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Feuer in Brasilien

"Der Erhalt der Amazonasregion wird nur mit internationaler Unterstützung auch in Zukunft möglich sein"

Große Teile des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien stehen noch immer in Flammen. Anja Czymmeck, Leiterin des KAS-Büros in Rio de Janeiro, schildert im Interview die Maßnahmen der brasilianischen Regierung zum Schutz der Region und welche Rolle dabei internationale Hilfen spielen.

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Große Teile des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien stehen noch immer in Flammen. Es sind die schwersten Brände seit Jahren. Die brasilianische Überwachungsbehörde registrierte allein im August über 20.000 neue Feuerstellen. Die G7-Staaten sehen sich zum Handeln gezwungen. Die Regenwälder seien eine globale Frage, die Lunge der Erde sei betroffen, so Bundeskanzlerin Merkel. Beim Gipfel in Biarritz haben die Staats- und Regierungschefs daher beschlossen, Brasilien bei den Löscheinsätzen technisch und finanziell zu unterstützen. Frau Czymmeck, wie genau werden diese Hilfen aussehen und wie gestaltet sich die Abstimmung mit der brasilianischen Regierung?

Am Wochenende wurde beim G7-Gipfel in Biarritz beschlossen, dass Brasilien zur Bekämpfung der Waldbrände rund 20 Millionen Euro an Soforthilfe erhalten soll, mit denen beispielsweise Löschflugzeuge und Aufforstungspläne finanziert werden sollen. Ein Vorschlag, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel nachhaltig unterstützt wurde. Angesichts dessen, dass der Amazonas-Regenwald als größter Tropenwald der Erde einen substantiellen Beitrag zur weltweiten Sauerstoffversorgung leistet, ist diese Hilfe in der Notlage sehr sinnvoll. Zu begrüßen wäre es, wenn darüber hinaus weitere Soforthilfen in Abstimmung mit der brasilianischen Regierung folgen würden. Allerdings hat diese, Medienberichten zur Folge, in der Zwischenzeit die Hilfsangebote der G7-Staaten abgelehnt, obwohl der brasilianische Umweltminister diese Unterstützung in einem Fernsehinterview begrüßte. Belastbare Meldungen dazu gibt es im Moment keine.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sprach sich zuletzt gegen internationale Hilfen aus. Wie ist Ihre Einschätzung zu den politischen Auswirkungen der aktuellen Situation?

Angesichts der sich immer weiter ausbreitenden Brände und auch den Hilferufen der Gouverneure der betroffenen Bundesstaaten sowie des internationalen Drucks hat die brasilianische Regierung in der Zwischenzeit die Bekämpfung der Waldbrände als wichtig anerkannt und den Einsatz des brasilianischen Militärs befohlen. Das war ein wichtiger und überfälliger Schritt, nachdem der Präsident zunächst Spekulationen über die Brandursachen und die Verantwortung dafür unnötigerweise angeheizt hatte und diese die Tagespresse in Brasilien dominiert hatten. Die Gouverneure der brasilianischen Amazonasregion haben sich nun auch in den Konflikt und in die Diskussion um den Amazonas-Fonds, der hauptsächlich von Norwegen und Deutschland getragen wird, eingeschaltet: In einem Schreiben haben die Regierungen der Bundesstaaten Acre, Amazonas, Maranhao, Mato Grosso, Amapa, Para, Rondonia, Roraima und Tocantins ihr Bedauern über die Unstimmigkeiten mit den Europäern und der Zentralregierung Brasiliens bekundet und angekündigt, nun direkt mit Deutschland und Norwegen verhandeln zu wollen, um den Fonds zu retten. Die Gouverneure erklärten, dass sie hinter den Aktivitäten des Fonds stünden und illegale wirtschaftliche Aktivitäten, wie Holzfäller, Brandrodungen, illegale Goldsuche ablehnten. Die Fortführung des Amazonas-Fonds – auch von deutscher Seite – ist für den Klimaschutz ein unverzichtbarer Baustein, da durch ihn über viele Jahre mühsam Strukturen zum Schutz des Klimas aufgebaut wurden. Die diesbezüglich unternommenen Anstrengungen der Vergangenheit sollten genutzt und nicht zurückgefahren werden.

Das beschriebene wachsende Engagement der Bundesstaaten spricht dafür, dass dezentrale Akteure zu immer wichtigeren, selbstbewussteren Playern mit Gestaltungsmöglichkeiten im Klimaschutz – in Brasilien wie weltweit – werden. Dezentrale Akteure in Brasilien haben begonnen, ihre Anstrengungen abzustimmen und zu koordinieren. Dabei setzen sie sich durchaus Entscheidungen oder Plänen der Zentralregierung entgegen.
Die Forderung einiger europäischer Staaten im Zusammenhang mit den Waldbränden nach einer Aussetzung des mühsam ausgehandelten EU-Mercosur-Abkommens wäre allerdings ein Fehler, denn es enthält wichtige Kapitel zu Klima- und Umweltschutz, die auch für Brasilien gelten müssen. Wichtig ist auch, nicht zu vergessen, dass die brasilianische Wirtschaftspolitik in Bezug auf die Amazonasregion nicht nur unter der jetzigen Regierung von Abholzungen und Brandrodungen gekennzeichnet wird. Dies geschieht leider schon seit Jahrzehnten, egal welche Regierung an der Macht war. Die jetzige Regierung führt sie fort und baut sie bedauerlicherweise auch noch aus.

