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Auslandsinformationen

Zerstörer der liberalen Weltordnung?

von Andrea Ellen Ostheimer

Trumps Unilateralismus und seine Folgen

Mit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus und dem sukzessiven Rückzug der USA aus dem multilateralen Kontext der Vereinten Nationen scheint das Nullsummenspiel in den internationalen Beziehungen wieder salonfähig geworden zu sein. Damit gehen größere Risiken für Konflikte und deren gewaltsame Austragung einher. Die wertebasierte Weltordnung erodiert zunehmend und der Rückzug der USA auf eine rein an nationalen Interessen ausgerichtete Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik findet ihre Nachahmer.

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Einleitung

Bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Phasen in der US-Außenpolitik, in denen das Engagement der US-Regierung in multilateralen Organisationen und Themenfeldern als zurückhaltend oder ambivalent beschrieben werden kann. Beispielhaft steht hierfür der Rückzug der Bush-Administration von dem zuvor von Präsident Clinton unterzeichneten Rom-Statut und die Weigerung, dem Internationalen Strafgerichtshof beizutreten oder sich an der Finanzierung zu beteiligen. Selbst während der Präsidentschaft Präsident Obamas, der sich selbst den Multilateralismus auf die Fahnen geschrieben hatte und multilaterale Foren wie das Global Counter-Terrorism-Forum initiierte, kamen teilweise Zweifel an der wirklich multilateralen Ausrichtung der US Politik auf.Mit der Wahl Präsident Trumps wurde allerdings von Beginn an deutlich, dass US-Außenpolitik zukünftig von nationalen Interessen und dem Paradigma „America First“ geleitet sein würde. Der Umfang der Auswirkungen auf die internationale Weltordnung, das Ausmaß der damit verbundenen Instabilitäten und die Herausforderungen für das etablierte Normgefüge ließen sich allerdings nur bedingt vorhersehen. Insbesondere in den ersten Monaten der Amtszeit und der nur äußerst zögerlichen Besetzung wichtiger Stellen keimte noch die Hoffnung, Präsident Trump würde sich vor allem innenpolitischen Themen zuwenden und die Außenpolitik den Entscheidungsträgern in der Administration überlassen. Die ersten 24 Monate seiner Amtszeit, die Aufkündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, der Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, die einseitige Aufkündigung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) mit dem Iran sowie die harsche Kritik gegenüber NATO-Partnern demonstrieren jedoch eine rein von nationalen Interessen geleitete und auf die Erfüllung von Wahlkampfversprechen kurzfristig ausgerichtete Außenpolitik des Präsidenten. Die hohe Zahl an personellen Wechseln im außen- und sicherheitspolitischen Bereich wie auch die politische Positionierung der USA in dem den Multilateralismus per se verkörpernden System der Vereinten Nationen – inklusive Rückzug aus dem VN-Menschenrechtsrat und Aufgabe der UNESCO-Mitgliedschaft sowie die Einstellung der Unterstützung für das Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA) – unterstreichen die von einer Kosten-Nutzen-Rechnung geleitete Politik, deren Impulse primär aus dem inneren Zirkel des Präsidenten stammen.

Die Schnittmenge des Gemeinsamen zwischen den USA und den transatlantischen Partnern ist kleiner geworden und die Frage bleibt, in welchen Bereichen und multilateralen Initiativen eine Kooperation zukünftig noch möglich sein wird bzw. inwieweit Deutschland und Europa in der Lage sein werden, den Rückzug der USA zu kompensieren. Aktuell verhindern bereits national und populistisch ausgerichtete Regierungen ein geschlossenes Auftreten Europas zur Lösung globaler Problemfelder, wie im Falle des Migrationsmanagements. Europa als Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten sowie Garant des Multilateralismus muss sich neue Partner suchen und vor allem Worten auch Taten folgen lassen.

