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Veranstaltungsberichte

Intelligente Vernetzung

von Franziska Stader

Berlin im Wandel

Eine in Podiumsdiskussionen eher seltene Einigkeit unter den Referenten erlebten rund 70 Zuhörer/innen des Pankower Gesprächs zum Thema „Urbane Mobilität – Wohin wollen wir steuern?“. Das Verkehrssystem muss und wird sich in Richtung „intelligente Vernetzung“ bewegen, davon ist die Gesprächsrunde ebenso wie das Publikum überzeugt.

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Kontroversen gab es angesichts der Straßennutzung: Während der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) für mehr Radwege plädierte, möchte sich der Bezirk Pankow für mehr Straßenfeste und Spielstraßen einsetzen. Die BVG sprach sich wiederum für die ausschließliche Nutzung der Busspuren durch Busse aus, da zurzeit darüber diskutiert wird, ob diese Spuren auch von Elektrofahrzeugen befahren werden sollten.

Allgemein ist in den letzten Jahren ein Wandel im Verkehrssystem erkennbar: Zwar ist das Auto immer noch das wichtigste Verkehrsmittel, jedoch werden in Kernstädten bereits knapp über die Hälfte der zurückgelegten Kilometer ohne Auto getätigt, wie Prof. Dr. Niels Biethahn und Dr. Rainer Scholz mit den Ergebnissen der „Trendforschung zur Mobilität in der Stadt des 21. Jahrhunderts“ belegten. Besonders für die „Generation Y“ – die mit einem kompletten Leistungskurs Erdkunde des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums sehr stark im Publikum vertreten war - ist das Auto kein Statussymbol mehr und wird zunehmend von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln abgelöst. Da die Zahl der öffentlichen Verkehrsmittel jedoch begrenzt ist, müsse man laut Scholz diese intelligenter nutzen und besser miteinander vernetzen. Biethahn betonte dabei, dass hier für jede Stadt individuell der richtige Mix gefunden werden muss. Deshalb sei wichtig, dass Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammenarbeiten, damit die Mobilität den Anforderungen der Menschen gerecht werden könne.

Möglichkeiten an U- oder S-Bahnhöfen auf ein bereitstehendes Fahrzeug umzusteigen, Verkehrs-Apps für Smartphones und ein bargeldloses Abrechnungssystem für die Nutzung der Verkehrsmittel werden in Zukunft noch stärker nachgefragt werden, so Scholz. Diese Erfahrung teilt auch der Leiter der Abteilung Geschäftsentwicklung bei der BVG, Rico Gast: Kursbücher und Fahrscheine werden schon bald „beliebte Sammlerstücke“ sein. Seiner Meinung nach ist die Digitalisierung die wichtigste Entscheidung im Bereich der Mobilität.

Um herauszufinden, welches Verkehrsmittel für den jeweiligen Verbraucher das richtige ist, bietet der ADAC laut des Leiters der Abteilung „Test und Technik“, Prof. Dr. Reinhard Kolke, Beratungen an. Zu den wichtigsten Anforderungen an alle Fahrzeugtechniken zählt er Sicherheit, Alltagstauglichkeit, Kosten und Umwelt. Ein Technologiemix werde die Zukunft prägen, die vernetzter und hoffentlich auch sauberer sein werde.

Dass das Rad viele Lösungen für diese Anforderungen biete, darauf wies die Landesvorsitzende des ADFC Berlin Eva-Maria Scheel hin. Durch seinen Beitrag zur Gesundheit, zum Umweltschutz und zu weniger Lärmbelästigung erhöhe das Fahrradfahren die Lebensqualität. Doch eine „Klimawende ohne eine Verkehrswende“ könne nicht funktionieren. Der radikale Anstieg der Radfahrer in Berlin in den letzten Jahren müsse ein intelligenteres System mit mehr Fahrradstellplätzen und einer Ausweitung der Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme im ÖPNV nach sich ziehen.

Über die Geschäftsmodelle der neuen Mobilitätsformen referierte der Steuerberater Jens Henke. Neuere Trends wie die Nutzung von Fernbussen oder des Carsharings wirken sich auch auf Unternehmen wie die Deutsche Bahn aus. Für den Erfolg eines Geschäftsmodells müsse erstens die Mobilität so organisiert werden, wie sie der Kunde nachfragt. Zweitens seien unterschiedliche Modelle für Ballungsräume und ländliche Räume ratsam. Außerdem forderte er eine überarbeitete Gesetzgebung sowie eine Anpassung etablierter Marktteilnehmer an die neuen Entwicklungen, wie es bereits bei Daimler im Bereich des Carsharings und des Fernbusangebots der Fall ist. Henke sprach auch das Problem der Parkplatzorganisation an, für das es bereits erste Lösungsansätze gibt. So helfe Nutzern bei der Parkplatzsuche beispielsweise die „Parkonaut-App“, durch die man Parkplätze für den nächsten Fahrer freihalten könne. Insgesamt ist die Dominanz des Autos aber rückläufig, so Henke.

