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Workshop Schreibwerkstatt

Jugendpolitiktag

Unter Anleitung eines Journalisten entwarfen die Teilnehmer/innen Texte in unterschiedlichen journalistischen Genres, wobei die Aufgabe auch darin bestand, die eigene Betroffenheit und die persönliche Meinung mit einfließen zu lassen.Workshopleiter:Jochen Markett, Journalist

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Die fünf Schülerbeiträge wurden auch auf Welt Online veröffentlicht.

 

 

 

 

 

Meine Verwandten zeigten mir ein anderes Israel

 

D. Shkolnik, 16 Jahre, Klasse 10B Jüdisches Gymnasium

 

 

 

Es war das Jahr 2010: Meine Eltern kündigten an, dass sie zum ersten Mal mit mir und meinem Bruder nach Israel reisen würden. Ich war total positiv überrascht. Schon immer wollte ich wissen, wie so viele unterschiedliche Kulturen in einem so kleinen Land miteinander auskommen können. Immer hatte ich nur Negatives über Israel in den Medien gehört, von Terroranschlägen, Bedrohungen und Kriegen. Doch als ich in Israel ankam, erschien es mir ganz anders. Ich sah in Jerusalem Juden und Muslime, die sich untereinander respektierten und Spaß zusammen hatten. Die meisten trugen ihre religiöse Bekleidung und schämten sich nicht dafür. Meine vielen Verwandten, die überall im Land verstreut wohnen, zeigten mir ein komplett anderes Israel, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir blieben zwei Wochen – und ich lag auf dem Rücken im Toten Meer, lief durch Tel Aviv und Netanja und feierte Pessach. Insgesamt war das eine sehr schöne und interessante Reise. Ich hoffe, dass Israel auch in Zukunft so ein harmonisches und kulturell geprägtes Land bleiben wird.

 

 

 

 

 

Ist es schon wieder so weit?

 

Jan-Louis Wiedmann, 17 Jahre, 11. Jahrgang am Europäischen Gymnasium Bertha-von-Suttner

 

 

 

Ich weiß, dass ich keinerlei Schuld trage,

am Völkermord der Deutschen an den Juden.

Ich weiß, dass ich es nicht bin,

der schuldig ist,

denn ich habe nichts getan.

Und doch trage ich diese Bürde mit mir herum,

wie jeder Deutsche es tut.

Und weiß um den Ruf, der mir vorauseilt.

 

 

 

Doch manche haben es schon vergessen.

Sie meinen, sie seien das Volk.

Sie hetzen gegen meinen Nachbarn.

Ist es schon wieder so weit?

Bald liegen wieder Kristalle am Boden,

aus Schaufensterscheiben gemacht.

Und Fackelzüge ziehen rhythmisch,

schreiend durch die Nacht.

 

 

 

Ich weiß, dass ich keinerlei Schuld trage – NOCH! –

am Völkermord der Deutschen an den Juden.

Ich weiß, dass ich es nicht bin, – NOCH! –

der schuldig ist.

Ich hatte nichts damit zu tun.

Aber wenn ich auch weiterhin wegschaue,

wird aus dem NOCH ein DOCH!

 

 

 

 

 

Das Panzerglas war gewöhnungsbedürftig

 

Michael Velivici, 15 Jahre, Klasse 10B am Jüdischen Gymnasium

 

 

 

Bis zur 7. Klasse hatte ich nichts mit Israel oder dem Judentum zu tun. Ich wusste tatsächlich nicht einmal, dass ich selbst jüdisch bin, weil Religion zu Hause nie wirklich ein großes Thema war.

 

 

 

Meine Mutter entschied stur, mich auf das Jüdische Gymnasium zu schicken. Anfangs war ich sehr skeptisch und hatte Angst. Ich dachte, dass ich nur von richtig gläubigen Juden umringt sein würde, die ganz anders sind als ich. Ich stellte sie mir schwarz gekleidet vor, mit Brille und einem Gebetsbuch in der Hand.

 

 

 

Einzelne liefen auch wirklich so rum. Aber als ich anfing, die Leute besser kennen zu lernen, hat sich meine Angst sofort wieder gelegt. Ich habe schnell Freunde gefunden. Es gibt genauso viele Juden wie Nicht-Juden auf unserer Schule und auch viele Russisch Sprechende. Das hat mir in meiner ersten Zeit sehr weitergeholfen, da ich schon zu Hause fließend Russisch gesprochen habe.

 

 

 

Schockiert am Anfang haben mich die scharfen Sicherheitskontrollen der Israelischen Sicherheitsleute: Wir als Schüler müssen zwar nur einen Schülerausweis vorzeigen. Aber unsere Eltern oder andere Erwachsene werden immer einer Taschenkontrolle und einem Metalldetektor-Scan unterzogen.

Gewöhnungsbedürftig war auch die Panzerglastür an unserem Eingang.

 

 

 

Und das Hebräisch lernen fiel mir am Anfang schwer – vor allem wegen der anderen Schriftzeichen. Mit der Zeit habe ich mich an alles gewöhnt und bin sehr glücklich, dass ich auf dieser Schule bin. Besonders gefallen mir die Lehrer, die allesamt sehr hilfsbereit und nett sind. Man kann mit jedem Problem, auch privat, zu ihnen gehen. Der Höhepunkt war die Klassenreise nach Israel in der 8. Klasse. Es war nicht meine erste Reise in das Heilige Land, aber meine längste, bei der ich am meisten gelernt habe.

