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Länderberichte

Pilgerreise des Papstes nach Ägypten im Zeichen des interreligiösen Dialogs

von Dr. Reiner Biegel †

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Zum ersten Mal besuchte ein Papst der römisch-katholischen Kirche vom 24. bis 26. Februar Ägypten. Papst Johannes Paul II. kam offiziell als Pilger, um den Eindruck eines offiziellen Besuches zu vermeiden. Trotzdem wurde er von Staatspräsident Hosni Mubarak am Flughafen Kairo offiziell begrüßt. Ebenso hießen ihn Großscheich Mohammed Sayyid Tantawi von der Al-Azhar-Moschee, der höchste religiöse Vertreter des sunnitischen Islam, sowie weitere christliche Würdenträger willkommen. Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Shenouda III. kam demonstrativ nicht zur Begrüßung.

Erste Station der Pilgerreisen im Heiligen Jahr

Ägypten war die erste Station mehrerer Pilgerreisen, die Papst Johannes Paul II. im heiligen Jahr 2000 zu den biblischen Stätten im Nahen Osten unternimmt. Höhepunkt der Pilgerfahrt - es handelte sich um seine 90. Auslandsreise - war am 26. Februar der Besuch des Katharinenklosters am Fuße des Berges Horeb, auf dem gemäß biblischer Überlieferung Moses die zehn Gebote Gottes empfangen hat. Im März will der Papst Israel, die palästinensischen autonomen Gebiete und Jordanien besuchen. Eine erste Reise nach Ur im Irak, wo Abraham geboren wurde, kam nicht zustande.

Papst fordert Toleranz zwischen den Religionen

Sowohl Präsident Mubarak als auch das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hoben ihre Gemeinsamkeiten auf der Suche nach Frieden zwischen den Religionen und Völkern hervor. Warum Präsident Mubarak den Papst demonstrativ am Flughafen willkommen hieß, hat sowohl außen- wie innenpolitische Gründe: nach außen demonstrierte er damit, daß Ägypten sich für Frieden unter den Völkern und religiöse Toleranz einsetzt.

Obwohl der Besuch des Papstes als private Reise deklariert war, wertete Präsident Mubarak die Pilgerreise des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche politisch auf. Der Vatikan hat sich in der Vergangenheit für die Rechte der muslimischen Palästinenser eingesetzt, indem er immer wieder auf die besondere Rolle Jerusalems für die drei monotheistischen Weltreligionen hinwies.

Innenpolitisch kam ihm der Papstbesuch gelegen, weil er damit die Gleichberechtigung sowohl der mehrheitlich sunnitischen Muslime als auch der christlich-koptischen Minderheit in Ägypten unterstreichen konnte. Obwohl die Staatsführung nicht müde wird, zu betonen, daß Muslime und Christen in Ägypten einträchtig zusammen leben, ist das Verhältnis zwischen den beiden Religionsgemeinschaften nicht ohne Spannungen.

Obwohl die Kirchenvertreter hervorhoben, daß es sich um eine "private" Pilgerfahrt des Papstes handele, wohnte dem Besuch des Oberhauptes der Katholiken eine gewisse politische Brisanz inne. Die ägyptischen Medien äußerten sich durchweg positiv zum Besuch des Papstes. In der Vergangenheit bemängelten sie die aus ihrer Sicht oft unkritische Haltung des Vatikans gegenüber Israel.

Hintergrund der freundlichen Reaktionen waren die Äußerungen des Vatikans zur Jerusalem-Frage, in denen ein internationaler Status der Stadt gefordert wird. Die Zeitungen berichteten ausführlich darüber, daß der Pontifex sich dagegen ausgesprochen habe, Israel das Recht einzuräumen, den Zugang zum Felsendom sperren zu können. Jerusalem sei die Stadt Gottes und nicht die Hauptstadt von Israel, weshalb die Stadt allen drei monotheistischen Religionen offen stehen müsse.

Am ersten Abend begann der Papst seine Gespräche mit den Vertretern der größten Religionsgemeinschaften. Der Großimam Mohammed Sayyid Tantawi empfing den Papst in seiner Residenz und dankte ihm für seine "freundlichen Beziehungen zum Volk der Palästinenser". Eine Woche zuvor hatten der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Yassir Arafat, und der Vatikan in Rom ein Abkommen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart.

Positiv wurde von islamischer Seite vermerkt, daß der Papst der Al-Azhar-Moschee für die Pflege des Islams dankte. Hintergrund für die entspannteren Beziehungen ist die am 28. Mai 1998 gebildete gemeinsame Kommission zwischen dem päpstlichen Rat für den Dialog zwischen den Religionen und der von der Al-Azhar-Universität eingesetzten Kommission für den Dialog mit den anderen monotheistischen Religionen.

Weitaus komplizierter ist das Verhältnis Roms zu den anderen christlichen Religionsgemeinschaften in Ägypten. Hauptgesprächspartner von Papst Johannes Paul II. war das selbstbewußte Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Shenouda III., dessen offizieller Titel "Seine Heiligkeit der Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles des heiligen Markus" lautet. Mit ihm traf er ebenfalls am ersten Tag seines Besuches zusammen.

Die orthodoxen Kopten stellen die weitaus größte Gruppe unter den christlichen Minderheiten in Ägypten. Offiziell wird der Anteil der Christen in Ägypten auf rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung von rund 65 Millionen geschätzt. Die Kopten selbst gehen eher von zehn Prozent aus. Nur rund 220.000 Menschen sind Katholiken von sieben mit Rom unierten Denominationen, unter denen die koptische wiederum die größte Gruppe stellt. Hinzu kommen griechische, syrische und armenische Katholiken sowie Maroniten, Lateiner und Chaldäer.

