionen und der verantwortungsvolle Umgang mit politischer Macht sind Kriterien, die eine gute Regierungsführung charakterisieren. Sie finden allerdings im Energiesektor in Ländern südlich der Sahara nur begrenzt Anwendung. Dabei könnte ihre Durchsetzung einen wirksamen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung leisten, den Sektor attraktiver für ausländische Investitionen machen und gleichzeitig dazu führen, dass Gewinne in die Instandsetzung sowie Verbesserung von Netzen und Leitungen investiert werden. Darüber hinaus müssen zur Korruptionsbekämpfung im Energiesektor Regulierungsinstrumente gestärkt werden. Dazu zählen konkret: Transparenz bei Ausschreibungen, unabhängige Prüfung von Angeboten, eindeutige Kriterien für die Auftragsvergabe sowie ein unabhängiges Monitoring der Projektimplementierung und eine genaue Ermittlung der Kosten von größeren Infrastrukturprojekten. Klare Vorschriften zur Korruptionsprävention müssen verabschiedet und deren Implementierung von unabhängigen Institutionen und Regulierungsbehörden kon­trolliert werden.

Mehr Demokratie für eine ­bessere Stromversorgung

Das Beispiel von Korruption im Elektrizitätssektor und dessen Auswirkungen in Subsahara-­Afrika zeigt, dass Korruption dort verbreitet ist, wo schwache Institutionen und schlechte Regierungsführung vorherrschen und wo es keine unabhängigen Kontrollmechanismen gibt, um Regierungshandeln effizient und effektiv zu kontrollieren. Hier hat der Staat häufig nicht nur ein Monopol in allen Bereichen der Energieversorgung, sondern auch in politischen Meinungsbildungsprozessen. Für Fehlverhalten und schlechte Versorgungsleistungen müssen die Regierungen bei politischen Wahlen somit keine Konsequenzen fürchten.

 

Abb. 1: Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) im Vergleich zum Demokratieindex 2018

https://www.kas.de/documents/259121/7681178/berretta_grafik_01_DE.svg/9f6f58d8-9f97-d8fe-9316-b78eeee9850a?t=1574850310872

Quelle: Eigene Darstellung nach Pring, Coralie / Vrushi, Jon 2019: Tackling the crisis of democracy, promoting rule of law and fighting corruption, Transparency International, 29.01.2019, in: https://bit.ly/33LDWib [13.11.2019].

 

Korruption und Ineffizienz im öffentlichen Sektor sind daher nicht Ursache für schlechte Energieversorgung, sondern Korruption und Ineffizienz sind Symptome schlechter Regierungsführung und schwacher Institutionen. Nicht umsonst gibt es einen negativen Zusammenhang zwischen Ländern mit schlechter Regierungsführung und dem Ausmaß von Korruption, wie die Auswertung der Daten des Korruptionsindexes von Transparency International und des Demokratieindexes 2018 belegt.

Gleichzeitig gibt es einen Zusammenhang zwischen Demokratiequalität und dem Zugang zu Elektrifizierung: Je besser demokratische Prozesse und Institutionen funktionieren, desto erfolgreicher ist die flächendeckende Elektrifizierung in Ländern südlich der Sahara vorangeschritten und desto geringer ist der Unterschied zwischen urbanem und ländlichem Zugang zu Elektrizität.

Um Korruption im Energiesektor einzudämmen und wirksam zu bekämpfen, muss demnach an den Ursachen angesetzt werden. Dies ist in der Agenda 2030, genauer im Ziel 16 der VN-Nachhaltigkeitsagenda, klar verankert. Ziel 16 betont die Notwendigkeit, demokratische Institutionen, gute Regierungsführung und Transparenz im öffentlichen Sektor zu stärken und somit einen wirkungsvollen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung zu leisten. Zu den Aspekten, die die Qualität von Demokratie verbessern können, zählen auch Rechenschaftspflicht der Regierung, Medien­freiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, die Möglichkeit der Partizipation an politischer Meinungsbildung sowie ein unabhängiges Justizsystem. All diese Aspekte wirken sich auch positiv auf die Verringerung von Korruption aus. Nur durch die Bekämpfung der Ursachen von Korruption kann sichergestellt werden, dass der Energiesektor in Subsahara-Afrika dazu beitragen kann, Chancen und Teilhabe an gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Wachstum für alle zu ermöglichen.

 


 

Anja Berretta ist Leiterin des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Subsahara-­Afrika der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kamerun.

 


 

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