Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

"The Cut"

von Rita Schorpp

„Meine Filme handeln immer vom Suchen und Finden“

Fast 270 Gäste sahen den Film „The Cut“ und verfolgten das anschließende Filmgespräch. Star des Abends war der Regisseur Fatih Akin, dessen neuer Film mit viel Beifall bedacht wurde. Im Gespräch zeigte er sich spontan und nachdenklich. Kongenial ergänzt wurden seine Ausführungen von dem Publizisten Wolfgang Gust, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Völkermord an den Armeniern ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit zu bringen. Er war der Berater Fatih Akins für „The Cut“.

Asset-Herausgeber

„Der Stoff kam zu mir“, so Fatih Akin auf die Frage der Moderatorin Rita Schorpp, wie er auf den Völkermord an den Armeniern als Stoff für seinen Film gekommen sei. „“Ein gewisser Magnetismus war immer da.“ Akin beschrieb seine Reaktion, als er als Jugendlicher zum ersten Mal von dem Völkermord an den Armeniern hörte: „Was? Völkermord? An den Armeniern – wir, die Türken? Ich, ne, niemals! Das stimmt nicht!“ Dabei blieb er jedoch nicht stehen. Vielmehr begann er, alles zu lesen, was er zu dem Thema finden konnte. „Mir war dann schon eigentlich klar, irgendwann muss ich darüber einen Film machen.“

Wolfgang Gust erfuhr durch Zufall von dem Völkermord: Er las als Spiegel-Korrespondent in Paris ein Buch, in dem ein Armenier seine und die Geschichte seines Volkes erzählt, eine Geschichte, wie Gust sie bislang nur aus jüdischen Erzählungen kannte. Seine Betroffenheit spürt man noch heute: „Das hat mich nicht mehr losgelassen. Nur: Ich war fast 50 Jahre alt und seit 20 Jahren beim Spiegel und kannte das Thema nicht!“

Akin hat „fünf Jahre täglich an diesem Film gearbeitet. Ich bin morgens mit dem Völkermord aufgewacht und abends mit ihm ins Bett gegangen, und nachts hat er mich auch noch beschäftigt. Wenn man fünf Jahre in so einer Glocke lebt, dann denkt man, die ganze Welt weiß um den Völkermord.“

Für Akin ist Film als Kunstform „so ähnlich wie Billard. Die Kugel wird gestoßen und berührt andere Kugeln im Kopf - und mit dieser Motivation informiert man sich dann.“ Ihn interessieren Einzelschicksale, die vom Weiterleben nach dem Horror des Völkermords erzählen, denn „ich glaube nicht, dass die Geschichte mit Mord und Totschlag endet, sondern eben auch mit dem Überleben und mit dem Suchen, das bis heute andauert.“ In Jerewan fand er den dramaturgischen Leitfaden für seinen Film: Ein Denkmal in Form eines von einer Axt in zwei Hälften gespaltenen Baumes. Die Axt steht für den Völkermord, der Baum für das armenische Volk, gespalten in diejenigen, die geblieben und diejenigen, die gegangen sind. „Wie immer mein Film auszusehen hat, er muss aussehen wie dieses Denkmal. Und diese oralen Überlebensgeschichten waren kinematografisch so stark, dieses Überleben und Suchen.“ Und weiter: „Meine Filme handeln immer vom Suchen und Finden, von einer neuen Heimat und vom Weggehen, von der Emigration.“

Gust lobt Akin - mit Blick auf dessen Einfluss in der Türkei - für einen doppelten Tabubruch, und zwar das Tabu des Völkermords und das der bösen armenischen Diaspora, die in der Türkei regelrecht verteufelt werde. Aber eine junge türkische Elite befasse sich in den letzten fünf Jahren intensiv mit dem Thema Völkermord an den Armeniern.

Auf die Frage, wie sich der Bundestag 2015 verhalten solle angesichts des 100. Jahrestages des Völkermords an den Armeniern plädiert Gust für eine Gedenkveranstaltung. In seiner Resolution von 2005 verwendete der Deutsche Bundestag nicht den Begriff „Völkermord“. Mit Blick auf das kommende Jahr erklärt Akin: „Ich würde es Völkermord nennen, damit das Geschachere um das Wort endlich aufhört. Das Wort ist nicht wichtig. Wichtig ist, das Ereignis zu begreifen, anzunehmen und zu reflektieren. Nenn das Ding, was es ist, und mach weiter!“

Asset-Herausgeber

Kontakt

Rita Schorpp

comment-portlet

Asset-Herausgeber