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Reportajes internacionales

Umweltpolitik und Nachhaltigkeit

de Dr. Helmut Wittelsbürger, Jale Önel

- auch in Chile ein christlich-demokratisches Anliegen -

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Chile gilt in vieler Hinsicht als Vorbild für den lateinamerikanischen Kontinent. Der Andenstaat hat fünfzehn Jahre nach dem Ende der Militärregierung den demokratischen Transformationsprozess weitgehend durch eine umfassende Verfassungsreform beendet. Das Land ist gut in die Weltwirtschaft integriert und weist seit Jahren beeindruckende Wachstumsraten auf. Erst kürzlich lobte die Weltbank die chilenische Regierung und bescheinigte den gesetzlichen Regelungen eine hohe Marktfreundlichkeit. Die führenden Rating-Agenturen Standard & Poors, Moody’s und Fitch IBCA würdigten die unternommenen politischen Anstrengungen mit der Erteilung der besten Bewertung in der gesamten Region. Somit gilt Chile als der sicherste Investitionsstandort in ganz Lateinamerika. Die politische Stabilität und die idealen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen Chile verstärkt zum Ziel zahlreicher ausländischer Investoren. Auf dem internationalen Parkett nimmt das Land durch eine Vielzahl von Kooperationsabkommen ebenfalls eine zunehmend wichtige Rolle wahr.

Seit 2003 ist die chilenische Regierung bestrebt, ein vollwertiges Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu werden. Die Aufnahme in die OECD genießt hohe politische Priorität und die Bemühungen der Regierung werden von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen im Land außerordentlich begrüßt. Die Beitrittsambitionen waren der Anlass für eine umfassende Evaluierung der erzielten Fortschritte in den zentralen Politikfeldern durch die OECD. Einen prominenten Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang die Performanz der chilenischen Umweltpolitik ein.

Trotz messbarer Verbesserungen seit der Amtsübernahme durch die christlichen Demokraten mit dem Präsidenten Patricio Aylwin im Jahre 1990, stellt die OECD gravierende Defizite fest und mahnt akuten Handlungsbedarf an. Die Organisation formuliert zahlreiche Empfehlungen zur Verbesserung des Umweltmanagements, der effektiveren Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung und die konsequente Umsetzung internationaler Umweltabkommen. Die Befunde der Evaluierung besitzen eine beachtliche politische Brisanz: Sollte die chilenische Regierung unter dem sozialistischen Präsidenten Ricardo Lagos die konstatierten Defizite nicht beheben und die Ratschläge ernst nehmen, könnten die Aufnahmeverhandlungen maßgeblich verzögert werden.

Erste Thematisierung von Umweltproblemen

In Chile wurden erste umweltpolitische Maßnahmen Ende der 1960er Jahre vor dem Hintergrund konkreter globaler Umweltprobleme ergriffen. Damit passte sich der Andenstaat dem internationalen Trend an, der vor allem im Anschluss an die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen in Stockholm im Jahr 1972 einsetzte. Mexiko, Brasilien und Venezuela nahmen eine Vorreiterrolle in Mittel- und Südamerika ein und schufen solide rechtliche Grundlagen für eine Umweltpolitik und etablierten entsprechende institutionelle Strukturen. Die chilenische Regierung hielt sich seinerzeit bei der Einführung umweltpolitischer Maßnahmen zurück und reagierte lediglich punktuell auf bestehende Umweltbelastungen.

Der christdemokratische Staatspräsident Eduardo Frei Montalva leitete mit der Amtsübernahme im Jahr 1964 einen schwierigen Prozess des politischen, wirtschaftlichen und strukturellen Wandels ein. Im Rahmen der von ihm angestrebten Reformen thematisierte Frei Montalva auch die zunehmende Belastung der Umwelt durch die ökonomischen Aktivitäten. Den Schwerpunkt der umweltpolitischen Regelungstätigkeit legte er auf den Forstsektor. In seiner Mensaje Presidencial von 1966 erklärte er die Relevanz der Bewahrung des natürlichen Waldbestandes, wobei er primär die wirtschaftlichen Implikationen für die Papier- und Zellstoffindustrie betonte.

