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"Die Krise in Europa ist noch längst nicht bewältigt"

Politisches Frühstücksgespräch mit Joachim Zeller MdEP

Am 25. Mai finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Joachim Zeller MdEP, Spitzenkandidat der Berliner CDU, sprach beim politischen Frühstücksgespräch über zunehmende Skepsis bei vielen Bürgern Europas und beklagte das Schattendasein des Europäischen Parlaments, das in vielen Köpfen und Medien noch immer vorherrsche. Die anhaltende Krise habe vor allem eines gezeigt: "Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa!"

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„Die Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai sind die ersten, die unter den Bedingungen des 2009 in Kraft getretenen Vertrags von Lissabon stattfinden, der dem Parlament eine entscheidende Mitgestaltungsrolle zuteilwerden lässt“, sagte Joachim Zeller. Doch da es keine europäische Regierung gebe und auch keine Regierungs- oder Oppositionsfraktionen, die zusammenarbeiten, scheint es in der breiten, öffentlichen Wahrnehmung noch immer nicht präsent zu sein, dass mit dem Europäischen Parlament eine Institution existiere, die direkt vom Volk gewählt wird, so der Europaabgeordnete.

Nicht nur auf das Europäische Parlament habe der Vertrag Auswirkungen, auch die Nationalparlamente seien bei der Reform mit an Bord geholt worden, können sie nun doch Initiativen der Europäischen Kommission innerhalb von zwei Monaten bearbeiten und Änderungsvorschläge machen. „Die direkte Demokratie bekommt nach der Reform ebenfalls mehr Platz, denn Bürgerinitiativen sind möglich und die erste liegt der Kommission bereits auf dem Tisch.“ Doch all das scheine nicht die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn Umfragen belegen, dass 75 Prozent der Deutschen diesen Wahlen keine große Bedeutung beimessen.

Versuchung ist groß, „Europa“ die Schuld zu geben

„Wir müssen uns deshalb vorrangig mit der Frage auseinandersetzen, wie es mit Europa eigentlich weitergehen soll, denn in Zeiten der fortschreitenden Globalisierung sind viele Herausforderungen für den Nationalstaat längst nicht mehr lösbar.“ In der Politik habe sich diese Erkenntnis in weiten Teilen durchgesetzt, gleichzeitig gebe es in vielen Ländern jedoch einen Hang zur Re-Nationalisierung. In vielen Krisenländern seien Maßnahmen ergriffen worden, die auch starke Auswirkungen auf die jeweiligen Sozialsysteme haben, weshalb bei vielen die Versuchung groß sei, ‚Europa‘ für ihre Lage die Schuld zu geben.

Es sei damit zu rechnen, dass es bei den Wahlen wohl ein Erstarken von rechts- und linkspopulistischen Parteien gebe, die zusammen die künftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments stark beeinflussen können. „Im 63. Jahr der Europäischen Einigung müssen wir das ernst nehmen, denn die Krisen sind noch längst nicht bewältigt und wir haben noch einen langen Weg vor uns“, so Zeller. Die Lage ist auch deshalb schwierig, weil viele Krisenstaaten ohne solidarische Hilfe von außen nicht alleine Herr der Lage werden könnten, jede Einflussnahme von außen jedoch als Fremdbestimmung und Ursache der Krise wahrgenommen werde.

Krim-Krise und Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Ukraine und auf der Krim im Besonderen zeigte sich Zeller besorgt, denn die Gespräche mit den russischen Partnern hätten gezeigt, dass eine konstruktive Zusammenarbeit derzeit nicht möglich sei. „Wir werden den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, aber diese Krise zeigt einmal mehr, dass wir mit einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik noch nicht so weit sind, wie angenommen.“ Europa brauche aber dringend eine gemeinsame Stimme, denn die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen seien immens und von der Hilfe der USA dürfe man sich nicht abhängig machen, hätten diese doch ihren Fokus längst weg von Europa auf den Pazifik gelegt. „Insgesamt muss die Einsicht wachsen, dass wir mehr und nicht weniger Europa brachen, um in der globalen Entwicklung mithalten zu können.“

EU-Erweiterung

Was eine erneute Erweiterung der Europäischen Union angehe, zeigte sich Zeller zurückhaltend. „Wir haben bereits mit Slowenien und Kroatien zwei Staaten des ehemaligen Jugoslawiens aufgenommen, die zwar bei ihrem Beitritt die nötigen Kriterien erfüllten, heute diese jedoch nicht mehr erfüllen würden.“ Daher halte er eine längere Konsolidierungsphase für nötig, bevor man über weitere Beitrittskandidaten nachdenken könne. „Wie wir aber gerade in Teilen der Ukraine sehen, genießt der europäische Gedanke bei vielen, die nicht Teil der EU sind, noch immer eine hohe Anziehungskraft.“

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