Das Globale Abkommen für eine sichere, geordnete und reguläre Migration

Problematisch ist der Nachahmer-Effekt, den Trumps Politik auslöst. In Zeiten, in denen auch innerhalb der EU populistische Regierungen auf kurzfristige politische Erfolge hoffen, wird es für die EU zunehmend schwieriger, sich im multilateralen Kontext als geschlossener Block zu präsentieren.

Ein erster solcher Fall lässt sich bereits im Kontext des Globalen Abkommens für eine sichere, geordnete und reguläre Migration verzeichnen. Dieses Abkommen ist die erste zwischenstaatlich, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verhandelte Vereinbarung, die in umfassender Weise die diversen Aspekte des globalen Migrationsmanagements aufgreift. Das Dokument als solches ist rechtlich nicht bindend, hat aber wie auch andere multilaterale Initiativen eine Symbolkraft, die unterstreicht, dass aktuelle Probleme aufgrund ihrer globalen Dimension und Komplexität nur in einem multinationalen Kontext und im Geiste gemeinschaftlicher Solidarität lösbar sind. Das globale Migrationsabkommen adressiert die Herausforderungen der Migration sowohl für Herkunfts-, Transit- und Bestimmungsländer, betont dabei aber stets den Gedanken staatlicher Souveränität, der geteilten Verantwortlichkeiten, der Nicht-Diskriminierung und der Achtung der Menschenrechte. Die USA zogen sich bereits wenige Monate nach der Aufnahme der Verhandlungen im Dezember 2017 zurück mit dem Argument, ein solches Abkommen würde die nationale Souveränität und den Schutz der Grenzen untergraben sowie die Migrationsgesetzgebung in Frage stellen.

Wenn das zahlenmäßig größte Einwanderungsland weltweit (ca. 46,6 Millionen der 327,16 Millionen Einwohner wurden nicht in den USA geboren) ein Abkommen mit globalem Charakter ablehnt, bleibt dies nicht ohne Folgen. Bereits eine Woche nachdem man sich in der VN-Generalversammlung auf eine Endversion des Abkommens geeinigt hatte, kündigte Ungarn an, das Dokument, welches auf der Intergouvernementalen Konferenz in Marrakesch im Dezember 2018 den Signatarstaaten vorgelegt wurde, nicht zu unterzeichnen. Als Begründung gab der ungarische Außenminister an, das Abkommen verstoße gegen den gesunden Menschenverstand und gefährde die wieder herzustellende europäische Sicherheit. Die in der österreichischen Regierungskoalition vertretene rechtspopulistische FPÖ lehnt die Vereinbarung mit der Begründung ab, man garantiere den Schutz der Menschenrechte auch für Migranten. Für Kanzler Sebastian Kurz unterscheidet das Abkommen nicht hinreichend zwischen legaler und illegaler Migration. All dies sind Argumentationen, die sich leicht mit einer Textexegese widerlegen lassen und die sich durchaus in das Argumentationsmuster einer Trump-Regierung einreihen lassen.

Das globale Migrationsabkommen spaltet Europa tief.

Während zahlreiche Staaten in der Abstimmungsdebatte der VN-Generalversammlung am 19. Dezember 2018 ihre Unterstützung des Abkommens auch mit einem Verweis auf die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit in diesem Bereich und einer dem Multilateralismus verbundenen Haltung begründeten, zeigte Europa ein tief gespaltenes Bild. Neben Israel und den USA stimmten Polen, Ungarn und die Tschechische Republik explizit gegen die Vereinbarung. EU-Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Italien und Lettland enthielten sich des Votums, andere blieben der Abstimmung in der Generalversammlung gänzlich fern. In Belgien führte die Unterstützung des Abkommens zu einer Regierungskrise und dem Austritt des Koalitionspartners N-VA aus der Regierung.