In dieser frühen Phase wurden auch verschiedene Einrichtungen gegründet, welche sich mit umweltspezifischen Problemen auseinander setzen sollten. So wurde 1964 unter anderem das IREN (Insitituto de Investigaciones de Recursos Naturales) ins Leben gerufen. 1967 folgten weitere ähnliche Institute, so dass Instituto Forestal, Instituto de Fomento Pesquero etc. Bereits 1963 wurde die erste umweltpolitische Nichtregierungsorganisation CODEFF (Comite de Defensa de la Fauna y Flora) etabliert, spielte aber politisch zu jener Zeit keine Rolle.

Der geringe Ausprägungsgrad der Umweltpolitik in diesem Zeitraum, trotz der starken internationalen Thematisierung, ist durch die komplexen politischen und sozioökonomischen Konstellationen und aufkommenden internen Konflikten zu erklären. Frei Montalvas Regierung war bemüht eine demokratische Gesellschaft nach christlich-demokratischen Prinzipien zu entwickeln, die politischen Strukturen zu modernisieren und eine stärkere Partizipation der Bevölkerung zu erreichen. Mit dem Programm der Sociedad Comunitaria, welche ihren Ursprung in der katholischen Soziallehre hat, konnte Frei Montalva sozialen Fortschritt erreichen. Allerdings reichte seine sechsjährige Amtszeit angesichts der immensen Aufgaben nicht aus, um alle angestrebten Reformen im Umweltbereich umzusetzen.

Mit der Wahl des Sozialisten Salvador Allende zum Staatspräsidenten im September 1970 wurden die internen Spannungen stärker. In Anbetracht der sensiblen sozialen und politischen Situation war der Handlungsspielraum der Regierung Allendes stark eingeschränkt. Die politische Agenda bot keinen Raum für eine umfassende Behandlung von Umweltproblemen, wenngleich diese bereits gegeben waren. Daher ist verständlich, dass Chile nur erste, zögerliche Schritte unternahm. Die prekäre selbstverschuldete politische und sozioökonomische Situation gipfelte schließlich im Staatsstreich durch General Pinochet.

Umweltpolitik unter der Militärregierung

Das Primat der Pinochet-Regierung galt einer umfassenden Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Zur Förderung von Wachstum und Produktivität erließ die Militärregierung zahlreiche marktfreundliche Gesetze. Diese Entwicklungsstrategie schloss Überlegungen zur Lösung möglicher ökologischer Probleme nahezu aus.

Die staatlich geförderte Produktivitätssteigerung verursachte auch eine stärkere Beanspruchung der natürlichen Ressourcen. Die offensichtliche Umweltdegradation durch das Wirtschaftsmodell wurde weitestgehend ignoriert und beim Steigen des Problemdrucks wurden nur wenig ambitionierte Maßnahmen ergriffen.

Erhebliche Umweltprobleme entstanden in diesem Zeitraum zum einen durch die Bergbauindustrie, die nach wie vor durch das staatliche Berg-bauunternehmen CODELCO (Corporación del Cobre de Chile) dominiert wird. Hierbei muss angemerkt werden, dass Chile der weltweit größte Kupferproduzent ist: 42 Prozent des Ausfuhrwertes der Exporte entfallen auf den Kupferabbau. Die negativen Auswirkungen des Bergbaus auf die Luft rühren von Staubteilchen, Gasen und anderen Schadstoffen wie Blei oder Arsen. Die Wasserbelastung (Grund- und Oberflächenwasser) sind durch toxische und schwere Elemente gegeben. Weiter zerstört der Tagebergbau Landschaften und wirkt sich nachteilig auf die topographischen Gegebenheiten aus.

Weitere schwerwiegende Umweltprobleme entstanden zudem durch die Holz- und Forstwirtschaft. Es kam zu einer Verdrängung des einheimischen Waldes durch Monokulturen. Durch die hauptsächlich im Süden des Landes ansässigen Zellulosebetriebe wurde die Umwelt zusätzlich auf verschiedene Weise belastet. So vor allem durch eine hohe Abwasser- und Staubbelastung.

Besonders verheerend war die Situation in der chilenischen Hauptstadt. Die Luftqualität in Santiago galt neben derjenigen in Mexiko-Stadt und São Paulo als eine der schlechtesten der Welt. Bedingt durch die rasche Urbanisierung und das sprunghaft angestiegene Verkehrsaufkommen sowie der Industriekonzentration im städtischen Ballungsgebiet stellen die übermäßige Emissionsbelastung und der urbane Smog ein ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar.

