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Veranstaltungsberichte

Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht?

von Constanze Brinckmann

Wie viel Egoismus verträgt unsere Gesellschaft?

Politische Parteien, Sportvereine oder Freiwillige Feuerwehr suchen händeringend nach neuen Mitgliedern. Gleichzeitig hat sich gerade auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im letzten Jahr gezeigt, wie groß die Bereitschaft der Deutschen ist, sich ehrenamtlich zu engagieren und für einen guten Zweck einzusetzen. „Ohne Menschen, die in ihrer Freizeit ein Ehrenamt ausüben, würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren“, sagt auch Christian Schleicher, stellvertretender Leiter der Akademie der KAS. Wie ist es um das Verantwortungsbewusstsein in unserer Gesellschaft tatsächlich bestellt?

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“Es gibt mehr im Leben als Arbeit und Geld“

Der aktuelle Freiwilligensurvey des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt das Bild einer Gesellschaft, bei der Gemeinsinn und Engagement einen hohen Stellenwert haben. 31 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Dies entspricht einer Steigerung von zehn Prozent allein in den letzten 15 Jahren. Gleich zu Beginn der Diskussionsrunde wirft Moderatorin Martina Fietz, Chefkorrespondentin von Focus Online, eine ganz grundlegende Frage auf: Wieso engagieren wir uns überhaupt? Die Gäste der Diskussionsrunde sind sich schnell einig, dass es nicht nur altruistische Motive sind, die dahinter stecken, sondern auch eine Prise Egoismus. Neben dem Willen, Gutes zu tun, und dem Pflichtgefühl der Gesellschaft gegenüber, spielt auch die Selbstverwirklichung und das Gefühl, seinem Leben mehr Sinn und Bedeutung zu geben, eine große Rolle. „Es gibt mehr im Leben als Arbeit und Geld“, nennt Britta Haßelmann MdB, erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, die Erkenntnis, die viele Menschen im Laufe ihres Lebens trifft. Für Schriftstellerin Thea Dorn ist auch die Liebe ein wichtiger Treiber des Gemeinsinns: die Liebe zu bestimmten Menschen, zu bestimmten Themengebieten oder Regionen. Freiwilliges Engagement beschränke sich daher immer auf einen Teil der Gesellschaft. „Man kann nicht die ganze Welt lieben“, so die Autorin.

Ehrenamt und Work-Life-Balance

Die heutigen Lebensumstände machen es oftmals schwierig, Ehrenamt oder freiwilliges Engagement in den Alltag zu integrieren. Der Grund hierfür liegt darin, dass wir Arbeit und Leben heute wesentlich mobiler und flexibler gestalten als noch vor einigen Jahren. Auslandssemester, Dienstreisen, Berufspendeln, Zeitverträge oder auch Fernbeziehungen lassen oft nur wenig Raum für Engagement in Parteien, Vereinen oder anderen Initiativen. „Wie soll ich bei einer 60-Stunden Woche noch Zeit für Engagement finden?“, bringt Britta Haßelmann die Gedanken vieler Menschen auf den Punkt. Schriftstellerin Thea Dorn kann darin jedoch sogar eine Chance sehen. Gerade weil vielen Menschen feste Bindungen fehlen, suchen sie nach Sinnhaftigkeit in ihrem Leben oder nach der Chance „Teil von etwas Größerem zu sein“. Diesen Sinn könne man z.B. im freiwilligen Engagement finden. Michael Grosse-Brömer MdB, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, bringt schließlich demografische Gesichtspunkte ins Spiel. In kleinen Städten und Dörfern sei eine Mitgliedschaft z.B. im Sportverein oftmals noch selbstverständlicher als in der Großstadt. „In Dörfern sind noch Dinge möglich, die in einer Großstadt heute nicht mehr realisierbar sind“, so der CDU-Politiker. Britta Haßelmann setzt sich dafür ein, das Thema Ehrenamt den heutigen Lebensbedingungen anzupassen. „Wir kennen heute viele verschiedene Formen des Engagements“, stellt Haßelmann fest. Was früher das klassische Ehrenamt war, sei heute bürgerschaftliches Engagement in vielfältigen Ausprägungsformen und kann sich auch nur auf ein zeitlich begrenztes Projekt oder Initiativen im eigenen Kiez beziehen.

Politische Partizipation in Zeiten von Politikverdrossenheit und Mitgliederschwund

Die Entwicklung der Mitgliederzahlen der großen Volksparteien CDU und SPD ist seit Jahren im Abwärtstrend. Im gesamten Parteienspektrum konnten lediglich Bündnis 90/ Die Grünen in den letzten Jahren Mitglieder hinzugewinnen. Wieso wollen sich immer weniger Menschen politisch engagieren? Britta Haßelmann sieht den Grund hierfür in einem grundlegenden Verständigungsproblem. Die Politik tue sich immer noch schwer damit, gerade junge Menschen anzusprechen. Genau die Menschen, die sich von der Politik abwenden, müsse man jedoch versuchen zu erreichen, z.B. durch eine zeitgemäße Ansprache oder neue Veranstaltungsformate. „Wir müssen die Menschen ermutigen, sich einzumischen“, so die Politikerin. Aber auch an der eigenen Basis sollten die Parteien „für mehr Mitwirkung werben“. Schriftstellerin Thea Dorn vermisst bei den Parteien klare Konturen. Was früher klar abgegrenzte Farbblöcke in schwarz, rot, grün und gelb waren, gleicht heute einem „Aquarellgemälde“, bei denen die Grenzen zwischen den einzelnen Farben verschwimmen. Durch die Verwässerung der Profile und Inhalte wird es immer schwerer, sich einer bestimmten politischen Partei zugehörig zu fühlen. Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien deutlicher herauszuheben, dafür ist auch Michael Grosse-Brömer. Den sinkenden Mitgliederzahlen zum Trotz wirbt er dafür, sich politisch zu engagieren und Verantwortung z.B. in der Kommunalpolitik zu übernehmen. „Wer es wirklich will, der bekommt auch seine Chance, in der Politik Verantwortung zu übernehmen“, so der CDU-Politiker.

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Kontakt

Christian Schleicher

Christian Schleicher bild

Stellvertretender Leiter Politische Bildungsforen und Leiter Politische Bildungsforen Süd

Christian.Schleicher@kas.de +49 30 26996-3230 +49 30 26996-53230

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