 

 

 

Wir sind mit dem gesamten Jahrgang für zwei Wochen nach Israel geflogen, wo wir Hebräisch lernten, unsere Austauschschüler kennenlernten, sowie kreuz und quer durchs Land reisten und uns alles ansahen. Am Ende der Klassenreise flogen die meisten wieder zurück. Doch ich blieb noch etwas bei meiner Tante, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Lod wohnt. Ich fühlte mich ganz wie zu Hause, alle Menschen sind sehr offen und man kommt mit Russischkenntnissen ganz gut zurecht. Ich werde bei allen Gelegenheiten wieder nach Israel reisen, weil ich finde, dass es ein Land ist, das landschaftlich und auch kulturell einfach alles bieten kann. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dort zu leben. Ich würde sogar in Erwägung ziehen, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen, zur Armee zu gehen und danach zu studieren und mich in Tel Aviv niederzulassen.

 

 

 

 

 

Eine Chance für Israel

 

Rebecca Hoffmann, 16 Jahre, 11.Jahrgang am Europäischen Gymnasium Bertha-von-Suttner

 

 

 

Ein Großteil der Menschen, mit denen ich mich über das Land Israel unterhalte, begegnet mir mit einer Haltung, die geprägt ist von der medialen Berichterstattung über Krieg und Terror. Es wird ja nur über Negatives berichtet. Die Menschen sprechen von dem Nahostkonflikt, der hohen Mauer zwischen Palästina und Israel, den zurückliegenden Wahlen und dem nicht besonders überraschenden Ausgang. Berechtigterweise. Nachrichten sind da, um Alarmierendes hinaus in die Welt zu tragen.

Aber es ist schade, wenn sich Menschen durch dieses Bild von Israel davon abbringen lassen, das Land zu bereisen, die Kultur und ihre Bewohner kennenzulernen. Israel hat so viel zu bieten, 1001 unterschiedliche Facette. So vieles bleibt unentdeckt.

2012 hatte ich die Chance, Israel zu erleben.

Bereist man das Land, fällt einem zunächst die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen auf. Man fühlt sich willkommen, zwar als Gast, aber nicht als Fremder. Die Israelis sind stolz auf ihr Land, das Gefühl von Heimat ist stark. Sie sind wissbegierig, gesprächig, man interessiert sich für den anderen.

Durch eine Israelische Stadt zu laufen ist ein anderes Gefühl, als durch Berlin, Rom oder Oslo zu gehen. Die Luft ist erfüllt von Gerüchen exotischer Gewürze, das Leben spielt sich an Ständen, vor Läden und kleinen Buden oder natürlich Synagogen ab. Kinder laufen durch die Straßen, sorglos, lachend. „Terror“ ist in keiner Weise spürbar, doch manchmal, wenn man an der nächsten Straßenecke drei Männer in Uniform und mit Gewehren sieht, bekommt man ein etwas anderes Gefühl. Doch für die Bevölkerung ist das Alltag. Und sie scheint es auszuhalten und zu akzeptieren, zumindest für den Moment.

Nicht nur die Menschen sind besonders – auch die Natur ist oft atemberaubend. Von Wüsten bis hin zu Flüssen, die durch große Nationalparks verlaufen, ist alles vertreten. In Israel ist es möglich, in drei verschiedenen Meeren zu baden, es gibt Skilifte genauso wie Kamelherden. Und was ich gesehen habe, waren bloß Bruchstücke dessen, was sich sehen lässt. Auch ich bin mit Vorbehalten und einem mulmigen Gefühl los gereist. Doch gibt man dem Land eine Chance und lässt sich begeistern, kann man an einer solchen Reise wachsen.

Jeden Tag geschieht viel Unrecht, das Land ist so konfliktgefährdet wie kaum ein anderes. Doch ich habe Israel anders kennengelernt und wünsche mir, dass auch die schönen Seiten des Landes mehr Beachtung finden. Sie haben natürlich keinen Platz in den Nachrichten, doch wünsche ich mir ein anderes Bewusstsein. Israel hat eine Chance verdient.

 

 

 

 

 

Ich will die Schuld verwandeln

 

Yamina Bouazzaoui, 18 Jahre, 12. Klasse an der Königin-Luise-Stiftung

 

 

 

Wenn irgendwo das Wort ,,Jude“ fällt, schießen mir Alarmsignale durch den Kopf. Wenn ich in der U-Bahn bin und mir ein Mann mit gedrehten Locken und Kippa gegenübersteht, verspüre ich den Zwang, ihm zu zeigen, wie sehr ich ihn respektiere. Ich würde so gerne ganz normal mit dem Thema umgehen: an einen normalen Gläubigen denken, wenn das Wort ,,Jude“ fällt; an einen normalen Staat denken, wenn ich ,,Israel“ höre; nicht sofort an Gefahr, Attentate oder Terror denken müssen, wenn ich vor einer Synagoge stehe. Ich möchte mit jüdischen Menschen sprechen können, ohne den Holocaust im Hinterkopf zu haben. Ich war überrascht, als ich bei einer Diskussion in der Konrad-Adenauer-Stiftung über die deutsch-israelischen Beziehungen mitbekam, wie entspannt, sogar humorvoll viele Juden in Israel mit diesem Thema umgehen. Ich denke, man sollte den starken negativen Gedanken der Schuld, für die auch ich Verantwortung übernehmen muss, in etwas Positives verwandeln. Vielleicht sollte ich einfach mit besonderem Interesse an das Thema herangehen und umso mehr darauf achten und dafür kämpfen, dass so etwas nie wieder geschieht. Ich werde das Gefühl nicht los, dass meine Befangenheit nur der Ausdruck der Schuld ist.

 

 

 

 

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