Die einzelnen Ministerien mussten umweltspezifische Themen selber bearbeiten und sich bei anfallenden Querschnittaufgaben eigenständig koordinieren. Zumeist fehlte es ihnen am notwendigen Fachwissen sowie finanziellen und personellen Ressourcen. Als spezialisierte Institution wurde die halbstaatliche CONAF (Corporacion Nacional Forestal) gegründet, welcher die Zuständigkeit für die chilenischen Wälder und Nationalparks übertragen wurde.

Auf internationalen Druck und Kampagnen der langsam erstarkenden Umweltorganisationen musste die Militärregierung schließlich doch auf die Umweltprobleme reagieren. So wurde der Umweltschutz in der Verfassung von 1980 festgeschrieben. Artikel 19, 8 der Verfassung von 1980 besagte, dass das chilenische Volk ein Recht darauf habe, in einer sauberen Umwelt zu leben. In Anlehnung an die weitere Erstarkung der Umweltorganisationen rief die Regierung 1984 eine nationale Kommission für Ökologie ins Leben, welche eine nationale Umweltpolitik ausarbeiten sollte. Ein ambitioniertes Ziel, welches die Kommission niemals erreichte.

Unter der Militärregierung unterzeichnete Chile die meisten der relevanten internationalen Umweltabkommen. Allerdings zeigte sich die Regierung besonders ehrgeizig beim Schutz der Ozonschicht auf internationaler Ebene. Die Regierung von General Pinochet nahm das über der Antarktis entstehende Ozonloch als ernsthafte Bedrohung für das Land wahr. Folglich machten sich chilenische Diplomaten besonders stark für die Unterzeichnung und Umsetzung des Montréal-Protokolls und der entsprechenden Folgeverträge.

Während des Militärregimes schenkten weder die öffentlichen Behörden noch die Regierung dem Umweltschutz besondere Aufmerksamkeit. Durch die Anwendung des ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum ausgelegten Entwicklungsmodells, welches auf der Nutzung einheimischer Rohstoffquellen gründete, entstanden bis zum Ende der 1980er Jahre gravierende Umweltprobleme. Erst mit dem Ende der Militärregierung sollte in Chile ein neues umweltpolitisches Kapitel geschrieben werden.

Rückkehr zur Demokratie: Beginn einer ernsthaften Umweltpolitik unter christlich-demokratischer Präsidentschaft

Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1989 gewinnt der christdemokratische Kandidat Patricio Aylwin Azócar und wird zum ersten demokratischen chilenischen Staatspräsidenten seit dem Staatsstreich von 1973 gewählt. Die Einsetzung der Regierung Aylwin stellt in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt in der Geschichte des Landes dar.

Präsident Aylwin sah sich bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte gewaltigen Aufgaben gegenübergestellt, so unter anderem der Ahndung der durch die Militärregierung begangenen Menschenrechtsverletzungen, der Etablierung demokratischer Strukturen, der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu allen Staaten. Auch stellt Aylwins Amtszeit den Beginn einer kohärenten Umweltpolitik in Chile dar.

Das Mitte-Links-Regierungsbündnis Concertación por la Democracia wurde von der PDC und den Sozialisten dominiert, so dass die Christdemokraten inhaltlich einen großen Einfluss auf das Regierungsprogramm hatten. Die Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber seiner Umwelt sowie die Achtung und Bewahrung der Schöpfung stellen zentrale christlich-demokratische Werte dar. Der Umweltschutz gründet im christdemokratischen Menschenbild – dieses verbindet die Freiheit des Menschen gleichzeitig mit der Pflicht, die Natur zu schützen. Zudem führt dieses anthropozentrische Weltbild dazu, dass die Interdependenz zwischen der menschlichen Existenz, der Natur und dem wirtschaftlichen Wachstum erkannt wird.

Doch die Motivation für die Einführung von Umweltpolitik rührte nicht nur von der christlich-demokratischen Strömung, sondern ist auf verschiedene interne und externe Faktoren zurückzuführen. Der Neuaufbau einer demokratischen Ordnung und die Möglichkeit, Politikbereiche zu regulieren, die unter der Pinochet-Regierung vernachlässigt worden waren, genießten eine zentrale Rolle.

Auch war ein großer Problemdruck gegeben, der von der Umweltsituation selber ausging. Die dringendesten Umweltprobleme waren eine übermäßige Wasserverschmutzung, die Belastung zahlreicher Küstenabschnitte (besonders kritisch in Valparaíso und Concepción), fehlende Strukturen in der Abfallbeseitigung, Luftverschmutzung, Übernutzung der Fischressourcen, eine starke Reduzierung des Baumbestandes, Defizite im öffentlichen Transportwesen und eine übermäßige Verkehrsbelastung (vor allem in Santiago).

