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Jeder zweite Journalist beklagt Druck aus Politik und Wirtschaft

von Christian Spahr
Konrad-Adenauer-Stiftung und "Stiftung Reporter" stellen Studie zu den Einflüssen auf bulgarische Medien vor.

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52 Prozent der bulgarischen Journalisten beklagen, dass die Mächtigen Einfluss auf ihre Medien ausüben. Der politische Druck habe zugenommen, legt eine neue Studie der "Stiftung Reporter" und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nahe, die am 5. November im Rahmen einer Pressekonferenz in Sofia präsentiert wurde. Während Journalisten vor allem unter politischem Druck leiden, sehen sich Medieneigentümer hauptsächlich von Werbekunden unter Druck gesetzt, fanden die Medienexperten Krum Blagov und Dr. Orlin Spassov in ihrer Untersuchung. Neben den beiden Autoren der Studie sprachen auf der Pressekonferenz auch Dr. Marco Arndt, Leiter des KAS-Landesbüros Bulgarien, und Christian Spahr, Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa.

Das Thema ist brisant, das Interesse dementsprechend groß: Rund 80 Journalisten und andere Sofioter Bürger erschienen am 5. November zur Präsentation der neuen Studie der bulgarischen Medienexperten Krum Blagov und Dr. Orlin Spassov, die die Einflüsse von Eigentümern, Politikern und Werbekunden auf die bulgarischen Medien untersucht haben. Große Aufmerksamkeit erfuhr die Pressekonferenz auch deshalb, weil es bis dato keinerlei systematische Untersuchungen zur Unabhängigkeit der bulgarischen Medien gab. "Diese Lücke schließen wir mit der Studie von Krum Blagov und Dr. Orlin Spassov", so Christian Spahr, Leiter des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung, auf der Pressekonferenz am Mittwoch in Sofia. Experten bemängelten schon lange ein Defizit an Unabhängigkeit der Medien in Bulgarien, nun gebe es hierzu auch eine systematische Befragung. Einhundert Journalisten und fünfzehn Medieneigentümer und -manager wurden von Krum Blagov von der "Stiftung Reporter" und Dr. Orlin Spassov von der Universität Sofia dazu interviewt – berücksichtigt wurden vierzig Medien mit nationaler und regionaler Verbreitung, von Zeitungen bis hin zu elektronischen Medien. Die Studie bestätigt, was viele schon ahnten: Politiker und Werbekunden, aber auch Medieneigentümer greifen regelmäßig in die Arbeit bulgarischer Journalisten ein. "Viele bulgarische Journalisten sehen ihre Arbeit nicht als unabhängig an", erläuterten die Autoren bei der Vorstellung der Studie, die nun als Buch in bulgarischer, deutscher und englischer Sprache erschienen ist. "Die Berichterstatter werden zu wenig vor Einflussnahmen geschützt."

Jeder dritte Journalist sieht einen zunehmenden Druck aus der Politik, nur jeder sechste eine Verbesserung. Während sich die Journalisten stärker über Einflussnahmen von Politikern beklagen, fühlen sich die Medieneigentümer vor allem von Werbekunden unter Druck gesetzt. Jeder vierte Reporter oder Redakteur sagt, dass schon Texte von ihm an der Veröffentlichung gehindert wurden. Insgesamt geben rund 30 Prozent der Reporter und Redakteure an, dass in ihrem Medium über manche Themen, Personen oder Firmen nur mit einer bestimmten Tendenz berichtet werden darf. Dies deckt sich in etwa mit der Sicht der Eigentümer. "Die Medien lassen sich in starkem Maße auf eine inoffizielle Zensur ein", so Christian Spahr. "Gründe dafür sind die wirtschaftliche Not in der Branche, aber auch ein fehlender Konsens über die Aufgaben der Medien in der Demokratie."

In ihrer wissenschaftlichen Untersuchung klassifizieren Blagov und Spassov außerdem verschiedene Arten von Eigentümern, decken Korruptionspraktiken auf und skizzieren die großen Veränderungen auf dem bulgarischen Medienmarkt in den vergangenen Jahren. Da die überwältigende Mehrheit der Medien finanzielle Verluste macht, stellt sich außerdem die Frage, wer diese ausgleicht – und ob eine unabhängige Berichterstattung bei finanzieller Abhängigkeit überhaupt möglich ist. In diesem Kontext hat Christian Spahr, Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa, Best-Practice-Beispiele für unabhängige Finanzierungsmodelle aus den Nachbarländern Serbien und Rumänien kommentiert.

Zuletzt sprechen die Autoren der Studie neun Empfehlungen für bessere Bedingungen in der Medienbranche aus. Unter anderem solle der gleichberechtigte Zugang aller Medien zu Informationen und zum Vertrieb besser geregelt werden. Der Staat als Werbekunde sowie die wirtschaftlichen Grundlagen vor allem der Printmedien müssten transparenter werden. Für bezahlte Beiträge in Printmedien solle es eine Kennzeichnungspflicht geben. Zudem fordern die Experten eine politische Debatte zur Begrenzung der Eigentümerkonzentration in den einzelnen Mediensektoren. Im Anschluss an die Vorstellung der Studie diskutierten Doz. Dr. Georgi Lozanov, Vorsitzender des Rates für elektronische Medien (SEM), und Ognian Zlatev, Repräsentant der EU-Kommission in Bulgarien, mit den anwesenden Journalisten. Die Experten waren sich einig, dass dringender Handlungsbedarf notwendig sei – auch mit Blick auf den weltweiten Index der Pressefreiheit, auf dem Bulgarien einen traurigen 100. Platz einnimmt.

Mitarbeit: Franziska Türk

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