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International Symposium on New Media Industry & Globalization

The symposium wants to promote the study of the development of the new media industry and international communications within China. The main focus will be put on the current policy and strategy of the new media industry, its status quo and trends.

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„Freiheit ist immerfort kommunizierend“ – Fernziel: Demokratie in China?

Zwei Konferenzen in Shanghai widmeten sich einem sensiblen Thema.

„Demokratie und Pressefreiheit mit chinesischen Merkmalen“: so oder ähnlich könnte man die beiden internationalen Konferenzveranstaltungen, zu denen die Shanghai- und die Jiaotong-Universität in der Küstenstadt eingeladen hatten, bezeichnen (Die Shanghai-Universität ist eine 1922 gegründete und - erst 1994 wieder etablierte - staatliche Universität, die seit 2003 ein eigenes Institut für Medienforschung und Journalismus verwaltet. Auch die staatliche Jiaotong-Universität gehört zu den ältesten des Landes; sie wurde im Jahr 1896 errichtet und genießt ebenfalls einen ausgezeichneten Ruf).

In Kooperation mit der KAS/Shanghai, die von den chinesischen Organisatoren um Mithilfe bei der logistisch-thematischen Vorbereitung / Durchführung der Seminare gebeten wurde, trafen sich vom 23.-26.10.2008 insgesamt 100 Wissenschaftler (Professoren / Studenten) und Lokalpolitiker, um gemeinsam über die Kompatibilität demokratischer Wertesysteme mit der chinesischen Kultur (Betonung von Tradition und Gesellschaft) nachzudenken.

Der Teilnehmerkreis war international (Deutschland, Frankreich, England Russland, USA und Australien) und trug dadurch differenziert zu einer gewollt unterschiedlichen Betrachtungsweise demokratischer Modelle und der Ideen von Presse- und allgemeiner Medienfreiheit bei.

Beide Begriffe erfahren in ihrer Funktionalisierung durch die chinesische Politik zwar eine Art Renaissance, bleiben aber gerade durch die Verkennung wesentlicher, „westlicher“ Merkmale (Autonomie, Freiheit, Selbst, Individuum) oft einer oberflächlichen Betrachtung verhaftet, die demokratische Tendenzen in der sich rapide entwickelnden und verändernden Gesellschaft Chinas immer nur als einen Aspekt ideologischer Anpassung an „Vorgaben“ moderner Gemeinschaftsordnungen interpretiert.

Sowohl auf der Tagung der Jiaotong-, und als auch während der Konferenz in der Shanghai- Universität, wurden die Thesen der chinesischen Intellektuellen („Modernisierer“, Neo-Liberale, Wirtschaftsliberale, Konservative etc.) genauso wie die entsprechenden Gegenmeinungen anderer Denk- und Politikrichtungen thematisiert.

Nach Ansicht der meisten (traditionellen) KP-Vertreter würde eine „verfrühte“ Demokratisierung ein so riesiges, armes und heterogenes Land wie China nur ins Chaos stürzen (hinzuzufügen wäre: … und die KP ihr bislang einzigartiges Machmonopol verlieren lassen).

Doch: Wann ist ein Staat reif „für“ die Demokratie?

Die US-amerikanischen Referenten vertraten nahezu unisono die „US$-These“, nämlich, dass alle Länder, in denen das BIP/Kopf über 10.000 USD liegt, demokratisch regiert würden (Ausnahmen: Singapur und die Erdölländer am Persischen Golf).

Die Reformautokraten sehen China an einem Scheideweg: Diktatur („des Volkes“), Demokratie und/oder Chaos - und vertraten auf beiden Tagungen die zögernd vorgebrachte Auffassung, dass im Sog der wirtschaftlichen Liberalisierungen politische Reformen zwar zuzulassen, diese aber stets von der KP dirigistisch gelenkt und am Kollektiv orientiert zu sein hätten.