Zudem kam als innenpolitischer Faktor hinzu, dass die Umweltprobleme zunehmend in der Zivilgesellschaft durch die Berichterstattung in den Medien thematisiert wurden. Durch das wachsende Interesse der Öffentlichkeit an der Problematik spielte der Umweltschutz auch während des Präsidentschaftswahlkampfes eine wichtige Rolle.

Zu den innenpolitischen Motiven kamen externe, internationale Faktoren hinzu. In diesem Kontext ist wieder auf die zentrale Stellung der wirtschaftlichen Entwicklung zu verweisen. Hier war vor allem der Umstand wichtig, dass Chiles Handelspartner in erster Linie OECD-Länder sind und vergleichsweise hohe Ansprüche bezüglich Produkt- sowie Prozessstandards stellen. Um die hohen Umweltstandards der Exportmärkte zu beachten, mussten entsprechende Regulierungen vorgenommen werden.

Die handelspolitische Verflechtung wirkte sich noch auf eine weitere Weise auf die Entwicklung der Umweltstandards in Chile aus. Durch den Erfolg des ökonomischen Modells zogen die Vereinigten Staaten von Amerika eine Aufnahme Chile in das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) in Betracht. Im Zuge der Aufnahmegespräche mit Mexiko hatten umweltbezogene Themen eine große Rolle gespielt. So äußerten zahlreiche Abgeordnete während der Debatte im amerikanischen Kongress ihre Bedenken gegenüber einer Aufnahme Mexiko aus Befürchtungen, dass die Vereinigten Staaten durch ihre höheren Umweltstandards einen komparativen Nachteil erleiden könnten und die stärker verschmutzenden Industriezweige ihre Produktionsstätten nach Mexiko verlagern würden.

In Folge dieser Bedenken blieb den Mexikanern nichts anderes übrig, als (zumindest formal) ihre Standards so anzuheben, dass eine Konvergenz in Richtung der amerikanischen Umweltnormen sichtbar wurde.

Andernfalls wäre ein Beitritt Mexikos in die Freihandelszone politisch nicht durchsetzbar gewesen. Das Beispiel Mexikos verdeutlichte der chilenischen Regierung, dass eine realistische Aufnahmeperspektive nur mit entsprechenden Umweltgesetzen möglich sei.

Abgesehen von der NAFTA-Beitrittsperspektive wirkten internationale Organisationen und die bi- und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit auf eine Einführung bzw. Verbesserung der Umweltpolitik hin. Die Weltbank beispielweise stellte entsprechende Ressourcen zur Entwicklung von Umweltinstitutionen zur Verfügung.

Auch das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusamme narbeit und Entwicklung (BMZE) erklärte den Umweltschutz zum wichtigen Entwicklungsziel. In Folge dessen begleiteten auch verschiedene deutsche Einrichtungen den Prozess in Chile. Die GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) rief verschiedene Projekte ins Leben und agierte als kompetenter Ansprechpartner in technischen Fragen. Vor allem bei der Ausarbeitung von Strategien zur Verbesserung der Luftqualität in Santiago wirkte die GTZ mit.

Auch die vor Ort tätigen politischen Stiftungen integrierten umweltpolitische Themen in ihr Arbeitsgebiet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung nimmt diese Aufgabe seit 1993 durch ihre chilenische Partnerorganisation CAS (Corporación Ambiental del Sur) wahr, die in den Regionen des Landes einen Beitrag zur politischen Bewusstseinsbildung über Umweltschutz leistet. Des weiteren berät die CAS Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Fragen einer umweltverträglichen Kommunalpolitik.

Beim Amtsantritt von Präsident Aylwin besaß das Land keine umweltpolitischen Institutionen und eine hoch disperse Gesetzgebung. Generell war das Interesse der einzelnen Ministerien an Umweltthemen nur gering ausgeprägt. Die Stellen, welche formal mit der Implementation der Normen betreut waren, besaßen in vielen Fällen ein nur unzureichendes Wissen über die Gesetzeslage. Weiter fehlten Instrumente, um einen effektiven Umweltschutz zu betreiben.