Die Divergenzen innerhalb Europas sind aktuell bei kaum einem anderen Thema so sichtbar wie bei der Frage einer adäquaten Adressierung des Themenkomplexes Migration. Die Instrumentalisierung der Fragen nationaler Identität und staatlicher Souveränität sowie deren Verortung und Gewichtung in einem multilateralen Kontext sind dabei häufig die eigentlichen Ursachen, die das Auftreten eines geeinten und starken Europas, auch als Garant einer multilateralen Weltordnung behindern. Anstatt das multilaterale Fundament, auf dem die Europäische Union steht, nochmals zu bekräftigen, enthielt sich Rumänien bei der Abstimmung zum globalen Migrationsabkommen am 19. Dezember in der Generalversammlung der Stimme, mit dem Verweis „(…) in the context of a variety of views among European Union member States and as a future President of the European Union Council, Romania considers it important to maintain a balanced approach.“

Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen

70 Jahre nachdem die First Lady der USA, Eleonor Roosevelt, den Weg für die universelle Erklärung der Menschenrechte ebnete, zog sich die Trump-Regierung im Juni 2018 aus dem VN-Menschenrechtsrat zurück. Begründet wurde dieser Schritt mit der Voreingenommenheit des Gremiums gegenüber Israel sowie der mangelhaften Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen durch den Menschenrechtsrat aufgrund dessen Zusammensetzung. Letztere war bereits in der Vergangenheit wiederholt durch die USA für reformbedürftig erklärt worden, allerdings fand sich hierfür bislang keine Mehrheit innerhalb der VN-Generalversammlung. Auch wenn die Kritik am VN-Menschenrechtsrat begründet ist und die dort vertretenen autokratischen Regime häufig dafür Sorge tragen, dass die eigenen Verletzungen nicht thematisiert werden, so ist doch der VN-Menschenrechtsrat das einzige globale Instrument zur Thematisierung von Menschenrechtsverletzungen. Sollte die Trump-Administration der Meinung gewesen sein, durch einen Rückzug könne eine Verbesserung der Situation herbeigeführt werden, so hat sie der Arbeit zum Schutz der Menschenrechte einen Bärendienst erwiesen. Das Vakuum, welches durch das Fortbleiben eines globalen Akteurs und Verfechters von Demokratie und Menschenrechten entsteht, wird nun vor allem durch nicht-demokratische Akteure gefüllt. Island, welches den USA im VN-Menschenrechtsrat nachfolgte, ist sicherlich kein Akteur mit geopolitischem Gewicht, der die Lücke ausfüllen kann. Das nun entstandene Vakuum werden Akteure wie Russland und China nun noch weiter für ihre eigenen Interessen zu nutzen verstehen. Insbesondere China hat unter der Präsidentschaft von Xi Jinping zu neuem Selbstbewusstsein gefunden. Ging es zuvor vor allem darum, Kritik an den eigenen Menschenrechtsverletzungen abzublocken und Staaten mit ähnlich düsteren Bilanzen Rückendeckung zu geben, so versucht die chinesische Regierung heute vor allem die Interpretation internationaler Normen und Mechanismen der Verantwortlichkeit zu beeinflussen. Dazu zählen die universelle periodische Überprüfung (Universal Periodic Reviews, UPR) ebenso wie die zivilgesellschaftlichen Partizipationsmechanismen und deren unabhängiges Monitoring. Feststellbar ist eine Rückkehr zur orthodoxen Interpretation von nationaler Souveränität und Nicht-Einmischung zu Lasten von Menschenrechten und guter Regierungsführung. Gerade um das einmal erreichte Normengefüge zu sichern, wäre es notwendig gewesen, dass die USA weiter als stimmgewichtiger Akteur im Spiel bleiben. EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland und Großbritannien haben zwar den Rückzug der USA bedauert, die EU wird allerdings das Vakuum nicht füllen können, da bereits auf europäischer Ebene der Einfluss Chinas auf EU-Mitgliedstaaten wie Ungarn und Griechenland und deren Stimmverhalten deutlich wird. Im Juni 2017 blockierte Griechenland, das von chinesischen Investitionen in Höhe von 51 Millionen US-Dollar im Hafen von Piräus profitierte, die Vorlage einer EU-Erklärung beim VN-Menschenrechtsrat, die unter anderem auch das Vorgehen der Regierung Xi Jinpings gegen oppositionelle und zivilgesellschaftliche Kräfte verurteilt hätte. Obgleich die EU aufgrund mangelnder Mitgliedschaft de jure keine Akteursqualität im VN-System besitzt, so gilt sie dennoch als tragende Säule des Menschenrechtsschutzes durch die internationale Gemeinschaft. Bereits im Rahmen ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) hatte sich die EU auf die Fahnen geschrieben, kohärent für eine Achtung der Menschenrechte einzutreten. Über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) finanziert die EU seit Langem sowohl Geschäftskosten des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) als auch konkrete Projekte (7,4 Millionen Euro für die Jahre 2016 und 2017). Wenn nun die Kohärenz der Europäischen Union zunehmend auch in Menschenrechtsfragen herausgefordert wird, schwindet auch in diesem Bereich der politische Einfluss und das Potenzial, als Normen setzender Akteur anerkannt zu werden.

Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele setzen den Rahmen für die internationale Zusammenarbeit und sind Zielvorgabe in den EU-Mitgliedstaaten.

Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs): Musterbeispiel eines multilateralen Entwicklungssystems

Die Agenda 2030 und die darin enthaltenen 17 nachhaltigen Entwicklungsziele stellen ein Musterbeispiel eines multilateralen Entwicklungssystems mit universalem Anspruch dar. Die Zielsetzungen und Monitoring-Mechanismen gelten für alle Staaten, unabhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand. Die 17 Entwicklungsziele tragen dafür Sorge, dass lediglich ein umfassender, alle Sektoren (Frieden und Sicherheit, Entwicklung, Umwelt, Humanitäre Hilfe) abdeckender Ansatz zu Erfolgen führen kann. Hinzu kommt, dass die Agenda 2030 kein rein staatliches Unterfangen mehr sein kann, sondern sowohl die Ressourcen des Privatsektors als auch der Zivilgesellschaft zur Zielerreichung benötigt werden.

Mit der Resolution 72/279 der VN-Generalversammlung (UNGA) wurde der Weg für den Reformprozess des VN-Entwicklungssystems und dessen Repositionierung im Kontext der Agenda 2030 frei gemacht. Für Deutschland wie auch für die Europäische Union setzen die SDGs nicht nur den Rahmen für die internationale Entwicklungszusammenarbeit, sondern stellen auch eine Zielvorgabe in den EU-Mitgliedstaaten dar.

Doch wie nachhaltig können die SDGs noch im Rahmen einer Trump-Administration sein, die dem Multilateralismus abschwört und nicht nur eine „America First“, sondern eine „America only“-Politik betreibt?

Noch wurden die SDGs nicht Zielscheibe der präsidialen Twitter-Attacken. Am besten lässt sich die aktuelle Haltung der US-Regierung wohl als Indifferenz beschreiben. Interessanterweise sind es genau jene Problembereiche, die Trump ins Präsidialamt gebracht haben, die die SDGs versuchen zu adressieren – zunehmende Ungleichheiten in der Gesellschaft sowie Teile der Gesellschaft, die sich marginalisiert und abgehängt fühlen. Das Leitmotiv der SDGs „Leaving no one behind“ wie auch Ziele wie „Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung (Ziel 8)“ oder „Industrie, Innovation und Infrastruktur (Ziel 9)“ sind durchaus in Übereinstimmung mit dem, was Trump seinen Wählern versprach. Allerdings wird es schwierig, die SDGs mit einem multilateralen Etikett in der aktuellen Situation in den USA politisch zu vermarkten. Die Fortschritte der USA bei der Erreichung der Ziele sind bislang gering. Im SDG-Index 2017 befindet sich die USA auf Rang 30 der 35 OECD-Länder mit höchstem Einkommensniveau. Dies begründet sich vor allem damit, dass die USA zwar wirtschaftlich stark sind, die Unterschiede basierend auf Einkommen, Geschlecht, Rasse und Bildung aber nach wie vor ausgeprägt sind. Anreize für die Wirtschaft, nachhaltig zu wirtschaften, gibt die Regierung wenige. Allerdings erkennt der Privatsektor zunehmend die Möglichkeiten, die sich aus einem nachhaltigen Wirtschaften ergeben. Gemäß einer Studie der Business & Sustainable Development Commision könnte die Erreichung der SDGs in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung, Stadtentwicklung, Gesundheit und Energie neue Märkte mit einem Wert von zwölf Billionen US-Dollar schaffen. Auch wenn die US-Regierung selbst bislang wenig Interesse an den SDGs zeigte, so könnten sich insbesondere im Privatsektor und in der amerikanischen Zivilgesellschaft neue Partner finden lassen.