Eine Bedrohung für die BVG durch den Trend des Carsharings kann Gast mit Blick auf die großen Unterschiede in den Nutzerzahlen nicht erkennen. Er sieht dieses Angebot eher als eine Ergänzung des ÖPNV, den er als das „Rückgrat des Verkehrssystems“ bezeichnet. Andere Modelle müssen miteinbezogen werden, um die kompletten Wege der Bürger übernehmen zu können. Durch die steigende Anzahl an Angeboten, durch die Entwicklungen und Trends im Bereich der Mobilität und nicht zuletzt auch durch die sinkende Bedeutung des Autos könne man eine Veränderung in der Hauptstadt beobachten: „Berlin ist im Wandel!“.

Über diesen Wandel der urbanen Mobilität sprach auch der letzte Referent des Abends, der Bezirksstadtrat in Berlin-Pankow Dr. Torsten Kühne. Besonders wichtig sei in Zukunft die Frage der fairen Flächenaufteilung unter allen Verkehrsteilnehmern, bei der bislang die Autos zu Ungunsten der Fußgänger oder Fahrradfahrer deutlich im Vorteil sind. Außerdem sollte die Straße nicht ausschließlich nur für den Verkehr genutzt werden, sondern auch als Spielstraße und oder für Straßenfeste. Als Beispiel für mehr Flächengerechtigkeit erwähnte er den PARK(ing) DAY, in dessen Rahmen man einen Parkschein erwirbt und in dieser Zeit den Parkplatz zu Leseecken, Stränden oder Sitzgruppen umgestaltet. Den Großstadtverkehr im Allgemeinen bezeichnet Kühne als „Nahkampfzone“. Immer häufiger kämen Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern auf, die teilweise Tätlichkeiten und Übergriffe auf Polizisten mit sich bringen. Man könne eine gewisse „Schizophrenie“ beobachten, da sich die streitenden Verkehrsteilnehmer wechselseitig in der Situation des Fahrradfahrers, des Fußgängers oder eben auch des Autofahrers befinden, die Lage des jeweils anderen aber in diesem Moment nicht nachvollziehen können.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Christine Richter, Mitglied der Chefredaktion der Berliner Morgenpost, sprachen sich sowohl Kolke als auch Gast gegen mehr Eingriffe durch den Staat aus. „Es geht nicht darum, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern darum, diese zu vollziehen!“. In Bezug auf eine bessere Radverkehrsstrategie sieht Scheel in Berlin gute Voraussetzungen, die man nur effektiver nutzen müsse. Sie wünscht sich, dass man sich hier stärker an der Fahrradhauptstadt München orientiert.

Das Publikum sprach an, dass Kinder häufig mit dem Auto zur Schule gefahren werden. Daraus entstünden Probleme wie Parkplatznot und Konflikte zwischen den fahrenden Eltern. Es wurde angeregt, sich dafür einzusetzen, dass Kinder frühzeitig zu Fuß in die Schule gehen, um sie so zu mehr Selbstständigkeit zu erziehen und gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Der Fußweg sei zudem auch die sicherere Variante, da Kinder häufiger in einen Unfall verwickelt sind, wenn sie im Auto mitfahren als wenn sie zu Fuß unterwegs sind. Außerdem wurde die Schließung von Jugendverkehrsschulen als lösungsbedürftiges Problem vorgebracht. Kühne wies auf die geschaffene Arbeitsgruppe „Schulwegsicherung“ hin, während Scheel von der Unterstützung der Jugendverkehrsschulen durch den ADFC berichtete. Auch von den Zuhörern kam abschließend die Bitte, Angebote wie das Carsharing besser mit dem ÖPNV zu verbinden. Die Podiumsgäste stimmten zu und waren sich einig: Wir wollen auf eine stärkere Vernetzung zusteuern.

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Christian Schleicher

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Stellvertretender Leiter Politische Bildungsforen und Leiter Politische Bildungsforen Süd

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