Die Regierung Aylwin richtete seine Regelungstätigkeit zunächst auf die dringendesten Umweltprobleme. Es musste eine Prioritätenliste erstellt werden, um die umweltspezifischen Erblasten der Militärregierung schnell zu beseitigen. Sie sah sich vor die Aufgabe gestellt, angemessene Institutionen zu schaffen mit effizienten administrativen Strukturen. Der Umweltschutz musste in den verschiedenen Wirtschaftssektoren Fuß fassen, so dass diese die von ihnen verursachten Belastungen reduzierten und präventiv agierten. Gleichzeitig durfte aber die wirtschaftliche Aktivität durch eine Überregulierung nicht gefährdet werden, da dies in der hoch sensiblen Phase der Transition und des frühen Stadiums der Demokratiekonsolidierung negative Folgen gehabt hätte. Erst gegen Ende der Amtszeit der Regierung wird von Präsident Aylwin, ein umfassendes Umweltrahmengesetz der Legislative zugeleitet.

Das chilenische Umweltrahmengesetz

Im Juni 1990 wird durch ein Dekret des Staatspräsidenten die staatliche Umweltkommission CONAMA (Comisión Nacional de Medio Ambiente) gegründet. Die Kommission erhält das Mandat, die künftige Umweltpolitik zu definieren, eine rechtliche Grundlage sowie entsprechende Umweltinstitutionen vorzuschlagen.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit stellte die CONAMA eine Übersicht der verschiedenen umweltrelevanten Gesetze zusammen. Das Ergebnis war ein Dokument von über 800 Seiten – ein Indiz dafür, wie dispers und konfus der rechtliche Rahmen für Umweltpolitik aussah. Die sich überschneidenden Kompetenzen in diesem Politikfeld und die oft widersprüchlichen Bestimmungen hätten eine vernünftige Umweltpolitik nicht zugelassen und sich indirekt auch hinderlich auf wirtschaftliche Aktivitäten ausgewirkt.

Nach zweijähriger Ausarbeitung stellte die Regierung Aylwin im August 1992 dann das Gesetzesvorhaben im chilenischen Parlament vor. Nach zahlreichen und teilweise heftigen Debatten wurde das Umweltrahmengesetz (Ley Base de Medio Ambiente 19.300) im März 1994 im Diario Oficial veröffentlicht, nur wenige Tage vor der Übergabe des Präsidentenamtes an den Christdemokraten Eduardo Frei Ruiz-Tagle.

Das Umweltrahmengesetz gründet auf sechs zentralen Prinzipien. Es handelt sich dabei um eine konsequente Anwendung des Präventionsprinzips, d.h. der Vorbeugung ist gegenüber der Behebung von Umweltschäden der Vorzug zu geben. Dem Präventionsprinzip entsprechend stellen so genannten Umweltverträglichkeitsprüfungen ein wichtiges Element der Umwelt-gesetzgebung dar. So müssen alle neuen in- und ausländischen Investitionsprojekte eine solche Prüfung bestehen. Nur wenn das Projekt im Einklang mit den geltenden Umweltnormen steht, wird die Durchführungsgenehmigung erteilt. Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen allerdings nicht bei bereits existierenden Anlagen durchgeführt werden und auch nicht bei Staatsaufträgen.

Das zweite zentrale Prinzip ist das Verursacherprinzip, d.h. das die Kosten für die Nichterfüllung der Normen sind vom Verursacher zu tragen. Bei Nichteinhaltung der rechtlichen Anforderungen können zivilrechtliche Klagen angestrebt werden. In diesem Kontext sind sowohl direkte, dirigistische Instrumente vorgesehen, wie auch indirekte, kooperative Instrumente. Das Prinzip der Gradualität ist pragmatischer Natur, um eine schrittweise Verbesserung der Umweltqualität zu erzielen.

Das Verantwortlichkeitsprinzip besagt, dass die Verursacher von Umweltschäden den Betroffenen eine entsprechende Kompensation anbieten müssen. Weiter hebt das Umweltrahmengesetz die Partizipation sämtlicher gesellschaftlicher Akteure als notwendige Bedingung für die Behebung von Umweltproblemen hervor. Das letzte Prinzip ist die Effizienz, d.h. die eingesetzten Instrumente sollen die geringsten sozialen Kosten aufweisen.

