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"Trump wird über Trump hinaus wirken"

von Markus Seyfarth

Rückblick des USA-Experten Tobias Endler auf das erste Jahr der Trump-Präsidentschaft

Die Gräben und Brüche innerhalb der amerikanischen Gesellschaft haben sich während Trumps Amtszeit vertieft, sagt Dr. Tobias Endler vom Heidelberg Center for American Studies. Anhänger und Kritiker stünden sich weiter unversöhnlich gegenüber. Doch die Marke "Trump" unterhalte, banne und schockiere. Diese Vermischung von Politik mit Entertainment werde zum Problem für das politische Establishment – und die politische Debatte leide massiv, so Endler. Er ist überzeugt, dass die USA – aber auch die Welt – die Auswirkungen der Präsidentschaft Trump noch lange nach seiner Amtszeit spüren werden.

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"62 Millionen Wähler haben ihm die Stimme gegeben und genug würden es bisher wieder tun, sodass er ein ernsthafter Kandidat für eine Wiederwahl 2020 ist." - Dr. Tobias Endler

Woher rührt diese exzessive Beschäftigung mit Donald Trump und was wird seine Präsidentschaft bringen? Bereits vor einem Jahr gingen die Konrad-Adenauer-Stiftung und Dr. Endler der Frage nach – und sie hat seitdem nichts an Aktualität eingebüßt. Mittlerweile ist die einfachste Antwort, dass seine 140-Zeichen-Tweets als Statement des mächtigsten Amtes der Welt gewertet werden und reale Konsequenzen haben. Sie haben Einfluss auf Börsenkurse, lassen diplomatische Verhandlungen platzen und geben den Ton in nationalen Debatten an.

Gleichzeitig brechen die Eilmeldungen aus dem Weißen Haus seit Monaten nicht ab. Rücktritte von Ministern und Beratern, Beleidigungen und die laufenden Ermittlungen über die Verstrickung Russlands im Wahlkampf bestimmen die Titelseiten. Die Marke "Trump" verkauft sich blendend. Die Medienkonzerne und Verlagshäuser, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung bei der Berichterstattung, nutzen das anhaltende Interesse gezielt. Seit Anfang Januar 2018 hat das erste Buch über die Präsidentschaft Donald Trumps ‚Fire and Fury‘ vom Boulevard-Journalisten Michael Wolff mehr als 1,7 Millionen Exemplare verkauft. Die Quellen und die Umstände, unter denen die Informationen erworben wurden, sind größtenteils unklar. Dennoch ist der Image-Schaden enorm und seine Kritiker sehen die schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

"Pathos des Amtes" - "Präsidiales Verhalten"

Alle Hoffnungen, dass Trump in das Amt hineinwächst und vom "Wahlkampfmodus" in den "Präsidialmodus" wechselt, haben sich bisher nicht erfüllt. Er unterminiert gezielt den "Präsidialpathos" und die damit verbundenen Umgangsformen. In der politischen Kommunikation wird das "dog-whistle politics" genannt. Der Ton seiner Botschaft ist direkt an seine Zielgruppe gerichtet, beispielsweise seine circa 62 Millionen Wähler und etwa 47 Millionen "Follower" auf Twitter. Die eigentliche Absicht ist das Absetzen einer unterschwelligen Botschaft: "Er ist einer von uns".

Die Hektik, das Hinterherhecheln und die gefühlte Atemlosigkeit der Empfänger und Konsumenten hat System. Sie sorgt für Ablenkung und generiert einen Sog der Aufmerksamkeit, dem man sich nur schwer entziehen kann. Vielen Amerikanern ist Trump durch seine Casting-Show 'The Apprentice' bekannt. Hier findet eine Verschmelzung von Politik und Medien statt, die es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat.

Endler ist der Überzeugung, dass man Trump als "Original" anerkennen muss. Er schaffe es nach über einem Jahr sich noch immer als "Underdog" darzustellen, der gegen das politische Establishment in Washington kämpft. Das hat sich auch beim letzten Notstands-Haushalt gezeigt.

Die Steuerreform ist in den Augen vieler amerikanischer Bürger der erste Erfolg der Trump-Administration. Die Unternehmenssteuer sinkt von 35 Prozent auf 21 Prozent. Damit liegt der Steuersatz unterhalb des OECD-Satzes, was sich als Standortfaktor erweist. Apple und Siemens haben beispielsweise bereits darauf reagiert. Die Milliardenbeträge vieler Großkonzerne, die im Ausland geparktes Kapital nachträglich wesentlich günstiger versteuern, sind natürlich ein riesiger medialer Gewinn. Dass diese Vergünstigung auch gegenfinanziert werden muss, dürfte sich erst nach seiner Amtszeit bemerkbar machen.

"Anti-These zu Obama"

Insbesondere zum Ende der Amtszeit von Barack Obama nutzte er seine Befugnisse und setzte seine Agenden mittels "Executive Orders" um. Viele der Punkte des Wahlprogramms von Präsident Trump basierten auf dem Versprechen Obamas Kurs schnellstmöglich um 180° zu drehen. Da "Executive Orders" keine formalisierten Gesetze sind, konnte er dieses Versprechen auch umgehend einlösen. Im Niedriglohnsektor wird illegale Einwanderung durchaus als Konkurrenz und als Gefahr empfunden. "Das trägt große Teile des Staates Kalifornien und die Republikaner haben das lange Zeit toleriert, dass große Firmen wie Ford, Chrysler und andere Illegale beschäftigen, um Lohnkosten zu drücken und billiger produzieren können. ... Das war ein offenes Geheimnis."