Außerdem gibt es noch griechische, syrische und armenische Orthodoxe sowie Protestanten. Zurück gehen diese Abspaltungen überwiegend auf Missionierungen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Da von koptisch-orthodoxer Seite immer noch der katholischen Kirche der Vorwurf des Proselitismus ("Seelenfängerei") gemacht wird, versicherte Johannes Paul II. dem koptischen Papst nochmals auf, Missionierung unter den Kopten zu verzichten.

In einem gemeinsam mit Shenouda III. gefeierten ökumenischen Gottesdienst kam Johannes Paul II. den orthodoxen Kopten weiter entgegen, als er sagte, die katholische Kirche bestehe nicht auf der absoluten Vormachtstellung der römischen Päpste, sondern lade "alle christlichen Religionen zu einem Dialog über dieses Thema" ein.

Höhepunkt der Pilgerreise des Papstes bildete der Besuch des Katharinenklosters im Sinai. Auch hier wurden die Differenzen der christlichen Kirchen untereinander deutlich: die griechisch-orthodoxen Mönche erlaubten dem Papst den Eintritt in das Kloster nur als Pilger. Trotz großer Bedenken gestattete ihm der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche, Damianus, in der heiligen "Kapelle des brennenden Dornbuschs" zu beten.

Anschließend zeigte man ihm kostbare Ikonen und Reliquien, darunter die der heiligen Katharina. An dem außerhalb des Klosters vor mehreren Hundert Gläubigen vom Papst gehaltenen Wortgottesdienst nahmen die griechisch-orthodoxen Mönche demonstrativ nicht teil.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Da aufgrund des angegriffenen Gesundheitszustandes des Papstes der Gästepalast mit seinen Treppenaufgängen als Unterkunft nicht in Frage kam, wohnte er während seines Aufenthaltes in der päpstlichen Nuntiatur, der diplomatischen Vertretung des Vatikan, im Botschaftsviertel Zamalek auf der Nilinsel Gezira. Die für den Autokorso des Papstes vorgesehene Fahrtstrecke wurde komplett von parkenden Autos geräumt. Entlang der Straßen standen im Abstand von 50 Metern Polizisten.

Die Zufahrtstraßen zum Sportstadion im Stadtteil Nasr City, wo der Papst am 25. Februar eine Messe zelebrierte, wurden zum Teil abgeriegelt. Wer an dem Gottesdienst teilnehmen wollte, mußte mehrere Sicherheitsschleusen passieren und eine zuvor erworbene Eintrittskarte vorzeigen. Seine Verbundenheit mit Ägypten bekundete der Vatikan mit dem auf der Eintrittskarte abgebildeten offiziellen Logo, auf der die drei Pyramiden von Gizeh, der heilige Markus und der ihm zugeordnete Löwe abgebildet sind.

Rund 20.000 Menschen bereiteten dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche einen begeisterten Empfang. Mit Bussen waren die Teilnehmer am Gottesdienst aus ganz Ägypten angereist: von Assuan in Oberägypten bis nach Alexandria am Mittelmeer. Auf Spruchbändern hieß es "Ägypten liebt dich und heißt dich willkommen". In der Stadt allerdings war nirgends ein Hinweis auf den Papstbesuch zu sehen.

Auch am Katharinenkloster auf dem Sinai waren die Sicherheitsvorkehrungen äußerst streng. Den Touristen wurde der beliebte Nachtaufstieg auf den Mosesberg, um dort den Sonnenaufgang zu erleben, nicht gestattet.

Religiöse Spannungen

Der Besuch des Papstes kam zu einem rechten Zeitpunkt. Anfang Januar 2000 war es in der oberägyptischen, mehrheitlich von Kopten bewohnten Kleinstadt El-Kosheh zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gekommen, bei denen 20 christliche Kopten und ein Muslim ums Leben kamen und zahlreiche Personen verletzt wurden. Zahlreiche Geschäfte, Häuser und Warenlager wurden geplündert und in Brand gesteckt. Zwischen der Staatsführung und der koptischen Kirche entbrannte ein Streit um die Ursachen. Schon im August 1998 machte die Kleinstadt Schlagzeilen. Damals waren nach dem Mord an zwei Kopten 1000 Kopten verhaftet und von der Polizei zum Teil brutal mißhandelt worden. Seitdem ist die Atmosphäre vergiftet.

Bischof Wissa, der seit den siebziger Jahren der Diözese Balyana vorsteht, zu der El-Kosheh gehört, hatte Regierung und Sicherheitskräfte beschuldigt, gar nicht oder zu spät eingegriffen zu haben. Offiziell besteht freie Religionsausübung und die Christen sind den Muslimen gleich gestellt. Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus. Wirtschaftlich und politisch sind die Kopten benachteiligt. Immerhin haben die Beschuldigungen des Bischofs dazu geführt, daß Präsident Mubarak die Untersuchung der Vorgänge zur Chefsache gemacht und eine rigorose Aufklärung zugesichert hat. Um ein Zeichen der Versöhnung zu setzen, wurde die Kleinstadt El-Kosheh in Qaryia Al-Salam ("Friedensdorf") umbenannt.

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Paul Linnarz

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Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

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