Das chilenische Umweltrahmengesetz stellt einen Kompromiss zwischen den Vorstellungen unterschiedlicher politischer und sozialer Akteure dar. Daher ist es sehr generell ausgelegt und schreibt keine Grenzwerte vor. Grenzwerte und konkrete Durchführungshinweise, so beispielsweise für die Umweltverträglichkeitsstudien, werden mittels Verordnungen bestimmt. 1995 verabschiedete die Regierung von Staatspräsident Frei Ruiz-Tagle zwei wesentliche Verordnungen bezüglich Qualitäts- und Emissionsnormen und der Einführung von Präventions- und Dekontaminationsplänen.

Das Umweltrahmengesetz schreibt das Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung für die staatliche Umweltpolitik fest und definiert drei Kernziele. 1. Eine gerechte Verbesserung der individuellen Lebensqualität und die zukünftiger Generationen 2. Eine Vereinbarkeit der sozioökonomischen Entwicklung mit ökologischer Nachhaltigkeit 3. Verbesserung der sozialen Gleichheit und Verringerung von Armut.

Das Umweltrahmengesetz führt zahlreiche neue administrative und rechtliche Verfahren ein. Vor allem die Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft werden gestärkt, so dass Bürger und Nichtregierungsorganisationen vom Staat die Implementation der rechtlichen Grundlagen fordern können. Es beinhaltet eine adäquate Struktur zur Modernisierung des Regelwerks in diesem Politikbereich. Es vereinfacht die Gesetzeslage und versucht, durch die nationale Umweltkommission Überschneidungen in den Ministerien zu verhindern. So schreibt die dritte Säule des Umweltrahmengesetzes die Einrichtung einer entsprechenden Institution fest, welche im Falle Chiles die CONAMA ist. Den christlich demokratischen Präsidenten Aylwin und Frei kommen für diese Erfolge hohe Anerkennung zu.

Die chilenische Umweltbehörde CONAMA

Das Umweltrahmengesetz definiert nicht nur die rechtliche Grundlage für Umweltschutz und führt eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Umweltpolitik ein. Es bestimmt zudem die institutionellen Komponenten des Umweltschutzes. In Chile ist die 1990 gegründete CONAMA für Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung und zur Koordination entsprechender staatlicher Maßnahmen und Strategien verantwortlich.

Im Gegensatz zur Mehrzahl der lateinamerikanischen Staaten, besitzt Chile ebenso wie Peru kein Umweltministerium, sondern lediglich eine Umweltkommission, die die umweltrelevanten Themen der einzelnen Ministerien koordiniert. Alle chilenischen Ministerien unterhalten eine Umweltabteilung, die mit der CONAMA zusammenarbeiten.

Artikel 69 des Umweltrahmengesetzes definiert die CONAMA als öffentliche, dezentrale Behörde. Um die politische Relevanz von Umweltpolitik zu verdeutlichen, ist die CONAMA direkt dem Staatspräsidenten untergeordnet, wobei die Kommunikation über das Generalsekretariat des Präsidialamtes erfolgt. Die CONAMA besitzt einen Vorstand, der aus Vertretern des Präsidialamtes und der Fachministerien besteht. Vertreter der Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft bilden einen Beirat. Die CONAMA besitzt zudem regionale Fililialen, die so genannten COREMAs (Comisiones Regionales del Medio Ambiente). Die COREMAs beschäftigen sich mit relevanten umweltpolitischen Fragestellungen in den jeweiligen Regionen.

Die CONAMA ist verantwortlich für die Entwicklung von Umweltpolitik sowie für die Erarbeitung und Umsetzung von Umweltnormen. Nachdem das Rahmengesetz selber keine Grenzwerte vorschreibt, sondern lediglich die Richtlinien bestimmt und die zentralen Prinzipien festschreibt, muss die CONAMA bzw. der Gesetzgeber die entsprechenden Standards definieren. Dies geschieht in der Regel über Verordnungen. Durch die Koordinierungstätigkeit sollen Überschneidungen zwischen den verschiedenen Ministerien verhindert werden.

Die Kommission führt auch die Umweltverträglichkeitsprüfungen durch. Ein Investitionsprojekt wird auf die Umweltauswirkungen hin durch die CONAMA und die COREMAs evaluiert, wobei die CONAMA allein die Entscheidungskompetenz besitzt.

