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Veranstaltungsberichte

Common Grounds: Ways to Regional Cooperation in South Asia

von Dr. Kristina Eichhorst, Marcel Schepp

Challenges and Chances for Peace and Stability in the SAARC Region

Die Konferenz fand vom 3. bis 5. Juli 2011 in der Evangelischen Bildungsstätte Schwanenwerder in Berlin statt. Zu Gast war eine Delegation von Vertretern südasiatischer Think Tanks und affiliierter Partner, die dem von der KAS unterstützten Netzwerk “Consortium of South Asian Think Tanks (COSATT)“ angehören. Ziel der Veranstaltung war es, sowohl Handlungsempfehlungen für die regionale Kooperation in Südasien zu formulieren als auch darüber hinaus neue Wege und Kooperationsmöglichkeiten für COSATT zu erörtern.

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Die Region Südasien ist von enormer strategischer Bedeutung. Der Subkontinent vereint den mit Abstand größten Teil der Bevölkerung Asiens auf sich. Weit wichtiger noch: Südasien ist von einer inter- und intrastaatlichen Gemengelage geprägt, die einzigartig sein dürfte. Neben dem Krieg in Afghanistan, dem schon seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Indien und Pakistan und der volatilen Situation Sri Lankas seit dem Ende des Bürgerkrieges, sehen sich nahezu alle Länder Südasiens ähnlichen innenpolitischen Problemen ausgesetzt. Hierzu zählen u. a. erhebliche Armut und sozioökonomische Disparitäten, wiederkehrende innenpolitische Aufstände und Terrorismus sowie die nach wie vor kaum abschätzbaren Auswirkungen des Klimawandels. Allerdings sind weder die südasiatischen Staaten selbst, noch ihr immerhin schon seit 1985 bestehender regionaler Zusammenschluss, die “South Asian Association for Regional Cooperation“ (SAARC), dieser Bedeutung aus geopolitischer Sicht bislang gerecht geworden. Die Staaten Südasiens werden kaum als regionale Einheit wahrgenommen, agieren jedoch auch kaum als eine solche. Den Status der regionalen Kooperation in Südasien auszuloten und Perspektiven für die regionale Zusammenarbeit in der SAARC-Region zu entwerfen war vor diesem Hintergrund das Ziel der von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veranstalteten Fachkonferenz “Common Grounds: Ways to Regional Cooperation in South Asia Challenges and chances for peace and stability in the SAARC Region“.

 

Den Auftakt zur Konferenz bildete ein Abendessen der Delegationsteilnehmer, Referenten und geladener Gäste am Sonntag, den 3. Juli 2011, mit dem Asienbeauftragten im Auswärtigen Amt, Botschafter Dr. Cyrill Nunn. Botschafter Nunn, der sich bereits vor dem Abendessen mit den südasiatischen Delegationsteilnehmern im Rahmen einer informellen Diskussionsrunde ausgetauscht hatte, hielt eine Rede zum Thema „German Foreign Policy towards South Asia: Challenges Ahead“, der eine angeregte Diskussion mit den anwesenden Gästen folgte.

 

Die offizielle Eröffnung der Konferenz fand am Montag, den 4. Juli, statt. Dr. Gerhard Wahlers, Stellvertretender Generalsekretär der KAS, hob in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung regionaler Kooperation für wirtschaftliche Performanz und soziale Gerechtigkeit hervor und führte als Beispiel hierfür den gelungen Integrationsprozess der Europäischen Union an. Das folgende erste Diskussionspanel widmete sich dem Status Quo in der Region sowie den Hindernissen einer stärkeren regionalen Integration der SAARC. Identifiziert wurden hier vor allem zwei Aspekte: mangelnder politischer Wille sowie ein grundlegendes Misstrauen der Staaten untereinander, für das starke Nationalismen, unterschiedliche Geschichtswahrnehmungen und die hieraus resultierenden latenten und offenen Konflikte verantwortlich seien. In der Folge zeichneten sich die südasiatischen Staaten durch einen schwachen Vernetzungsgrad und eine erstaunlich geringe wirtschaftliche Interdependenz aus. All diese Faktoren stünden einem Ausbau der bislang schwachen Institutionalisierung der SAARC und einer effektiven Implementierung bestehender Mechanismen im Wege. Gleichwohl war der Hauptredner, Generalmajor Dipankar Banerjee, Direktor des Institute of Peace and Conflict Studies (IPCS) in Neu-Delhi, zuversichtlich, dass auch SAARC sich langfristig der Entwicklung der Vorbilder ASEAN und sogar der EU annähern werde.