Medien, Weltkommunikation (Internet, Netizens, neue technische Verbreitungskanäle) hängen mit den Demokratisierungen der chinesischen Gesellschaft („information at fingertips“) direkt und indirekt (Wissensgesellschaft) zusammen – so die Darstellungen der ausländischen Medienexperten während der Tagung an der Shanghai-Universität.

Globalisierung (Wirtschaft), politische Supranationalisierung („organisation-building“) und Technik (Erreichbarkeit auch geographisch „fernster Winkel“) schaffen eine gesellschaftlich prägende Weltwahrnehmung, die nicht nur immer im Rahmen der kommunikativen Zugänglichkeit (places) sondern auch der Aktualität (presence) stattfindet und sich tagtäglich wie wachsende Strassen- und Verkehrsnetze entwickelt.

Politische Probleme und Entscheidungen (Finanzkurse!) werden heute durch Temporalisierung geprägt, d.h: ihre Entstehung (Beispiel Bankenchaos, Finanzchaos, Börsenrallies etc.) und mögliche Lösungsstrategien (Rettungspaket, Gesetze, neue Informationspolitik etc.) hängen eng mit Dringlichkeit, Eile, Beschleunigung, Befristung („bevor die Märkte öffnen) und Gleichzeitigkeit zusammen (alles passiert hier und jetzt, aber auch anderswo).

Gestaltungseliten müssten sich deshalb auf einen „Kollaborationskurs“ einigen, auf dem Politik, Wissenschaft und Kultur gemeinsam die Chancen politischer Kommunikation in der „Netzöffentlichkeit“ nutzen, aber auch den Gefahren von Populismus und Beliebigkeit trotzen können.

Massenmedien soll(t)en eine Art demokratisches Grundvertrauen in die Gesellschaft und die sie lenkende(n) Obrigkeit(en) erzeugen, wobei sich im Idealfall aus der technisch sichergestellten ursprünglichen Passivität der Zuschauer, Hörer und Leser und des anfangs unbetroffenen Miterlebens von Ereignissen mit der Zeit ein partizipatives Interesse entwickelt, aus dem wiederum politischer Mitgestaltungswille entsteht – oder erwachsen kann (vorausgesetzt, die machtpolitischen Rahmenbedingungen „stimmen“).

Da das Internet (world wide web) quasi per definitionem die sozialen Anschlussmöglichkeiten geradezu zwingend optimiert, entsteht ein Doppeleffekt: Zum einen werden in China immer mehr Menschen eine Netzadresse besitzen und theoretisch politisch mitbestimmender sein als je zuvor, zum anderen können durch gezielte Desinformationen und Panikstimulierungen neue Unübersichtlichkeiten, emotionale Beeinflussungen („stampede reactions“) und Diskrepanzen (Fakt, Interpretationen) entstehen, die ihrerseits Politik „machen“ („facts uncertain“, „values in dispute“, „stakes high“, „decisions urgent“).

Die (neuen) Medien mögen zu Integrität und Integration einer Gesellschaft beitragen, doch Konformismus und Protestaktionismus liegen eng beieinander. Es gibt keine funktionale Äquivalenz von Demokratie und Medienkompetenz (Bildung, Nutzerverhalten, Reflexionsfähigkeit) per se; die Demarkationslinien zwischen Medienfreiheit und damit einhergehender Informationssuche sind nicht starr und gefährden ein mechanisches Wunschdenken (mehr Presse bedeutet mehr Demokratie).

Der signifikante Zusammenhang zwischen den Begriffen „com-munication“, „com-munity“, „com-mitment“ und „con-sumption“ verdeutlicht gerade im Englischen den Gefühlswert überschaubarer Lebensverhältnisse (Nestwärme), der auch in chinesischen Transformationsgesellschaften Solidaritätsnetzwerke braucht, um die Alltagsorientierung zu erleichtern.