Die Wahl Trumps zum Präsident kann nur als direkte Reaktion auf die Präsidentschaft von Barack Obama verstanden werden. Er bildet in allen politischen Bereichen bewusst einen Gegenpol. Dr. Endler benutze die Metapher eines Pendels, dass unter Obama politisch sehr nach links und global ausschlug und nun eben so stark unter Trump nach rechts und national zurück schlägt.

Die Trump-Berater H.R. McMaster und Gary Cohn veröffentlichten im 'Wallstreet Journal' eine Analyse zu Präsident Trumps Perspektive auf die Außenpolitik. Seine Perspektive als Geschäftsmann überträgt er auf die Außenpolitik und versteht er sich primär als "Dealmaker". Für ihn gibt es keine internationale Gemeinschaft, sondern nur eine Arena und eigene Interessen, die es durchzusetzen gibt. In der Politikwissenschaft wird diese Sichtweise „Nullsummenspiel“ genannt – des einen Gewinn, ist des anderen Verlust.

Die Arbeitsebene in den zahlreichen Ministerien und Institutionen, die international aktiv sind, bemüht sich um Schadensbegrenzung. Doch untergräbt Präsident Trump regelmäßig durch seine Kommunikation die eigenen diplomatischen Abgesandten. Gleichzeitig ist das US-Außenministerium in einem desolaten Zustand. Der Personalnotstand ist akut und nach Einschätzungen von amerikanischen Experten ist es derzeit effektiv nicht arbeitsfähig.

Und welche Rolle Deutschlands in Trumps Welt? Bisher hauptsächlich die eines "unfairen Handelspartners" und eines Landes, welches seinen finanziellen Beitrag in der NATO nicht leistet. Dies stellt die deutsche Außenpolitik vor große Herausforderungen. Nach über einem Jahr Amtszeit ist noch immer kein Botschafter für Deutschland ernannt worden und dies sagt einiges über die Prioritäten in der Trump-Administration aus. Hier erweist sich die viel zitierte Einschätzung der neuen transatlantischen Beziehung von Bundeskanzlerin Angela Merkel als sehr zutreffend.

Bilanz und Aussicht

Für den Senat und das Repräsentantenhaus stehen im November 2018 "Halbzeitwahlen" an. Es formiert sich zwar ziviler und politischer Protest, aber die Demokraten haben massive Schwierigkeiten eine sinnvolle Opposition zu formieren. Der "lange Schatten" von Hillary Clinton wird zum Problem für die Partei. Sie zieht Aufmerksamkeit auf sich, hat aber keine realen Chancen auf eine neue Kandidatur. Andere Anwärter verkörpern häufig den Idealtypus der gebildeten liberalen "Ostküsten-Elite" und würden eine mögliche Wiederwahl Trumps begünstigen. Außerdem haben sie erfahrungsgemäß Schwierigkeiten Minderheiten zu mobilisieren. An der Initiative die TV-Größe Oprah Winfrey als Kandidatin zu nominieren lässt sich die Ratlosigkeit der Demokraten ablesen.

Laut aktueller Umfragen sind noch immer insgesamt 39,8 Prozent mit seiner Amtsführung zufrieden. In Wirtschaftsfragen sind es sogar 47 Prozent. An diesem Punkt zeigt sich die verzerrte Wahrnehmung im Vergleich zu Deutschland sehr deutlich. Die Wahlen in den USA werden primär über innenpolitische Themen gewonnen und hier ist die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend.

Das Verfassungssystem basiert auf "checks and balances", aber Präsident Trump wird jetzt schon über seine Amtszeit hinaus wirken. Zum Beispiel wurde ein persönlicher Kandidat beim "Supreme court", dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, zum Richter auf Lebenszeit ernannt.

Im Bereich der kritischen Medien gibt es ebenfalls bedenkliche Anzeichen. Der Trump-kritische TV-Sender CNN gehört zur 'Time Warner'-Gruppe, welche mit der AT&T-Gruppe fusionieren möchte. Bisher blockiert das Kartellrecht diese Fusion, allerdings gibt es Andeutungen aus dem Weißen Haus, dass bei einem geänderten Ton bei der Berichterstattung diese Entscheidung angepasst werden könnte. Ähnliches lässt sich bei der Zeitung 'Washington Post' beobachten.

Die Brutalisierung der Sprache und der Kommunikation bereite einigen Personen große Sorge. Die Gewöhnung lässt sich bereits im Alltag spüren und auch in Europa wird bereits darauf reagiert. Dies ist kein neues Phänomen, aber der Trend erreichte unter der Präsidentschaft von Trump einen neuen Höhepunkt und wird zunehmend salonfähiger.

Die vage Hoffnung auf ein Amtsenthebungsverfahren teilte Dr. Endler nicht. Der Prozess ist sehr komplex und langwierig, zudem würde dafür die Unterstützung der Republikaner benötigt werden. Dafür gebe es im Kongress auf absehbarer Zeit keine Mehrheit. Widerstand innerhalb der Republikanischen Partei regt sich bisher nur bei Senatoren, die am Ende ihrer Karriere sind. Eine Amtsenthebung gegen einen republikanischen Präsidenten ist der Basis kaum zu vermitteln.

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Die Politische Meinung
16. Februar 2018
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