 

Dass es nicht nur zwischenstaatliche Hindernisse sind, die eine Vertiefung der regionalen Kooperation verhindern, offenbarte das zweite Diskussionspanel. Nishchal Pandey, Direktor des Centre for South Asian Studies (CSAS) in Kathmandu, erläuterte in einer Gesamtschau der Staaten Südasiens anschaulich, welchen Herausforderungen die z. T. noch jungen Demokratien der Region gegenüberstehen. Als wiederkehrende Probleme für deren Konsolidierung nannte er u.a. beharrende dynastische Herrschaftsstrukturen, ökonomische Misswirtschaft, Armut sowie bewaffnete Konflikte. Indes sieht Pandey die SAARC auch als eine Chance: Die Organisation biete die Möglichkeit, informelle Gespräche auf der zweiten Regierungsebene zu führen, und befähige darüber hinaus auch dazu, indirekte Vereinbarungen zu treffen. Einig waren sich alle Diskussionseilnehmer, dass Indien hier gefragt sei, bei diesem Prozess eine proaktive und konstruktive Führungsrolle zu übernehmen.

 

Nach diesen beiden einleitenden Panels standen die einzelnen Problemfelder und Herausforderungen der Region auf der Tagesordnung. Den Anfang markierte ein Vortrag von Dr. Simbal Khan, Leiterin der Abteilung für Afghanistan und Zentralasien am Institute of Strategic Studies Islamabad (ISSI) in Islamabad. Dr. Khan referierte über die Bedeutung islamistischer Terrorbewegungen für nationale Sicherheit und regionale Stabilität. Die pakistanische Expertin für Sicherheitsfragen legte anschaulich dar, wie es den islamistischen Gruppierungen der Großregion Süd- und Zentralasien seit 2001 gelungen sei, ihre Agenden mit den politischen und gesellschaftlichen Konfliktlinien der Region zu verknüpfen und diese so auf die geopolitische Ebene zu heben. Die nahezu gängige Gegenreaktion des Staates, hierauf mit annähernd indifferenter Gewalt zu reagieren, verstärke diese Problematik zusehends und erleichtere es den terroristischen Bewegungen zudem unter der betroffenen Bevölkerung Nachwuchs zu rekrutieren.

 

Eng verknüpft mit der Problemlage einer zusehends entfremdeten Bevölkerung ist die Prob-lemlage, die das folgende Panel thematisierte: die zunehmende Knappheit von Energie und Ressourcen. Wasser- und Nahrungsmittelknappheit, gepaart mit unzuverlässiger Energieversorgung und schlechter Ressourcenausnutzung stünden in krassem Widerspruch zu der ansteigenden Nachfrage durch stetiges Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, so Tashi Choden, Senior Researcher am Centre for Bhutan Studies (CBS) in Thimphu. Politischer und Sozialer Druck seien die unmittelbare Folge. Um den Mangel z.B. an hochentwickelter Technik auszugleichen, empfahl sie, verstärkt auf bi- und multilaterale Verträge zwischen den Staaten, vor allem im Bereich der Wasserwirtschaft, zu drängen. Letztlich alternativlos auf lange Sicht sei zudem die konsequente Nutzung erneuerbarer Energien, gerade auch um Wirtschaftswachstum zu erhalten.

 

Das fünfte Diskussionspanel am dritten Tag der Konferenz widmete sich – ebenfalls in enger Beziehung zu den vorgenannten Aspekten – dem Themenkomplex Armut, Soziale Ungleichheit und Wirtschaftswachstum. Die Referentin, Dr. Nisha Taneja, Professorin am Indian Council for Research on International Economic Relations (ICRIER) in Neu Delhi, eröffnete die Runde mit einem Vortrag über die Perspektiven des intraregionalen Handels aus indischer Sicht. Sie kam dabei zu dem Schluss, dass alle Staaten Südasiens eine tendenziell eher defensive Handelspolitik pflegten und dass Indien dabei als dem größten Handelspartner eine asymmetrische Führungsrolle zukäme. Das Problem hierbei sei indes, dass Indien nach wie vor zu wenig Marktzugang gewähren würde, was sich – im Übrigen auch vonseiten der anderen Staaten – in einer nahezu unüberschaubaren Vielzahl tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse äußere. Hinzu käme das gestörte Verhältnis zwischen Indien und Pakistan, das ob der wirtschaftlichen Bedeutung beider Staaten die intraregionale Wirtschaftszusammenarbeit zusätzlich lähme. Unmittelbare Folge und Ausdruck dieser Hemmnisse sei u. a. ein florierender informeller Handel, der den Anteil des intraregionalen Handels am Gesamthandelsvolumen Südasiens (ca. 5 %) bezeichnenderweise fast vervierfache (ca. 15-20 %), so Taneja.