Im Zeitalter des Internets – dessen Möglichkeiten nach Ansicht vieler Medienwissenschaftler erst am Anfang ihrer Nutzungsvariablen liegen – werden territoriale Grenzen nahezu vollkommen aufgehoben; die Politik hinkt heute diesen Entwicklungen (Geldfinanzmarkt, Energie/Umweltfelder, Terrorismus, Humanitärinterventionen) hinterher.

Informationen, vor allem auch politische und politisierende, bieten ein nicht mehr räumlich begrenztes Geflecht von Daten und Nachrichten und werden zunehmend in die öffentliche Argumentation eingespeist.

Die fortschreitende Vernetzung der Weltwirtschaft („overnewsed, but underinformed“) zwingt Regierungen zur Sorge um stabile politische Rahmenbedingungen (die anderenfalls zu losgelösten ökonomischen Trabantenentwicklungen wie Währungs- und Börsenkrisen führen können).

Ob den chinesischen Marktveränderungen auch echte Medien- und Demokratiereformen folgen werden – darüber konnten sich die Teilnehmer auf beiden Konferenzen nicht einig werden.

Allerdings war dies auch nicht das Ziel der Tagungen.

Wichtig erschien zunächst die (auch für die KAS als Ko-Organisator nicht unerhebliche) Tatsache, dass die Themenstellungen beider Seminare (Demokratie, Medienfreiheit) ohne Beanstandungen seitens der Shanghaier Stadtregierung genehmigt wurden; eine durchaus nicht gewöhnliche Reaktion auf internationale Veranstaltungen mit derart sensiblen Inhalten!

Die Publikationen der Jiaotong Konferenz gab es bereits vor Beginn der Tagung in gebundener Form zweisprachig (keine Zensur, kein nachträgliches Redigieren!): auch das ein Novum in publizierten Begleittexten ausländischer politischer Veranstaltungen!

Kritische Beiträge bildeten die Mehrzahl der Vorträge – wobei die meisten von westlichen Referenten angeboten wurden; dies war keine Überraschung – und schmälert nicht den Erfolg der exzellenten Seminare: denn erstens ist aus nachvollziehbaren Gründen die Rede- und Darstellungslust einheimischer Professoren bei „systemkritischen“ Texten begrenzt (anders als Ausländer reisen sie ja nicht wieder ab) und zweitens liegt gerade im Forum unterschiedlich gewichteter, konträr vorgebrachter Analysen, Meinungen und Darstellungen ein nicht hoch genug zu veranschlagender diskursiver Gewinn der beiden Tagungen in Shanghai.

Der Philosoph S. Kierkegaard prägte einst die treffende Formel: „Die Freiheit ist immerfort kommunizierend“.

Freiheit ist der Inbegriff von Kommunikationschancen und -zugang, von Sprache und Mitteilung.

Demokratie und Meinungsfreiheit bedingen einander und ermöglichen u.a. die partizipative Identitätsbildung moderner freiheitlicher Gesellschaften.

Auch die chinesische Politik lebt von dieser optionalen Differenzierbarkeit ihrer in stetem Transformationsprozess befindlichen Gesellschaftsgestaltung.

Wachsende Internationalität, Globalisierung und technische Medienevolution begünstigen Demokratisierungstendenzen und Kommunikationsfreiheit in der VR. Obwohl von einer Konstituierung einer liberalen Wissensgesellschaft hier (noch) nicht die Rede sein kann, befindet sich das Land auf dem Wege in eine „Gesellschaft der Meinungsfreude“, wie es einer der amerikanischen Teilnehmer am Ende der Tagung ausdrückte.

Die zwei Konferenzen in Shanghai waren Meilensteine auf diesem Weg und gleichzeitig intellektuelles Handwerkzeug, um zwei sensible Positionen zusammenzudenken: die zunehmende Attraktivität des Demokratischen und die Ausweitung des Medialen.

gez. Thomas Awe

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Shanghai

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