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Veranstaltungsberichte

Das Tempo des Netzausbaus bestimmt das Tempo der Energiewende

von Rita Schorpp
Zweite Veranstaltung in der Reihe "Zukunftsblicke" zum Thema "Energiewende"

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„Ohne Netze kein Strom“ lautete das Thema der zweiten Veranstaltung zur „Energiewende“ in der Veranstaltungsreihe „Zukunftsblicke“. Wurden im ersten Schritt die Möglichkeiten, Herausforderungen und Chancen der Energiewende auf kommunaler Ebene erörtert, so richtete sich dieses Mal der Blick auf die Situation auf der Bundesebene.

Zur Diskussion geladen waren Olivier Feix, Pressesprecher des deutschen Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz Transmisson, der ehemalige Staatssekretär des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Dr. Alexander Schink, sowie Rainer Baake, ehemaliger Staatssekretär zunächst des hessischen, später des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und heute Direktor der Initiative Agora Energiewende.

Olivier Feix stellte zunächst den Netzentwicklungsplan Strom der Energienetzbetreiber vor. Der Netzentwicklungsplan (NEP) 2012 zeigt auf, welche Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, zur Verstärkung und zum Ausbau des deutschen Höchstspannungsstromnetzes für die Jahre 2022 und 2032 für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Der Bericht beschreibt keine konkreten Trassenverläufe von Übertragungsleitungen, sondern er dokumentiert den notwendigen Übertragungsbedarf zwischen Netzknoten. Das heißt, es werden Anfangs- und Endpunkte von zukünftigen Leitungsverbindungen definiert sowie konkrete Empfehlungen für den Aus- und Neubau der Übertragungsnetze an Land gegeben. Feix erklärte die Entstehung des Plans, sowie dessen Prüfung durch unabhängige Organisationen wie die Deutsche Netzagentur. Von besonderer Bedeutung ist die Transparenz des Planungsverfahrens. In dem vorgestellten zweiten Entwurf wurden bereits die rund 200.000 schriftlich eingegangenen Stellungnahmen berücksichtigt. Soweit die Einsender ihre Zustimmung gegen haben, sind sie auf der Website "Netzentwicklungsplan" veröffentlicht (siehe Link). Das Tempo des Netzausbaus bestimmt auch das Tempo der Energiewende in der Republik. Ohne einen Netzausbau sei – so die einhellige Überzeugung der Referenten - die Energiewende in Deutschland nicht möglich.

Die anschließende Diskussion begann mit der Frage, ob die Energieversorgung in Deutschland – Presseberichten über die Situation im vergangenen Winter folgend - gefährdet sei. Rainer Baake beantwortete sie mit einem klaren „Nein!“. Dennoch müssten die Netze schnellstmöglich ausgebaut werden. Man habe durch die Transparenz des Planungsverfahrens politisch und gesetzlich eine neue Situation geschaffen, was ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Energiewende sei.

Dr. Alexander Schink betonte, die Einsicht in die Pläne würde keineswegs automatisch Akzeptanz bei den Bürgern schaffen. In der Theorie wird der Netzausbau von der Mehrheit der Bevölkerung zwar akzeptiert, stößt jedoch häufig dann auf Ablehnung, wenn die geplanten Stromtrassen in der Nähe des eigenen Wohnorts oder gar Wohnhauses verlaufen sollen. Die frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort ist unverzichtbar.

Man müsse über Kompromisse sprechen, sagt Baake und brachte damit das Thema der Mindestabstände einer Starkstromleitung (380kV) zu Wohnhäusern in die Diskussion ein. Schink bezweifelte jedoch, dass die Netzverleger die vorgeschlagenen Mindestabstände immer einhalten könnten. Feix unterstützte Schinks Einschätzung und kam auf die Problematik der Verlegung zu sprechen. Ein Problem stelle nicht nur die oft dichte Besiedelung dar, sondern auch die wertvollen ökologischen Flächen, die unter Schutz stehen. Tendenziell müsse man sich daher an bereits bestehenden Schneisen wie Autobahnen oder Eisenbahngleisen orientieren. Immer möglich sei dies allerdings nicht. Dann müsse die Abwägung zwischen oberirdischer und unterirdischer Verlegung der Kabel getroffen werden. Ebenso müsse der möglichen Ertüchtigung bereits bestehender Kabeltrassen hohe Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Der Vorschlag einer "Bürgerdividende beim Ausbau der Netze" von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der Anleihen für Kleinsparer mit 5% Dividende in die Diskussion einführte, wurde durchaus positiv beurteilt. Damit stellte sich die Frage nach den Kosten des Netzausbaus: Alle Referenten betonten, dass die vorgesehenen 20 Mrd Euro unter Garantie vorhanden seien und Kostenabweichungen in den im Plan bedachten Szenarien mit eingearbeitet wären. Zudem handele es sich im Vergleich zu den Kosten des Netzausbaus in den 1980er Jahren sogar um „verhältnismäßig wenig Geld“. Je länger man jedoch den Netzausbau hinauszögere, desto teurer würde er. Auf die Frage, wann sich die Energiewende auch für den Verbraucher lohnen würde, antwortete Baake spontan „Nicht morgen.“ Die Energiewende erfordere zunächst sehr hohe Investitionen, welche sich aber auf Dauer lohnen und auszahlen würden. Schließlich seien die Energieträger Sonne und Wind „zum Nulltarif“ zu haben.

Auf die Frage, ob ein möglicher Regierungswechsel wie etwa in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen Auswirkungen auf den Netzplan und seine Umsetzung hätte, betonte Dr. Schink das Interesse aller Bundesländer – unabhängig von der jeweiligen Regierungskoalition - am Netzausbau. Schließlich stünde der Termin für die Abschaltung aller Kernkraftwerke bereits fest – und bis dahin müsse für Ersatz gesorgt sein.

Das Speichern erneuerbarer Energien sei – so Baake - das teuerste Element der Energiewende. Speicher lohnen sich seiner Meinung nach erst, wenn Deutschlands Strom zu 70 bis 80% aus erneuerbaren Energien kommt. Er favorisiert den Stromhandel mit Skandinavien, dessen Seen riesige Speichermöglichkeiten böten.

Das große Interesse am Thema zeigte sich an der Dauer der lebhaften Diskussion, die mit fast zweieinhalb Stunden den geplanten Zeitrahmen von 90 Minuten weit überschritt. Man kann also durchaus auf die dritte Veranstaltung zum Thema „Energiewende“ gespannt sein. Sie wird der Frage nachgehen, ob und welche Folgen die deutsche Energiewende für die Energiepolitik der EU haben kann.

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