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Veranstaltungsberichte

"Die Geschichte der Weltkriege in Grautönen betrachten"

Historiker und Experten diskutierten über den Umgang mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg

2014 ist das Jahr der Jubiläen: Vor hundert Jahren brach der Erste Weltkrieg aus und zum 75. Mal jährt sich der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Beide Kriege forderten Millionen Leben und prägen auch heute das Europa der Gegenwart. Wie die Geschichte der einzelnen Nationen und ihre Erlebnisse zu einer verbindenden europäischen Erinnerung werden könnte, diskutierten Historiker bei der Veranstaltung „Das Zeitalter der Weltkriege im europäischen Gedächtnis" der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen des Symposiums zum Ersten Weltkrieg.

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Prof. Dr. Sönke Neitzel, Historiker am Lehrstuhl für Internationale Geschichte an der London School of Economics und Political Science, ging auf den unterschiedlichen Umgang von Deutschen, Briten, Franzosen, Amerikanern unter anderem mit den Kriegsereignissen in den letzten hundert Jahren ein. „Die Weltkriege waren globale Ereignisse, die Erinnerung an sie ist aber ein nationales Phänomen.“ Deshalb gab und gibt es laut Neitzel niemals nur eine Erinnerung, sondern zahlreiche miteinander konkurrierende „Meistererzählungen“, die sich zudem durch den Wechsel politischer Systeme und gesellschaftliche Umbrüche verändern würden. „Nationen und Gesellschaften benötigen positive Selbstbilder“, begründet Neitzel die Legendenbildung. „Die Geschichte der Weltkriege ist wie ein Wühltisch aus dem sich Gesellschaften das passende Kleidungsstück herausnehmen und andere ignorieren.“

Mittlerweile sei die Diskussion über die beiden Weltkriege sachlicher und differenzierter geworden, stellte Neitzel fest. Die subjektive und nationale Wahrnehmung der Kriegsereignisse in vielen Ländern sei wichtig, aber reiche nicht aus. Vielmehr müsse es einen gemeinsamen Nenner für eine gemeinsame europäische Erinnerungskultur geben. „Schmerz, Schuld, Scham und Tod waren Erlebnisse, die alle Europäer ähnlich empfunden haben“, sagte Neitzel. Hundert Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges sei es an der Zeit, nicht das Trennende, sondern das Vereinende in den Blick zu nehmen. Für eine europäische Erinnerungsarbeit forderte Neitzel die vielfältigen wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschung in ein differenzierteres Geschichtsbild einfließen zu lassen. „Ich wünsche mir, dass wir Europäer unsere Geschichte öfters in Grautönen malen als in schwarz oder weiß.“

Prof. Dr. Guido Knopp, ehemaliger Leiter des Programmbereichs Zeitgeschichte im ZDF, befürwortete Neitzels Ansatz, von unten für ein gemeinsames europäisches Verständnis für die Erinnerung zu werben. „Das ist aber ein schwieriger Weg, der lange dauern wird“, sagte Knopp. Mythen und Legenden bei der Glorifizierung der Kriegsereignisse seien per se nicht schlecht, aber sie müssten mit der Wahrheit in Einklang gebracht werden. Zudem „müsse man die richtigen Themen zur richtigen Zeit vermitteln“, um bei jungen Menschen Neugier auf Geschichte zu wecken. Geschichtsarbeit in den Medien sollte immer „sowohl zur Identitätsstiftung als auch investigativ zur Aufklärung beitragen“.

Die öffentliche Abendveranstaltung war zugleich Teil eines zweitägigen Symposiums zum Ersten Weltkrieg, zu den unterschiedlichen nationalen Sichtweisen und den Möglichkeiten zu einer europäischen Erinnerungskultur, das in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in der Akademie stattfand. Zum Auftakt desselben hatte bereits Prof. Dr. Thomas Weber (Aberdeen/Harvard), Autor des bekannten Buches „Hitlers 1. Weltkrieg“, unter dem Titel „Was gehen uns die Toten des Ersten Weltkriegs an?“ über hundert Jahre Weltkriegsgedenken reflektiert. Die Grausamkeit des Ersten Weltkriegs traf alle Soldaten und doch erinnern sich die einzelnen Nationen sehr unterschiedlich im Hinblick auf Intensität, Form und Ausrichtung. Die Erinnerung einer Nation hängt nicht nur von der eigentlichen Erfahrung, sondern von den anschließenden Entwicklungen ab. Um ein gemeinsames Haus Europa weiter bauen zu können, so Weber, sollten die einzelnen Staaten aber die historische Sicht ihrer Nachbarn kennen und verstehen lernen. Sollte daraus ein gemeinsames Geschichtsverständnis entstehen, sei dies nur zu begrüßen.

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