Die Kritik Trumps an der Ineffizienz der multilateralen Entwicklungsarchitektur und an deren größtenteils fragmentiertem und projektbasiertem Ansatz ist durchaus nachvollziehbar. Die diversen VN-Entwicklungsagenturen unterhielten bislang 1.400 Repräsentanzen weltweit. Diese sollen nun im Rahmen der von VN-Generalsekretär António Guterres gestarteten Reformen zusammengelegt und durch die Etablierung von VN-Koordinatoren (sogenannte Resident Coordinators) soll in den Einsatzländern vor allem eine stärkere Koordination und Komplementarität im VN-Entwicklungssystem erreicht werden. Der Reformbedarf ist erkannt, doch wird die Ende 2018 begonnene Restrukturierung Zeit und vor allem die Unterstützung der Mitgliedstaaten benötigen. Um die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, ist eine Einbeziehung des Privatsektors ebenso vonnöten wie die Überwindung des Schubladendenkens.

Unabhängig von der benötigten finanziellen Unterstützung für das VN-Entwicklungssystem sind die Konsequenzen, die sich aus den reduzierten Mitteln der USA für Entwicklungszusammenarbeit sowie deren politische Neuausrichtung ergeben, bereits heute gravierend.

Die Ankündigung der Einstellung der kompletten Unterstützung für die UN Relief and Works Agency for Palestinian Refugees in the Middle East (UNRWA), deren Budget zu 25 Prozent von den USA finanziert wurde (ca 350 Millionen US-Dollar pro Jahr), rief bereits die Solidarität der EU-Mitgliedstaaten auf den Plan. Deutschland erhöhte seinen UNRWA-Beitrag und warb gemeinsam mit der EU, Schweden, Japan, Jordanien und der Türkei um weitere Geberunterstützung im Rahmen eines Treffens Ende September 2018.

Langfristig wird die Gemeinschaft der Geber allerdings nicht den Rückzug der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit kompensieren können, was sich auch nachhaltig auf die Erreichung der SDGs auswirken wird.

Aktuell sind vor allem Projekte im Nahen Osten betroffen. Ende August wurden zusätzlich zur Einstellung der UNRWA-Unterstützung weitere 200 Millionen US-Dollar, bestimmt für Entwicklungsprojekte in der Westbank und Gaza, einbehalten. Die zur Stabilisierung Syriens gedachten und bereits vom Kongress genehmigten 230 Millionen US-Dollar wurden ebenfalls annulliert. Das aktuelle Budget der United States Agency for International Development‘s (USAID) für bilaterale Programme beläuft sich auf 16,8 Milliarden US-Dollar. In der Obama-Administration waren dies noch 25,6 Milliarden US-Dollar. Nach Angaben der New York Times sollen im laufenden Haushaltsjahr noch insgesamt drei Milliarden US-Dollar in der Entwicklungszusammenarbeit gestrichen werden.

