Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

"Erzählt die Geschichte Europas"

Bewunderung und Respekt, aber auch Unverständnis prägen den lateinamerikanischen Blick auf Europa. So könne der Kontinent viel präsenter in Lateinamerika sein, und stärker mit seinen Erfolgen im Kampf gegen Ungleichheit und Ausgrenzung werben, meint der ehemalige mexikanische Außenminister Jorge Castañeda.

Asset-Herausgeber

Die Veranstaltungsreihe des Projekts "Das fremde Europa" will einen Perspektivwechsel auf den Kontinent erreichen. Schließlich benötigen wir die Sicht, die Beurteilung und das Wissen derer, die von außen auf Europa blickten, so Volker Hassemer, der Vorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin, in seiner Einführung: "Es geht uns um den Spiegel, den uns andere vorhalten." Dafür war in der Auftaktveranstaltung der ehemalige mexikanische Außenminister Jorge Castañeda verantwortlich.

Sein Blick durch die lateinamerikanische Brille auf Europa sei von Bewunderung und Respekt geprägt – teilweise jedoch auch von Unverständnis, Enttäuschung, Sorge und Verwirrung. Als attraktiv bezeichnete er Europas Wirtschaftsmodell und Solidarität sowie die Reduzierung von Ausschluss und Ausgrenzung. Ihm sei bewusst, dass es ein teurer und langer Weg war, Ungleichheiten zu beseitigen, doch gerade das nötige ihm Respekt ab – vor allem vor dem Hintergrund der noch bestehenden Ungleichheiten in Lateinamerika.

Castañeda bewunderte vor allem das Vorhandensein realer Demokratien in Europa. Im Gegensatz zu manchen Ländern Lateinamerikas, in denen es nur symbolische Regierungswechsel gebe, glaubten die Menschen in Europa daran, dass sie durch Wahlen die Zukunft verändern könnten. Auch für die europäische Integration empfinde er Bewunderung: Die Einheit in Europa sei viel attraktiver als beispielsweise die Freihandelsabkommen zwischen lateinamerikanischen Ländern und den USA oder Kanada.

Unverständnis äußerte Castañeda darüber, dass die Erfolge der europäischen Gesellschaft – Solidarität, Integration, Demokratie – dem Rest der Welt nicht ausreichend mitgeteilt würden: "Sprecht lauter, erhebt eure Stimmen, sagt was ihr tut, erzählt die Geschichte Europas", forderte er. Europa verkaufe sein Modell nicht ambitioniert genug. Er wünschte sich an dieser Stelle die gleichen Anstrengungen wie beim Verkauf von Autos und Flugzeugen. Leider seien zudem finanzielle Mittel aus Europa für Lateinamerika zurückgefahren worden – und an vielen Stellen wären die USA eingesprungen und hätten die Unterstützung fortgesetzt. Insgesamt, so sein Fazit, könne Europa in Lateinamerika präsenter sein.

Im Vortrag Castañedas und in der anschließenden Diskussion mit Professor Klaus Töpfer, dem ehemaligen Bundesumweltminister und heutigen Direktor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit, kam zudem die Flüchtlingssituation in Europa zur Sprache. Lateinamerika betrachte aufkommende Fremdenfeindlichkeit und teils offenen Rassismus in Europa mit Sorge. Zudem äußerte Castañeda sein Unverständnis über die Frage, warum Europa geglaubt habe, dass sich die Situation in Syrien von alleine lösen würde. Europa und die USA hätten dieses Problem viel früher angehen sollen. Eine Antwort auf die europäische Flüchtlingssituation könne nur in Syrien gefunden werden - nicht aber in Belgrad oder Budapest. Töpfer pflichtete ihm bei: Es ginge immer darum, nicht nur die humanitäre Situation selbst zu bewältigen, sondern auch die Ursachen von Krisen zu beseitigen.

Asset-Herausgeber

KAS

comment-portlet

Asset-Herausgeber