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Veranstaltungsberichte

„Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“

von Robin Schenk
Veranstaltungsbericht: Narzissmus in Politik und Gesellschaft - Über Macht, Führung und Verführung

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„Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“

Schon Abraham Lincoln war gewissermaßen klar, zu welchem Schluss die moderne Psychologie einmal kommen würde: Macht und Narzissmus sind siamesische Zwillinge. Und aktuell in zahlreichen Fällen recht einfach zu studieren.

Dr. Bärbel Wardetzki, Psychologin mit Schwerpunkt auf weiblichem Narzissmus, referierte am Abend des 29. November 2018 im Deutsch-Amerikanischen-Institut Tübingen zum Thema „Narzissmus in Politik und Gesellschaft: über Macht, Führung und Verführung“.

Dabei bemühte sich Wardetzki zunächst um eine allgemeine Definition für das Phänomen Narzissmus. Dieser gehöre schlicht zum Zeitgeist und sei ein Versuch, mit einem verfehlten Selbstbild und Minderwertigkeitskomplexen umzugehen. Dies schlage sich nieder in einem rechthaberischen Charakter – auf der anderen Seite aber auch in einem, der mehr als empfindlich auf sogenannte „Kränkungen“ reagiere, also allerlei Schwächungen des Selbstwertgefühls – wie auch jedwede Art von Kritik.

Inkompatibel hierzu jedoch scheint, dass Narzissten trotzdem eloquent, intelligent, umschwärmt und erfolgreich seien.

Daher drängt sich die zentrale Frage auf: wie funktioniert das nun in Bezug auf „Politik und Gesellschaft“?

Letztgenannter Aspekt kam im zweiten Hauptteil von Wardetzkis Vortrag zum Tragen.

Der „Bedürftige“ (ein diffuses Gefühl in diese Richtung reicht zweifellos aus – häufig eine Angst vor der Zukunft, vor einem etwaigen gesellschaftlichen Abstieg, die die Basis für Verführbarkeit legt) gebe seine Grandiosität ab an einen Narzissten, der das Gefühl verbreite, auf Sorgen und Ängste zu hören und eine konkrete, wenngleich einfache Lösung anbiete, mit der „Große“ ein Projekt schaffe, als dessen Teil sich der „Kleine“ fühlen könne und sich selbst damit eine eigene, befriedigende Selbsterhöhung ermögliche. Dass dieses „Catching“ jedoch in erster Linie den Interessen des charismatischen Narzissten diene, zeige sich nach einer gewissen Zeit – und münde faktisch im Zusammenbruch dieses „Systems“.

Was sind damit die Möglichkeiten, dieser Gefahr der „narzisstischen Verführung“ individuell vorzubeugen?

Wardetzki gelang es, ihre Position in drei kurzen Plädoyers zusammenzufassen: das eigene Selbstwertgefühl stärken, das „Wir machen“ und damit ein demokratisches Verständnis über das narzisstische „Ich mache“ stellen und schließlich in der Gemeinschaft das richtige Umfeld suchen, um sich selbst zu stützen.

Nach einer schnellen Runde „Buzzing“ (einer offensichtlich sehr produktiven amerikanischen Methode des Schnellaustauschs mit dem Sitznachbarn direkt nach dem Vortrag) nahm sich Wardetzki viel Zeit für die zahlreichen und stets weiterdenkenden Fragen des Publikums – und konnte auch in diesem Kontext überzeugen, etwa mit einer knappen Erklärung zu ihren Therapieansätzen für den Narzissmus (die sie seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert): Menschen, die mit einem grün-gelb-karierten Inneren geboren worden seien, bauten häufig im Laufe der Zeit eine Fassade darüber auf. „Sie müssen das Grün-Gelb-Karierte in sich wieder finden!“ – etwas weniger bunt formuliert: das Positive, das Heitere, das Natürliche – und letzten Endes das Harmonische, das mit dem Selbst Harmonische. Einen Versuch wäre es für viele der aktuellen Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft jedenfalls wert.



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