In seiner Rede vor der VN-Generalversammlung machte Trump deutlich, dass Entwicklungszusammenarbeit für ihn den Charakter eines Transaktionsgeschäfts hat und der eigene Nutzen im Vordergrund zu stehen hat: „The United States is the world’s largest giver in the world, by far, of foreign aid. But few give anything to us. (…) We will examine (…) whether the countries who receive our dollars and our protection also have our interests at heart.“

Frieden und Sicherheit im multilateralen Kontext

VN-Friedensmissionen sind ein wichtiges multilaterales Instrument der internationalen Staatengemeinschaft, um in immer komplexer werdenden, hybriden Konflikten Staaten zu stabilisieren und Gewalt zu minimieren. Eine Lösung der zugrundeliegenden Konflikte können allerdings von diesen Missionen nicht geleistet werden. Dies muss durch politische Verhandlungen mit allen Konfliktparteien unter Einbeziehung derjenigen, die von den Konflikten profitieren, geschehen. Seine Meinung zu den Vereinten Nationen hatte Präsident Trump bereits 2016 während des Wahlkampfes ausgedrückt: „When do you see the United Nations solving problems? They don‘t. They cause problems.“

Kürzungen des US-Beitrages für Friedensmissionen sollen andere Länder dazu motivieren, sich zu engagieren.

Bei Amtsantritt forderte Präsident Trump daher auch eine Kürzung des US-Beitrags für Friedensmissionen von einer Milliarde US-Dollar pro Jahr (entspricht 45 Prozent). Bislang finanzierten die USA über 28 Prozent des Gesamtetats für VN-Friedensmissionen. Für den Haushalt 2018/2019 konnte VN-Generalsekretär Guterres, der das Budget für Friedensmissionen von 7,9 Milliarden auf 6,8 Milliarden US-Dollar kürzen musste, zumindest auf einen amerikanischen Beitrag von 25 Prozent zählen. Die von Präsident Trump in der diesjährigen Generalversammlungsrede vorgebrachte Motivation, dass amerikanische Kürzungen andere Länder dazu motivieren sollen, sich zu engagieren („to step up, get involved, and also share in this very large burden“), klingt realitätsfern. Von den 51 Amerikanern in Friedensmissionen sind lediglich acht keine Angehörigen des VN-Personals (fünf Polizeibeamte, drei Militärbeobachter). Staaten wie Äthiopien, Ruanda, Bangladesch und Indien sind die größten Truppensteller und haben auch die höchsten Opferzahlen bei VN-Einsätzen in ihren Reihen.

Wie eine Studie des U.S. Government Accountability Office an den Kongress darlegt, sind die Kosten für Aktivitäten der Friedenssicherung durch die VN für die USA weitaus kostengünstiger als vergleichbare Operationen, die im Alleingang durchgeführt würden.

Die Überzeugung der Trump-Administration, dass andere ihren Beitrag für Frieden und Sicherheit zu leisten und vor allem für ihre eigene Sicherheit zu sorgen haben, stellt im Falle der NATO das Prinzip der kollektiven Sicherheit in Frage. Im Falle der VN-Friedensmissionen führt es zu einem Vordringen Chinas in die entstehende Lücke.

