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Veranstaltungsberichte

Jüdisches Leben in Berlin

von Sarah Röhr

Geschichte hautnah - Eine Stadtführung zum Thema jüdisches Berlin

Dank einer Veranstaltung des Politischen Bildungsforums Berlin konnten einige Studierende und Promovierende der Berliner Hochschulgruppen in einer Stadtführung Näheres zum jüdischen Berlin erfahren. In zahlreichen Hinterhöfen, vor aufwendig restaurierten Gebäuden und in zahlreichen Informationstafeln wurde die Historie lebendig.

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Am Hackeschen Markt, in etwa auf Höhe der alten Stadtgrenze, begann die Kunsthistorikerin Annette Uebel die Stadtchroniken mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung zu verknüpfen. Als im ausgehenden 12.Jahrhundert Berlin und Cölln gegründet wurden und sich später zu einer Doppelstadt zusammenschlossen, waren in dieser Region bereits jüdische Händler tätig. In den folgenden Jahrzehnten kam es jedoch immer wieder zu Ausschreitungen, Pogromen, Vertreibungen und antijüdischen Prozessen. Die sicherlich signifikanteste Veränderung setzte mit dem Edikt des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm vom 21. Mai 1671 ein. 50 aus Wien vertriebenen jüdischen Familien wurde es gestattet, sich in Brandenburg anzusiedeln. Als Gründungsdatum der Berliner Jüdischen Gemeinde gilt der 10. September desselben Jahres.

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Die starke Verflechtung der verschiedenen Berliner Religionsgemeinschaften spiegelt sich in zahlreichen Gebäuden wieder. Gegenseitige Stilbeeinflussungen sind unter anderem im jüdisch-maurischen Stil des historischen Bahnhofs Hackescher Markt, aber auch im jüdischen Mädchengymnasium sichtbar. Die Schule ist ein Werk des bekannten jüdischen Architekten Alexander Beer (1873-1944) und wurde im Stil der Neuen Sachlichkeit gebaut, welche das funktionelle über das ästhetische Design stellt. Dass aber auch Lebenswirklichkeiten starke interreligiöse Berührungspunkte bildeten, wird in den Hackeschen Höfen als Zentrum für Lebensqualität und Produktionszentrum für Konfektionsindustrie stark erkennbar.

In Berlin lebten 1871 rund 36.000 Juden, 1920 zählte man mehr als 144.000 in Berlin. Damit war die Stadt das größte jüdische Siedlungsgebiet Deutschlands. 1933 waren die jüdischen Gemeinden bereits auf 160.000 Mitglieder gewachsen, was einen Gesamtanteil an der Bevölkerung von 3,78 % bedeutet. (Gerechnet auf 4.242.501 Einwohner Stand 1933). Hierbei war die Verteilung auf die Stadtgebiete signifikant.

Grund für diesen enormen Anstieg zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und 1933 waren zum einen verbesserte Lebensbedingungen, zentrale Organisationsstrukturen und wachsende Arbeitsmärkte in Ballungsgebieten. Zum anderen, und dies ist wesentlicher, gab es einen enormen Zuzug an Flüchtlingen aus Osteuropa und Russland. 1933 besaß die jüdische Gemeinde in Berlin 17 Synagogen, 15 Kindergärten, zahlreiche Schulen, soziale Einrichtungen, 12 Waisenhäuser, Armenhäuser und Krankenhäuser und prägte damit nachdrücklich das Stadtbild.

90.000 Berliner Juden emigrierten während der NS-Diktatur in andere Länder um sich in Sicherheit zu bringen. Am 18. Oktober 1941 verließ der erste Deportationszug mit Berliner Juden den Bahnhof Grunewald. Von den rund 40.000 Deportierten kehrten 1945 nur noch rund 1.900 nach Berlin zurück.

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