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Veranstaltungsberichte

2 ungleiche Schwestern

von Jana Biesterfeldt

Berlin und Breslau – Eine Lesung in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek

Über 300 Kilometer Entfernung trennen Berlin und Breslau. Es verbindet sie aber mehr als nur eine Eisenbahnstrecke. Breslau, oft als „Vorort Berlins“ bezeichnet, war dieses Jahr europäische Kulturhauptstadt. Umso mehr ein Grund sich intensiver mit der Beziehungsgeschichte der beiden Städte zu befassen.

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Die Herausgeber Matheusz Hartwich und Uwe Rada hatten drei Monate Zeit das Buch „Berlin und Breslau. Eine Beziehungsgeschichte“ mit 22 Essays von deutschen und polnischen Schriftstellern zusammenzustellen. Das Bedürfnis über die gemeinsame Geschichte zu schreiben, ließ alle Autoren sofort zusagen. Die beiden Herausgeber selbst stellten das Werk in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek, in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, vor.

In Breslau fanden sich immerzu Spuren von Berlin, und umgekehrt. Viele Breslauer zog es nach Berlin, so entstand auch das Stereotyp, wonach „jeder zweite Berliner ein Schlesier“ sei. Die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg beendeten die vorherigen guten Verbindungen und brachten Zerstörung, Chaos und Vertreibung in beide Städte. Breslau wurde polnisch und es fand ein „einmaliger Bevölkerungsaustausch“ statt. Für die neuen Bewohner blieb Breslau lange eine „fremde Stadt“.

Dahingehend schilderte der gebürtige Breslauer Wolfgang Thierse in seinem Essay seine Familiengeschichte, die aufgrund ihrer Vertreibung exemplarisch eine „europäische Familiengeschichte des 20. Jahrhunderts“ sei. Bei der Lesung selbst stellte sich heraus, dass auch die Hälfte des Publikums Wurzeln in Breslau hatte und alle haben ihre eigenen Geschichten, die sie mit der Stadt und ihrer Vergangenheit verbinden.

Heute ist Breslau eine „Stadt der Begegnungen“ und macht als Kulturzentrum Krakau Konkurrenz. Die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit wird wieder lebendig, nachdem jahrzehntelang der deutsche Ursprung und seine Spuren in Breslau gelöscht wurden. Die Stadt habe zwei Gesichter, eine Doppelidentität. Die Grenze verlaufe, so in einem Essay beschrieben, zwischen „fremder Vergangenheit und heimischer Gegenwart“. Nun ist Breslau selbstbewusst Teil eines „gemeinsamen europäischen Kulturerbes“ und nimmt seit den 1990er Jahre die Beziehungen, insbesondere im Bereich der Kultur, wieder zu Berlin auf.

Bei den Gemeinsamkeiten der „ungleichen Schwestern“ ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass Steven Spielberg seinen in Berlin spielenden Film „Bridge of Spies“ in Breslau als Berliner Kulisse drehen ließ.

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