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Veranstaltungsberichte

Kann die Energiewende in der Industriestadt Stuttgart gelingen?

von Robin Schenk

Laura Strzelkowski und Andreas Herrmann von EnBW zu Gast im Landesbüro Stuttgart

Der Atomausstieg bedeutet Druck, die Trassen von der Nordsee nach Bayern sind noch lange nicht gebaut und wenn bald alle Zahnärzte Tesla fahren, werden die Netze ohnehin zusammenbrechen. Spannende Aussichten für alle Energieversorger. Dass in deren Zukunftsabteilungen jedoch viel Denkkraft in neue Antworten auf diese Herausforderungen investiert wird, bewiesen Laura Strzelkowski und Alexander Herrmann von EnBW, die am 13. Juni 2018 zum Abschluss der Veranstaltungsreihe „Smart City Stuttgart“ im Poltischen Bildungsforum Baden Württemberg der Konrad-Adenauer-Stiftung zu Gast waren.

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Eingeladen hierzu hatte Alina Dorn M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landesbüro Stuttgart und Initiatorin sowie Verantwortliche für das Konzept der oben genannten Veranstaltungsreihe.

Die Zukunft ist vielversprechend – sobald sie Realität wird

„Energybase“ – so nennt EnBW ein hauseigenes Produkt zur erfolgreichen, den Vertrieb vereinfachenden Verbindung eines Energiekonzeptes und der Energieproduktionsanlagen selbst. Dieses vertreibt man über „Solarworld“, einen primär in der Solarmodulherstellung aktiven Konzern, über den man vor allem Kunden in großen und mittleren Unternehmen finden kann, baldmöglichst aber auch in den Markt für private Haushalte expandieren möchte. Laura Strzelkowski, Product Manager in der ebenfalls „Engergybase“ genannten Abteilung von EnBW, stellte dieses lokale HEMS (Home Energy Management System) vor, das darauf abzielt, die Sektoren Wärme, Mobilität und Strom intelligent zu koppeln. Vorteile für den „Häuslebauer“ bestünden vor allem in mehr Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und eben auch Unabhängigkeit – die schließlich mit der zunehmenden Dezentralisierung von Energieträgern und der damit verbundenen Vielzahl von Akteuren immer wichtiger werde.

Alexander Herrmann, Projektmanager Quartiersentwicklung bei EnBW, ging eher auf den kommunalen Bereich und damit direkt auf die Vision „Smart City“ ein. Um als Kommune bei der Sanierung oder Neubebauung von ganzen Stadtteilen bezüglich der Infrastruktur für die kommenden Jahre und darüber hinaus gerüstet zu sein, biete die EnBW Möglichkeiten der Kooperation an, um ein auch hohen Ansprüchen gewachsenes Konzept für die jeweiligen Belange zu entwickeln. Im Wesentlichen seien dabei die Emmisionsreduzierung von Verkehrsmitteln, maßgeschneiderte Infrastruktur auch für die Energiespeicherung und natürlich die digitale Vernetzung zentrale Aspekte.

Die vielversprechenden Zukunftskonzepte wurden mit großem Interesse verfolgt, wenngleich in der nachfolgenden Diskussion deutlich wurde, dass viele Entwicklungsprozesse wohl noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen werden:

„Die Bundesnetzagentur ist auch nicht blöd!“

Dies weiß Herrmann klarzustellen, wenngleich er summiert, dass die Strukturen insgesamt einer Beschleunigung der Energiewende leider entgegenwirkten. Stromlieferungen auf nachbarschaftlicher Ebene seien weiterhin aus Gründen der Regulierung nicht möglich, und obendrein sei die Speicherkapazität so gering, dass man den Strom tatsächlich laufend zu Spottpreisen verkaufen oder teilweise sogar mit Abgabekosten in das Ausland abgeben und kurze Zeit später wieder von dort beziehen müsse. Private Speicherung sei objektiv vollkommen unattraktiv, da man einer Doppelbelastung ausgesetzt sei, nämlich zunächst eine Gebühr bei der Speicherung und anschließend erneut bei der Wiedereinspeisung zu entrichten habe.

Dieser Gedanke mündete in einem klaren Plädoyer für mehr Ehrlichkeit von Seiten der Politik: im großen Stil etwa die Elektromobilität als zentrale Zukunftsaufgabe zu propagieren und durch attraktive Prämien auch zu fördern sei zwar korrekt, jedoch müsse die Kette dieses Leistungsaufwandes – im wahrsten Sinne des Wortes – auch bis zum Ende durchdacht werden. Bekannt sei, dass die Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen zwar nicht im geplanten Umfang steige, wenn sie dies jedoch würde, so sei nicht absehbar, welch enormer Aufwand für eine Ausbaufinanzierung der Netze aufzubringen sein werde. Eine massive Erhöhung des Netznutzungsentgelds in den nächsten Jahren wäre wohl unvermeidlich.

Doch gebe es auch praktische Fortschritte, die der Markt zweckgebunden erreicht habe, zu vermelden: Photovoltaik-Anlagen beispielsweise würden gar ausschließlich nur noch mit Speicher gebaut, was die Eigenverbrauchsquote, also den Anteil der Energie, der letztendlich auch vom Halter der Anlage verwendet werden könne, auf durchschnittlich immerhin 40% erhöht habe.

Die hohe Bereitschaft der Referenten, während der anschließenden Diskussion allerlei Fragen der in Bezug auf die fachlichen Zusammenhänge zum Teil mehr als nur versierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu beantworten und damit auch die inhaltlichen Zusammenhänge nochmals deutlich auszuweiten, war für den Erfolg der Veranstaltung von großem Wert. Unter anderem ging es um die Technologie „power to gas“, bei der aus überschüssig gewonnener elektrischer Energie Flüssiggas produziert wird, um die Sicherheit der Energieinfrastruktur (Gewährleistungsversuche etwa durch Sensoren für Glasbruch), und allgemein um einen Blick auf andere Länder und deren Konzepte. Beispielsweise sei China momentan im Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken (wenn auch zur Speicherung der dort weiter vorangetriebenen Atomenergie) Vorreiter.

„Wahrscheinlich färben Sie die Elektronen grün ein!“

Woher kommt eigentlich der grüne Strom nochmal? Diese Antwort ruft ein Teilnehmer während der Diskussion scherzhaft in die Runde – eine vielleicht zutreffende Umschreibung für eine gewisse Frustration, die mit den erwähnten, bislang teilweise ungeklärten Fragen aufgekommen ist. Und weiter, bezugnehmend auf die bereits angeklungenen Probleme für die private Speicherung: „Vielleicht sollten wir eine Revolution machen?!“ Im Anschluss der Veranstaltung nahmen sich Strzelkowski und Herrmann freundlicherweise noch mehr Ihrer knappen Zeit, um diese und andere Fragen mit den Teilnehmenden zu erörtern.

Trotz allem unterhaltsamen Irrationalismus: was bleibt dem Verbraucher und privatem Stromproduzenten, außer sich – neben der Hoffnung auf Reformbereitschaft der Politik – auf den seligen Flamingo-Werbeslogan „Wir machen das schon“ der EnBW zu verlassen? Wohl wenig. Nichtsdestotrotz bat dieser Abend eine seltene Gelegenheit, aus erster Hand und auf der Basis realistischer Zahlen viel Neues über ein bedeutendes Thema zu erfahren, das mit der Entwicklung der Energiewende in den nächsten Jahren eigentlich an Gewicht nur gewinnen kann.

Text und Fotos: Robin Schenk

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