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Veranstaltungsberichte

Goethes ungeliebter Engel... eine Staatsfeindin?

Johanna Wech als Bettina von Arnim

Johanna Wech hat als übersensible Bettina von Arnim mit ihrem Stück „Goethes ungeliebter Engel... eine Staatsfeindin?“ das Publikum im Forum der Akademie begeistert. Eine feuilletonistische Nachbetrachtung.

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Johanna Wech in Aktion

Bettine im ersten Akt zart, entrückt... verzehrt sich im Spannungsfeld zwischen Goethe und Beethoven, den beiden Heroen des vorletzten Jahrhunderts, und greift im zweiten Akt mal triumphierend, mal erbarmungswürdig heruntergekommen in die Dornen der Zeit. Sie lindert die Leiden der Cholerakranken, kämpft für die Weber und sucht den Monarchen Friedrich Wilhelm IV., der bei: des Mondes güldnem Schein, manch wahnwitzigem Volksgedanken hinterher jagt und sein Volk in die Revolution (März 1848) treibt, zu einem liberalen Volkskönig zu erziehen.

„Letzte Nacht erschienen Eure Majestät mir im Traum. Im Traum, da hatte er Lust zu gewähren. Mit leichter Hand schüttelte er den Zweig der über ihm schwebte. Majestät machte keine Bedingungen, keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, fragte nicht: Soll ich oder soll ich nicht? – sondern gewährte mit leisem Lächeln...“

Das romantische Wesen scheint Bettine und den König zu verbinden. Regieren jedoch hat nichts mit Romantik zu tun. Opposition hingegen wächst aus romantischem Geist.

Derweil verhöhnt die Minister-Kamarilla Bettine als das scheußlichste, heilige Weib Preußens. Und Goethe? Den sie schon als Kind verehrte, ließ sich von Bettines Briefen zu Neuem inspirieren, ohne sie dabei zu nennen und hieß sie später öffentlich: Eine brummende, stechende nicht loszuwerdende Viehfliege. Das tut weh! „Bettine ist nicht mehr Goethes Engel sondern eine Rachefurie, die den toten Goethe vom Sockel stieß“, bemerkt Heinrich Heine.

Bettine kriecht in sich selbst zurück: „Auf dem Dach vom Taubenschlag, die Sonne in die Spree sinken sehn, das ist doch meines ganzen Lebens Aussicht“ sinniert sie und erwägt sich in die Fluten zu stürzen. Doch zuletzt wiegt sich: „eine schöne Harmonie von Melodien auf den Wellen und ein leichtes Schiffchen, trägt all die Seeligkeiten der Vergangenheit auf seinem Verdeck. Still, bedachtsam ziehts den Strom hinauf!“

Bettine hatte ihr Lebensgesetz begriffen: den Rhythmus zwischen Melancholie und Übermut und die Kraft, die aus solchem Wechsel erwächst! Ihre Geistsinnlichkeit ist keine Mutmaßung, sondern eine, von Johanna Wech mit spielerischer Intelligenz erfühlte Haltung. Sie verrät ihre Figur nicht an das, was man für Romantik hält, sondern lässt die quirlige Bettine neu auferstehen, indem sie in leicht selbstironischer Distanz immer wieder den Bezug zum Jetzt sucht.

Bettina von Arnim als Feuergeist, der zwischen Romantik und Revolution für mehr Menschlichkeit kämpft... bewegt doch der Aufbruch der Völker auf dem steinigen Weg hin zur Demokratie das Heute so wie einst im Vormärz!

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