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„Es wird Zeit, sich mit seinem Wahlsieg abzufinden, nicht aber mit seinen Konsequenzen“

von Simon Pfeffereder

Dr. Tobias Endler analysiert Donald Trumps erste 100 Tage im Amt

Der wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ph.D. & Research Coordinator am Heidelberg Center for American Studies, verwies bei einem Gespräch im Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin auf die Gründe für Trumps Erfolg. Ihm zu Folge sind dies vor allem die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und die Ablehnung der Politikelite in Washington. Trump sei jemand, „der von den Umständen profitiert hat.“

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Wie kaum ein anderer Präsident zuvor bestimmt Donald Trump seit den Präsidentschaftswahlen 2016, insbesondere seit seiner Vereidigung im Januar 2017, die täglichen Nachrichten. Aber nicht nur in den Nachrichten, sondern bis in die entlegensten Bereiche des täglichen Lebens reicht mittlerweile die Debatte über Trump. Für Endler galt es, die Frage aufzuwerfen, „woher rührt diese exzessive Beschäftigung mit Donald Trump“.

Die Antwort ist für ihn vielschichtig.

Bruchlinien in der amerikanischen Gesellschaft

Hauptsächlicher und offensichtlicher Grund für die Beschäftigung mit Trump sei die Unberechenbarkeit seines politischen Handelns. Die politischen Auswirkungen seien bislang noch nicht in Gänze einzuschätzen, so Endler. Für ihn steht aber fest, „Trump verkörpert die Bruchlinien, die sich in den USA verschoben haben.“

Bruchlinien, die zwischen den wirtschaftlichen Vorzügen folgenden und standortverlagernden internationalen Unternehmen und den dadurch von Arbeitslosigkeit betroffenen, weil lokal gebundenen Arbeitern verlaufen.

Bruchlinien, die zwischen den über wirtschaftlichen Aufschwung nach der Wirtschaftskrise sprechenden elitären Experten sowie Wissenschaftlern und zahllosen, häufig in die Armut abgleitenden Arbeitern, die von den meist hochqualifizierten Jobs nicht profitieren konnten, verlaufen.

Vor allem aber die Bruchlinien zwischen der Politik und speziell den Politikern in Washington und den durchschnittlichen Amerikanern im ganzen Land.

„Die Hälfte der Mitglieder des Parlaments sind Millionäre“, erklärte der Amerikaexperte, „mit der Lebensrealität der Menschen im Rust Belt – der ältesten und größten Industrieregion der USA - hat das nur sehr wenig zu tun.“

„America First“, ein realistischer Ansatz?

In genau diese Kerbe - das Gefühl vieler Amerikaner wirtschaft- und gesellschaftlich von der Mittelschicht abgehängt zu sein - hat Trump im Wahlkampf geschlagen. Für den Politikwissenschaftler stand nun aber im Vordergrund, „sich mit seinem Wahlsieg abzufinden, nicht aber mit seinen Konsequenzen“.

„America First“ hieß eines der einfachen Mottos im Wahlkampf von Trump. Was das bedeutet, müsse laut Endler hinterfragt werden. Keinesfalls sei Trump per se ein Gegner des Freihandels. Der US-Präsident werde vielmehr statt multilaterale auf bilaterale Handelsverträge setzen um bei den Verhandlungen stets als größerer Partner aufzutreten und die besseren Ergebnisse erreichen zu können. „America First“ gelte für Trump auch in der Sicherheitspolitik. Der US-Präsident stellte in Frage, ob Amerika zukünftig NATO-Staaten, die ihre vertraglich festgelegten Beitragszahlungen in Höhe von zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts nicht leisten, noch uneingeschränkt militärisch zur Seite stünde. Endler verwies jedoch auch darauf, dass bereits Robert Gates, ehemaliger Verteidigungsminister unter Obama, die Zahlungsmora kritisierte, es wohlgemerkt aber nicht mit Drohungen verband.

Die zwei Bereiche der neuen Trump-Administration

Ob der neue Verteidigungsminister, James Mattis, der sich klar zur NATO bekannt hat, Trump in seiner harten Linie umstimmen kann, bezweifelte der Amerikaexperte. Die tatsächliche Außen- und Verteidigungspolitik werde im Weißen Haus gemacht, so Endler. Dabei unterstützen Trump auch seine politischen Berater, neben Trumps Kabinett der zweite Teil seines Teams. Dieser verfügt, so der Amerikaexperte, auch über einen wesentlich größeren Einfluss auf Trumps Handeln. Auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner soll hier einen Beraterposten bekommen. Ein Interessenskonflikt wegen seines gleichzeitigen Engagements in Trumps Firmenimperium sei dabei laut dem Politikwissenschaftler nicht ausgeschlossen.

Trumps gekonnte Nutzung der sozialen Medien zur politischen Kommunikation

Einen weiteren Grund für das enorme Interesse an Trump sah der Referent in der veränderten politischen Kommunikation. Die sozialen Medien seien heute oft „der Kanal, durch den wir die Wirklichkeit wahrnehmen“. Daraus ergebe sich eine virtuelle Realität. Aufgrund seiner massiven Nutzung von Twitter, Facebook & Co., gepaart mit oft kontroversen Aussagen, gelinge es Trump, Themen und die Taktung der Debatte zu setzen, so Endler. „Wenn ihm einfällt, dass die Nato obsolet ist, taucht das Thema plötzlich wieder auf und ist sofort auf den Covern aller großen Zeitungen“, unterlegte der Politikwissenschaftler seine These mit einem Beispiel. Die Hoffnung, dass Trump irgendwann vom „Wahlkampf-„ in den „Präsidentschaftsmodus“ wechseln könne, bezweifelte er. Zurzeit liege die Halbwertszeit seiner Aussagen konstant bei „etwa 6-8 Wochen“.

Trumps Medieninteresse ein Produkt unserer eigenen Kritik

Einen eher verdeckten Grund machte Endler bei der Gesellschaft an sich aus. Von Trump gehe eine gewisse Faszination aus, er überschreite, wenn auch heftig kritisiert, Grenzen. Endler stellte zur Diskussion, „ ob diese exzessive Beschäftigung mit Trump auch Rückschlüsse auf uns selbst zulässt.“ Ein Narzisst spiegle sich an seinem Publikum und in gewisser Weise an seinen Kritikern. Trump zu kritisieren lässt uns gut fühlen, doch selbst wenn man sich kritisch äußert, „geht es um Trump“. Das verleite dazu, sich nicht mehr mit politischen Konzepten auseinanderzusetzen, denn „es wirkt schon konstruktiv sich von Trump abzugrenzen“, so Endler.

Darin sieht Endler aber nicht die gern beklagte Politikverdrossenheit. Vielmehr handele es sich um eine Verdrossenheit mit den politischen Entscheidungen. Das Interesse an der Politik - die Politisierung gerade durch die Wahl Trumps - sei deutlich zu sehen. Wenn überhaupt, kann das aktiv werden „im Sinne einer wehrhaften Demokratie“ als einzige positive Entwicklung in Folge der Wahl Trumps gesehen werden.

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