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Veranstaltungsberichte

Das Internet als Katalysator von Hassrede

Prof. Martin Emmer und Dr. Linda Giesel über Hass im Netz

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

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Im Kern des Vortragsabends stand die Erkenntnis, Hassrede oder „Hate Speech“ entstehe nicht durch das Internet, doch das Netz wikt als „besonderer Kommunikationsraum“ (Giesel) und macht das Phänomen Hassrede sichtbar. Der gesellschaftliche Diskurs hat darauf längst reagiert, wie nicht nur das unlängst erschiene Heft der für die Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebenen Zeitschrift „Die Politische Meinung“ mit dem Titel „Entgleist? Wandel der Sprach- und Debattenkultur“ zeigt. Einer der Beiträger der Ausgabe ist Prof. Martin Emmer, Kommunikationswissenschaftler der FU Berlin und Gründungsdirektor des Weizenbaum-Instituts für vernetzte Gesellschaft, der den Hauptvortrag des Abends hielt.

Emmer erläuterte zunächst, was unter dem Begriff Hassrede zu verstehen sei: 1) Äußerungen in der Öffentlichkeit, 2) Herabwürdigung von Personen oder Gruppen und/oder entschmenschlichende Äußerungen sowie 3) pauschalisierende Rückgriffe auf Gruppenmerkmale. Vor allem durch Kampagneneffekte könne das Internet gezielt zur Verbreitung von Hassrede instrumentalisiert werden – auch mit Hilfe von Bots. In der Wahrnehmung werde der substantielle Hass dann zumeist überschätzt. Durch solche „Hate-Speech-Kampagnen“ könnten schließlich Themen gesetzt und vermeintliche Mehrheiten suggeriert werden.

Was kann man also gegen Hassrede tun? Prof. Emmer plädierte zuvorderst für eine Ausweitung in der Strafverfolgung illegaler Inhalte. Hier hätten die Behörden lange Zeit geschlafen. Er wies darauf hin, dass das reine Löschen der Inhalte aus strafrechtlicher Sicht allerdings ein Problem darstelle, da somit der Untersuchungsgegenstand verloren gehe. Langfristiger und subtiler könne laut Emmer hingegen nur eine Stärkung der digitalen Kompetenz der Bürgergesellschaft Abhilfe leisten. Erfahrungen aus moderierten Internetformen würden zeigen, dass der Anteil an Hassrede stark nachlasse. Bereits in Schulen müsse daher die Sensibilität gegenüber Hassrede vermittelt werden.

Die Linguistin und Viadrina-Mitarbeiterin Dr. Linda Giesel bestätigte in ihrem Fallbeispiel „Verbaler Antisemitismus im Netz“ die von Prof. Emmer aufgestellte Prämisse, dass das Internet als Katalysator gesellschaftlicher Phänomene wirke. Antisemitismus beruhe demnach auf emotionaler Ablehnung, Stereotypen und Ressentiments, die nicht durch das Netz geschaffen wurden. Zu beobachten sei hingegen, dass die Anzahl antisemitischer Äußerungen in den Online-Kommentarspalten deutscher Qualitätszeitungen im Zeitraum von 2007 bis 2017 von 7,51% auf 30,18% angestiegen ist. Die geäußerten Stereotype weisen laut Giesel historisch tradierte Semantiken auf, die je nach ideologischer Sichtweise angepasst werden. Der Anstieg antisemitischer Kommentare könne mit einem Abfall der Hemmungen im Netz erklärt werden.

In der gemeinsamen Diskussion mit den Zuhörern im Senatssaal der Viadrina wurde nochmal auf den Drahtseilakt zwischen der Steuerung und Kontrolle der Kommunikation im Internet und dem Recht auf freie Rede und Meinungsäußerung verwiesen. Diese Rechte könnten aber keineswegs als Rechtfertigung für Kommentare gelten, die Merkmale von Hassrede aufweisen – da waren sich Emmer und Giesel einig.

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Nils Lange

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