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Veranstaltungsberichte

Albanien kämpft gegen die Schatten der Vergangenheit

von Constanze Brinckmann

Außenpolitischer Gesprächskreis mit Walter Glos

Von einem der ärmsten Länder in Europa hat sich Albanien in nur wenigen Jahren zum aussichtsreichen EU-Beitrittskandidaten entwickelt. Das kleine Land auf der Balkaninsel mit gerade mal 2,85 Millionen Einwohnern strotzt vor Selbstbewusstsein, doch wird es die Herausforderungen, die mit einem Eintritt in die Europäische Union einhergehen, meistern können? Walter Glos, Leiter unseres Auslandsbüros in Tirana, war in der letzten Woche zu Gast beim außenpolitischen Gesprächskreis in Berlin und schilderte seine persönlichen Eindrücke nach gerade sechs Monaten Auslandseinsatz.

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“Alles hat mit der Vergangenheit zu tun“

Bis heute ist die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit eine der schwierigsten Aufgaben, vor denen Albanien steht. „Bisher ist so gut wie nichts aufgearbeitet“, sagt Walter Glos hierzu. Der Umgang mit den Opfern der kommunistischen Diktatur, Entschädigungen für die ehemals politisch Verfolgten und inhaftierten in den Lagern, die Errichtung von zentralen Gedenkstätten – Albanien steht bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte noch ganz am Anfang. Die Konrad-Adenauer-Stiftung leistet mit ihrer Arbeit einen enorm wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung. Gemeinsam mit dem im Jahr 2015 gegründeten Partner, dem „Institute for Democracy, Media and Culture“ und der OSZE arbeitet die KAS u.a. daran, die untereinander zerstrittenen Opferverbände miteinander zu vereinen. Ziel der Bemühungen ist dabei die Errichtung einer zentralen Gedenkstätte oder eines Gedenktages sowie die Arbeit mit jungen Studenten.

Im Kampf gegen die Korruption

Gute Examensnoten, Gerichtsurteile, Baugenehmigungen oder sogar Wählerstimmen – wer in Albanien das nötige Kleingeld hat, kann sich das Leben leichter machen. Das soziale Gefälle ist in Albanien besonders ausgeprägt. Während der durchschnittliche Monatslohn eines einfachen Arbeiters bei rund 150 Euro liegt, leistet sich die Elite des Landes teure Autos, Häuser und Yachten. Vor allem im Bereich der Rechtsprechung steht Korruption auf der Tagesordnung. Eine Justizreform, die zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit führen soll, ist dringend notwendig. Es scheint, dass vor allem die bisherigen Nutznießer des korrupten Systems an Reformen nicht interessiert sind.

EU-Beitritt oder doch nicht?

In den letzten Woche gaben sich hochrangige Politiker in Tirana die Klinke in die Hand: Neben Bundestagspräsident Norbert Lammert, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, US-Außenminister John Kerry sind auch EU-Beitrittskommissar Hahn sowie die MdEPs Fleckenstein und Kukan ständige Gäste. Zudem weilte neben der südeuropäischen Parlamentariergruppe des deutschen Bundestags auch eine Delegation der CDU zur „fact finding mission“ in Albanien. Die internationale Gemeinschaft will nach vielen Jahren der Unterstützung Albaniens endlich Ergebnisse sehen. Am 21. Juli wird entschieden, ob die lang diskutierte Justizreform vom albanischen Parlament angenommen wird oder nicht. Die Abstimmung ist zugleich eine von der EU und den USA gesetzte Deadline, denn ohne diese Reform, bei der rund ein Drittel der Verfassung und 50 Gesetze geändert sowie mehr als 800 Richter und Staatsanwälte überprüft werden, kommen die EU-Beitrittsverhandlungen erneut zum Erliegen. „Wenn Albanien so weiter macht und die Justizreform nicht beschließet, ist es 2030 noch kein Mitgliedsstaat der EU“, prognostiziert Walter Glos. Dabei hat das kleine Land viel zu bieten: Rohstoffe und Mineralien, landwirtschafte Erzeugnisse und das Potenzial, in Zukunft viele Touristen in den landschaftlich schönen und gastfreundlichen Balkanstaat zu locken. Große Hoffnungen setzt Walter Glos schließlich auf die junge Generation in Albanien, die Glos als wissenshungrig und europafreundlich beschreibt.

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Kontakt

Christian Schleicher

Christian Schleicher bild

Stellvertretender Leiter Politische Bildungsforen und Leiter Politische Bildungsforen Süd

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