Präsident Bolsonaro hat angekündigt, dass seine Regierung 43.000 Soldaten zur Bekämpfung der Flammen in die Amazonas-Region schicken werde. Wie genau sehen diese Armeeeinsätze aus und konnten schon erste Erfolge erzielt werden?
 
Der Staatspräsident hat ein Dekret erlassen, mit dem seit Samstag vergangener Woche Soldaten in den betroffenen Bundesstaaten, Umweltschutzzonen und in indigenen Territorien einen Monat lang bei der Eindämmung des Feuers helfen sollen. Dass die Regenzeit erst im November beginnen wird, dürfte das Löschvorhaben nicht einfacher machen. Gleichzeitig unterstreicht das Dekret, dass man mit Null-Toleranz auf Verbrechen – auch auf dem ökologischen Feld –  vorgehen will. Als erste Sofortmaßnahmen stellte das brasilianische Wirtschaftsministerium 38,5 Millionen Reais, umgerechnet etwa 8 Millionen Euro, zur Verfügung.

Es bleibt nun abzuwarten, wie schnell Resultate bei der Brandbekämpfung zu bemerken und wie nachhaltig diese Ankündigungen auch für die Zeit nach den Löscharbeiten sind. Heute war auf der offiziellen Homepage des Präsidialamtes zu lesen, dass die Brände langsam unter Kontrolle kämen und sich der Präsident mit den Gouverneuren der betroffenen Bundesstaaten austauschen wird. Auf langfristige Lösungen setzen auch Partner aus dem Umfeld der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Partnerorganisation Saúde e Alegria zum Beispiel arbeitet seit mehr als 25 Jahren mit internationalen Geldern zu Fragen des Erhalts und der gleichzeitigen wirtschaftlichen Nutzung der Amazonasregion. Diese Arbeit wird nur mit internationaler Unterstützung auch in Zukunft möglich sein.

Die einzige „gute“ Nachricht dieser Katastrophe für Brasilien und die Welt ist, dass dem Amazonasgebiet nun sehr viel mehr Aufmerksamkeit zuteilwird, als dies vor den verheerenden Bränden der Fall gewesen ist.

Wie erleben Sie die Situation vor Ort und die Stimmungslage in der Bevölkerung?

Wir hatten in der vergangenen Woche eine Konferenz mit vielen Partnerorganisationen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brasilien, bei dem natürlich auch die schrecklichen Waldbrände zur Sprache kamen. Die Vertreter unserer Partner zeigten sich höchst betroffen, vor allem auch von den Äußerungen des Staatspräsidenten an die Adresse der deutschen Bundeskanzlerin, und viele äußerten die Hoffnung, dass diese nicht die Beziehungen unserer beiden Länder belasten mögen. Allerdings sind viele Brasilianer über alle Bevölkerungsschichten hinweg sehr empfindlich hinsichtlich der internationalen Einmischung, welche oftmals als Belehrung wahrgenommen wird. Als solche wurde beispielsweise auch die Ankündigung des deutschen Umweltministeriums, Gelder für den Schutz der Amazonasregion in Folge der Abholzungen in der Region einzufrieren, gesehen. Die Mittel des Umweltministeriums für die Amazonasregion sind wichtig für den Erhalt und den Schutz des Regenwaldes, deshalb sollte vielleicht nochmal darüber nachgedacht werden, ob es in der derzeitigen Lage hilft, diese Mittel tatsächlich einzufrieren.  Der gleichberechtigte Dialog zwischen beiden Ländern sollte zum Schutz des Weltklimas unbedingt fortgeführt werden – und zwar auf Augenhöhe und unter Berücksichtigung der jeweiligen Anliegen.

Betroffenheit spürt man auch bei den allermeisten Brasilianern, mit denen man auf der Straße ins Gespräch kommt. Das Amazonasgebiet lässt in Brasilien die wenigsten kalt. Hierbei darf man jedoch nicht vergessen, dass aufgrund der schieren Größe des Landes – Brasilien hat die 24-fache Fläche Deutschlands – die Amazonaswälder für viele Bürger sehr weit weg sind. Für viele Menschen haben die Probleme der Region, seien es Waldbrände, Rodungen oder Umweltverschmutzung sowie illegale wirtschaftliche Aktivitäten, nämlich nichts mit ihrer unmittelbaren Lebensrealität zu tun, die von sehr großer Armut und steigender Alltagsgewalt gekennzeichnet ist.

Frau Czymmeck, vielen Dank für das Interview.
 

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Anja Czymmeck

Anja Czymmeck

Leiterin des Auslandsbüros Frankreich

anja.czymmeck@kas.de +33 156 69 15 00

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