Die Tatsache, dass die CONAMA kein eigenständiges Ministerium ist, hat schon viel öffentlichen Unmut erzeugt. Da Umweltnormen und Umweltrichtlinien nicht ausschließlich von der nationalen Umweltkommission erarbeitet und implementiert werden, sondern sämtliche Ministerien ebenfalls über Gesetzgebungskompetenzen im Umweltbereich verfügen, kommt es oft zu Kompetenzgerangel und Abstimmungsproblemen. Aus diesem Grunde gestaltet sich die Arbeit der CONAMA schwierig und die Ausarbeitung neuer Umweltnormen zieht sich unnötig in die Länge. Zudem fehlt es der CONAMA an finanziellen, personellen und technischen Ressourcen, um ihre Kontrollfunktion bei der Umsetzung der Richtlinien wahrzunehmen.

Flexible Anpassung

Umweltpolitik wurde in Chile nachweislich zwar nicht ausschließlich aber wesentlich durch die Intensivierung der internationalen Handelsverflechtung verstärkt. Die hohe Abhängigkeit des Andenstaates vom Außenhandel hat zu einem interessanten Spezifikum der chilenischen Umweltpolitik geführt. Primär im agroindustriellen Sektor verfolgen zahlreiche Produzenten eine pragmatische Strategie der “Selbstregulierung“. So passen die chilenischen Exporteure ihre Produktionsmethoden an die jeweiligen Anforderungen bezüglich der Umweltverträglichkeit der Absatzmärkte an. Nachdem das Land über eine Vielzahl von Außenhandelspartnern verfügt und die Zielmärkte unterschiedliche Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Exportgüter stellen, variieren die angewandten Umweltnormen bei den Herstellungsverfahren auch dementsprechend stark.

Allerdings sind die chilenischen Produzenten sehr flexibel bei der Erfüllung der Bedingungen. Die vergleichsweise großzügigen gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für den Einsatz von Agrochemikalien bzw. die Nichtregulierung ermöglichen diese Flexibilität. So wenden sie auf Wunsch der Abnehmer Produktionsverfahren an, die dem Umweltzertifikat Producción Limpia entspechen. Der verstärkte Einsatz dieser Herstellungsmethoden wird zunehmend bei der Schweinezucht, Weinanbau, Obst- und Gemüseanbau sowie bei der Produktion von Käse beobachtet.

Durch die gestiegene Nachfrage nach ökologischen Produkten in den Zielmärkten, übernehmen immer mehr Produzenten Herstellungsmethoden, wie sie Bio-Lebensmitteln entsprechen. Die ökologische Landwirtschaft ist in Chile noch in der Anfangsphase, wird aber durch die beständig steigende Nachfrage aus Europa und Nordamerika, in den nächsten Jahren stark expandieren.

Generell kann man erwarten, dass durch die steigenden Qualitäts-anforderungen an importierte agroindustrielle Produkte die negativen Umweltauswirkungen der Herstellung reduziert werden.

Herausforderungen und bisherige Erfolge

Nach der Verabschiedung des Umweltrahmengesetzes wurden zahlreiche weitere Regulierungsprojekte initiiert sowie neue Umweltnormen und Richtlinien eingeführt. Die Umweltpolitik wurde konsequent weiterentwickelt, nicht zuletzt auch durch eine stärkere öffentliche Diskussion. So sind in Chile bedeutende Fortschritte bezüglich der Wasser-, Luft- und Abfallwirtschaft sowie dem Schutz der Biodiversität erzielt worden.

Die Luftqualität wurde maßgeblich durch neue Grenzwerte verbessert, so bei der Luftverschmutzung per se sowie beim Emissionsausstoß neuer Kraftfahrzeuge. Seit 1998 sind Umweltnormen für Schwebepartikel in der Luft sowie Grenzwerte für Arsenemissionen in Kraft getreten. Besonders wichtig waren die Pläne zur Prävention und Kontrolle der Luftverschmutzung im Großraum Santiago von 1998 und 2004.

Seit den späten 1990er Jahren hat Chile große Anstrengungen unternommen, um eine grundlegende Reform im Bereich der Wasserversorgung und beim Sammeln und Aufbereiten von Abwässern in die Wege zu leiten. Im Zuge dieser Reform wurden die Wasseranbieter regionalisiert und privatisiert, was eine beachtliche Verbesserung der Infrastruktur mit sich brachte. Der Wasser-Kodex von 1981 führte handelbare Wasserrechte ein und seit kurzem gibt es Grenzwerte für industrielles Abwasser, welche sich auf direkte und indirekte Einleitungen beziehen. Trotz der allgemein guten Wasserqualität weisen einige Gewässer eine mangelhafte Qualität durch nicht aufbereite Abwasser-einleitungen auf.