Mittlerweile hat China seinen Beitrag für die Finanzierung der Friedensmissionen auf 10,25 Prozent aufgestockt und eine Milliarde US-Dollar pro Jahr für die nächsten fünf Jahre zugesichert. 8.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee wurden von China für Friedensmissionen vorbereitet. Mit 2.517 Soldaten im Einsatz zählt China bereits zu den zehn größten Truppenstellern bei den VN. Dem gesteigerten Engagement Chinas im Bereich der Friedenssicherung wird man sicherlich bei der Besetzung höherrangiger Positionen innerhalb der Abteilung für Friedensicherung demnächst Rechnung tragen müssen. Bei der Ausgestaltung von Mandaten der Friedenseinsätze erhebt China bereits heute gemeinsam mit Russland die Forderung, jene Stellen in Friedensmissionen zu streichen, die sich dem Schutz der Menschenrechte widmen. In den Budgetverhandlungen vom Juni 2018 forderte Russland Einschnitte von 50 Prozent in diesem Bereich. China, das bislang lediglich neue Stellen zu verhindern versuchte, verfolgt nun den gleichen Kurs wie Russland – einen Kurs, der, gerade aufgrund des veränderten Charakters der Friedensmissionen in komplexen und asymmetrischen Konflikten mit Mandaten zum Schutz der Zivilbevölkerung, einen tiefen und der Zielsetzung abträglichen Einschnitt bedeutet.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren sowohl seine freiwilligen Beiträge als auch sein Engagement im Bereich der Friedenssicherung deutlich erhöht. Aktuell befinden sich 589 Deutsche für die VN in Einsätzen zur Friedenssicherung. Allerdings bleibt man nach wie vor hinter den Erwartungen zurück, die sich mit dem nicht-ständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat ab Januar 2019 noch verstärken werden. Aktuell liegt für die Unterstützung der VN-Mission in Mali ein Bundestagsmandat für eine Truppenstärke von bis zu 1.100 Mann vor. Laut VN-Statistiken vom Oktober 2018 sind jedoch nur 436 Personen (inkl. VN-Personal und Polizeibeamte) aktuell in die Mission eingebunden. Um sich wirkungsvoll in die VN-Prozesse einbringen und auch die Ausgestaltung von Mandaten beurteilen zu können, ist es wichtig, vor Ort präsent zu sein. China hat dies erkannt und nutzt den Spielraum, der sich durch den Rückzug der USA auch im Bereich von Frieden und Sicherheit und durch die verhaltene Positionierung Europas ergibt.

Schlussfolgerung

Als 2015 sowohl die Agenda 2030 verabschiedet als auch das Pariser Klimaschutzabkommen auf den Weg gebracht werden konnten, entstanden multilaterale Regime, deren Funktion und Erfolg auf der Etablierung eines normativen Rahmens und der dazugehörigen Berichtsmechanismen beruhten. Staatliche Selbstverpflichtung und verantwortungsvolles Handeln von Regierenden wie auch der jeweiligen Gesellschaften wurden ebenso zur Grundlage wie der globale Konsens, dass die Herausforderungen für die Menschheit nur noch kollektiv adressiert werden können und nationale Alleingänge eher kontraproduktiv sind.

Trump und seine Administration negieren, aber widerlegen dies nicht. Mit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus und dem sukzessiven Rückzug der USA aus dem multilateralen Kontext der Vereinten Nationen scheint das Nullsummenspiel in den internationalen Beziehungen wieder salonfähig geworden zu sein. Damit gehen größere Risiken für Konflikte und deren gewaltsame Austragung einher.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene, wertebasierte Weltordnung erodiert und der Rückzug der USA auf eine rein an nationalen Interessen ausgerichtete Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik findet ihre Nachahmer. Dabei werden Fakten nachrangig und es dominieren an Emotionen appellierende, verkürzte und aus dem Kausalzusammenhang oftmals gerissene Argumentationslinien. In den wertebasierten Politikbereichen, die gerade nach dem Ende des Kalten Krieges als unumkehrbar galten, hinterlässt der Rückzug der USA ein Vakuum, das rasch von autokratischen Regimen und deren Lesart von Souveränität, Partizipation und Nicht-Einmischung gefüllt wird. Auf der Suche nach neuen Partnern und Gleichgesinnten werden sich Deutschland und diejenigen in der EU, die noch zum EU Wertekompendium stehen, loslösen müssen von einem rein zwischenstaatlichen Ansatz. Insbesondere die Vertreter der Zivilgesellschaft wie auch des Privatsektors sind stärker in den Dialog einzubinden und neue Partner sind weltweit zu identifizieren. Who pays calls the shots – zur Zeit zahlen vor allem die Europäer den Preis und kompensieren die Absenz der USA in vielen Bereichen der multilateralen Zusammenarbeit. Gestaltungswille und Gestaltungskonzepte sind dabei jedoch oftmals nur unzureichend vorhanden und die politischen Antworten bleiben reaktiv.

 
 

Andrea E. Ostheimer ist Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in New York.

 
 

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