 

Den Abschluss der Diskussion bildete ein Panel über Klimawandel und Umweltzerstörung. Wie schon im Vortrag von Tashi Choden angeklungen, sieht sich die Region einem schwer kontrollierbaren Kreislauf aus schmelzenden Gletschern, dysfunktionalem Wassermanagement und sich daran anschließenden -konflikten, vielfältigen Umweltverschmutzungen sowie dadurch angestoßenen Migrationsbewegungen ausgesetzt. In einer umfassenden Datenschau demonstrierte Generalmajor A. N. M. Muniruzzaman, Präsident und CEO des Bangladesh Institute for Peace and Security Studies (BIPSS) in Dhaka, wie stark sich die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels auf die Region im schlimmsten Fall auswirken könnten. Betroffen wäre dabei nicht nur die individuelle Sicherheit der Bürger Südasiens hinsichtlich Wasser-, Nahrungs- und Energieversorgung sowie Gesundheit und Lebensstandard, sondern auch die staatliche Integrität an sich, z.B. durch mögliche soziale Unruhen, Terrorismus, inter- und intrastaatliche Konflikte oder sogar den Kollaps ganzer Nationalstaaten. Obschon die SAARC hier durchaus mit Initiativen aufzuwarten wisse – z.B. dem SAARC Action Plan on Climate Change von 2008 oder dem Thimpu Statement on Climate Change 2010 – mangele es diesbezüglich sowohl an Verbindlichkeit als auch an politischem Willen, diese Herausforderungen konzertiert anzugehen. Allem voran gälte es daher zunächst einmal, Mechanismen für Katastrophenmanagement staatenübergreifend aufzubauen und zu koordinieren.

 

Obschon das so gezeichnete Bild Südasiens mitunter wenig Anlass zu Optimismus zu bieten scheint, waren die Teilnehmer der Konferenz sich einig, dass heute – entgegen der Situation vor fünf Jahren – durchaus Anlass für Hoffnung bestünde. Gemäß dem Ziel der Konferenz wurden daher in einer letzten Diskussionsrunde, die vom Leiter des Teams Asien und Pazifik der KAS, Dr. Stefan Friedrich, mit einer Zusammenfassung der Tagung eingeleitet und moderiert wurde, Empfehlungen formuliert. Diese werden – u. a. durch das COSATT-Netzwerk – an führende Politiker der Region weitergeleitet. Ein kursorischer Auszug aus dem umfassenden Empfehlungskatalog umfasst

u. a. folgende Aspekte:

 

 

 

 

 

 

 

 

  • die stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen in die SAARC, z.B. durch deren offizielle Akkreditierung,
  • die Initiation regelmäßiger, informeller Treffen auf der obersten Regierungsebene,
  • die Stärkung von Rechtsprechung und -durchsetzung bei gleichzeitigem „Mainstreaming“ extremistischer Gruppierungen,
  • den Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse, z. B. im Bereich der Erteilung von Visa,
  • das Ausloten von Kooperationsmöglichkeiten im Energie- und Wassersektor und
  • die Etablierung einer regionalen Umwelt- und Klimastrategie, um den gegenseitigen Austausch und die Dokumentation von Klimadaten zu verbessern.
Geäußert wurde schließlich auch der Wunsch nach einer höheren Präsenz Deutschlands und der EU in der Region, z.B. durch die Teilnahme hochrangiger Regierungsvertreter am kommenden SAARC-Gipfel auf den Malediven am 10. und 11. November 2011. Zudem wurde angeregt, den Austausch zwischen den Staaten insbesondere auf der lokalen Ebene (z.B. durch Austauschprogramme für Jugendliche und Gemeindemitglieder) zu fördern, um so die eigentliche Herausforderung der Region – den Mangel an Kommunikation zwischen den Menschen Südasiens – aus dem Feld intergouvernementaler Konflikte herauszunehmen und so das Verständnis für die jeweils andere Seite zunächst einmal auf einer ganz grundlegenden Ebene anzustoßen. Denn einig waren sich Teilnehmer der Veranstaltung alle: Sowohl die Probleme regionaler Kooperation in Südasien als auch Vorschläge zu deren Lösungen liegen auf dem Tisch; allein, es mangelt (noch) an dem politischen Willen, diese auch gemeinsam anzugehen.

 

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Marc Frings

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