Seit 2003 verfügt Chile über eine Strategie zur Wahrung der Biodiversität. Allerdings fehlen effektive institutionelle Strukturen und ein generelles Naturschutzgesetz sowie finanzielle Ressourcen, um die Artenvielfalt auf eine adäquate Art und Weise zu schützen.

Chile ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Holz und der sechstgrößte von Zellulose. Im Forstbereich wurden in den letzten Jahren zahlreiche weitgreifende Regulierungen in die Wege geleitet. Im Zusammenhang mit der Zelluloseindustrie hat ein Fall für großes Aufsehen und ein reges Medieninteresse gesorgt. Die COREMA der achten Region stoppte die Produktion des Großunternehmens CELCO (Celulosa Arauco y Constitución) in Valdivía. Die Zellulosefabrik befindet sich in der Nähe des Naturschutzgebietes des Río Cruces und wurde für den Tod zahlreicher dort beheimateter Schwarzhalsschwäne verantwortlich gemacht.

Auch ist Chile der weltweit zweitgrößte Produzent und Exporteur von Lachsen. Die Zuchtanlagen befinden sich primär im Süden des Landes. So wurde 2001 eine Verordnung für Aquakultur verabschiedet. 80 Prozent der Lachsexporteure haben zudem Vereinbarungen zur Einführung sauberer Produktionsverfahren Producción Limpia abgeschlossen. Allerdings sind die Umweltprobleme, die sich aus der Lachszucht ergeben gewaltig. Trotz verschiedener Umweltverordnungen leiten viele Lachzüchter ihre mit verschiedensten Schadstoffen belastete Abwässer unbehandelt in Oberflächengewässer und Kanalsysteme.

Umweltpolitische Instrumente in Chile sind neben den Umweltver-träglichkeitsprüfungen, weitere regulative Instrumente, freiwillige Selbstkontrollen sowie Planungs- und Informationssinstrumente. Der Fokus lag lange Zeit auf den Umweltverträglichkeitsprüfungen. Verstärkt werden nun aber auch Planungs- und Informationsinstrumente eingesetzt. Die OECD empfiehlt in ihrer Evaluierung eine Umweltsteuer als weiteres Instrument.

Eine Pionierrolle kommt Chile bei den ökonomischen Instrumenten zu, wie z.B. die handelbaren Emissionszertifikate in Santiago, Wasserrechten und individuell übertragbaren Fangquoten für bestimmte Fischarten. Einen großen Erfolg erzielte das Land ebenfalls bei der Abwasserbehandlung. Das Verursacherprinzip wird mittlerweile konsequent angewandt.

Das Land hat weiter Fortschritte bei der Erreichung einer breiten Umweltdemokratie erzielt. So werden zunehmend Umweltinformationen den Bürgern zur Verfügung gestellt. Die rechtlichen Grundlagen für einen Zugang zu Informationen, wie auch Partizipationsmöglichkeiten und die Nutzung des Rechtsweges wurden verbessert.

Angesichts der erst späten Herausbildung des Politikfeldes sind die bis heute zu verzeichnenden Entwicklungen bei der Umweltpolitik im südamerikanischen Vergleich anerkennenswert, jedoch bestehen weiterhin Defizite. Die OCED bemängelt in ihrer Studie, dass dem Politikbereich in der letzten Regierungsperiode zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Generell sollte die Gesetzgebung einfacher gestaltet werden, mit einer klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Die Kompetenzverteilung zwischen der CONAMA und den einzelnen Ministerien ist sowohl bei der Gesetzgebung wie auch bei der Implementation diffus. Folglich muss das Land im Umweltsektor noch seine Hausaufgaben machen. Denn sollten die Defizite nicht rasch behoben werden, könnte sich Chile seiner Grundlage für eine weitere sozioökonomische Entwicklung berauben: seiner kostbaren und einmaligen Natur. Die christlich-demokratische Partei des Landes ist gut beraten, dem Umwelt- und Ressourcenschutz einen wichtigen Platz bei der Formulierung ihrer Antworten für die politische Gestaltung im Land einzuräumen. Die Partei kann dabei mit Stolz auf die Erfolge unter ihrer Führung in der Umweltpolitik zwischen 90 und 99 verweisen.

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Andreas Michael Klein

Andreas Michael Klein

Leiter des Regionalprogramms Politikdialog Asien

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