Asset-Herausgeber

Das "C" jenseits der Floskeln

von Paul Ziemiak

Nachdenken über siebzig Jahre Junge Union

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Im Januar 1947 kamen 59 junge Frauen und Männer aus allen Besatzungszonen in Königstein im Taunus zusammen. Sie setzten mit der Gründung der Jungen Union als Zusammenschluss der jungen Gruppen in CDU und CSU ein Zeichen dafür, dass die junge Generation das von Krieg und Nationalsozialismus ökonomisch und moralisch zerstörte Land wieder aufbauen und gestalten wollte. Die Sicherung der Existenzbedürfnisse, ein menschenwürdiges Wohnen, die Versorgung der Kriegsversehrten und Hinterbliebenen, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiterschaft in den Betrieben, der Ausbau des Schulwesens, ein Siedlungsprogramm zur Behebung der Wohnungsnot, eine Bodenreform, Lehrstellen für die Jugend sowie Aufstiegsmöglichkeiten für alle waren die ersten Forderungen, die der frisch geborene Verband aufstellte. In einem zweiten Forderungskatalog arbeitete die Parteijugend von CDU und CSU Grundsätze, wie die Rechtssicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz, heraus und betonte die Grundrechte „Freiheit“ und „Unverletzlichkeit der Person“. Schon zur Gründung des Verbandes wurde deutlich, dass für die jungen Politiker der Union die Ausarbeitung politischer Ziele und Programme nicht ohne Wertefundament erfolgen könne. Einer sich rein an Pragmatismus und objektiver Notwendigkeit orientierenden Programmatik wurde von Beginn an eine Absage erteilt.

Formulierung christlich-demokratischer Prinzipien

Das unmissverständliche Bekenntnis zu Grundrechten, die Orientierung am christlichen Menschenbild und im Wesentlichen auch an der Katholischen Soziallehre wiesen einen konstituierenden Charakter für die Junge Union auf, der aufgrund der politisch vorherrschenden Tatsachen allerdings brandgefährlich war. Denn mit der Formulierung dieser christlich-demokratischen Prinzipien begaben sich die Delegierten und Mitarbeiter der Jungen Union in der Sowjetischen Besatzungszone in höchste Gefahr. Bereits im Herbst 1947 wurden mehrere Mitglieder der Jungen Union verhaftet und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Zudem gab es groß angelegte Razzien bei Versammlungen der Jungen Union, FDJ-Trupps störten immer wieder Gesprächsrunden und Treffen. Auch wurden Mitglieder der Jungen Union in Betrieben diskriminiert und ihnen an Schulen mit Schulverweisen gedroht. Die Schikanen fanden ihren unrühmlichen Höhepunkt durch die Verhängung von Todesurteilen und durch Deportationen in sowjetische Arbeitslager. In den Jahren 1948 und 1949 bezahlten drei junge Christdemokraten ihren Einsatz für Freiheit und Demokratie und gegen Willkürherrschaft und Unterdrückung mit dem Tod.

Halt gebender Kompass

Ihren Überzeugungen und ihrem Rückgrat, ihrem Fleiß, ihrer Disziplin und dem unerschütterlichen Glauben daran, dass sich Leistung lohnt, verdanken wir nicht nur eine starke christliche Demokratie. Auch die Tatsache, dass Deutschland heute weltweit als Vorbild für Frieden, Freiheit und Wohlstand gilt, ist maßgeblich auf die ersten richtungsweisenden Entscheidungen zurückzuführen. Diese Grundlagen und das Wissen darüber gilt es zu bewahren, denn sie prägen die christliche Demokratie, zusammen mit dem Denken in großen Linien und dem Fundament unseres christlichen Glaubens. Gerade in Zeiten zunehmender Unsicherheit und sich oftmals überschlagender politischer Entwicklungen ist dieser Wertekompass daher Halt gebend und Orientierung stiftend.

Gewaltige Veränderungen – von der Gründung der Bundesrepublik über den Kalten Krieg und den Mauerfall bis zur Einheit Europas: Immer wieder verschoben sich die Machtverhältnisse, Staaten stiegen auf, Bündnisse zerfielen. Auch politische Karrieren schossen kometenhaft empor oder verschwanden wieder in der Versenkung. Stets standen die jungen Politiker der Jungen Union, von der kommunalen bis hin zur europapolitischen Ebene, den unzähligen Weichenstellungen gegenüber; Wegmarken, an denen die Richtung des weiteren Voranschreitens grundsätzlich auszurichten war. Die Geschichte schreibt sich fort, die Herausforderungen bleiben für junge Politiker groß, erfordern doch Wirtschafts- und Währungskrisen, die Frage nach der Zukunft der Europäischen Union, der Umgang mit Migration, Rechtspopulismus und Extremismus immer wieder neue Antworten und politische Lösungen.

Der Vorwurf der Beliebigkeit

Das Jubiläum von siebzig Jahren Junger Union dient auch dazu, innezuhalten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich die Wurzeln und Grundlagen des Engagements ins Bewusstsein zu rufen. Dies ist vor dem Hintergrund des Vorwurfs der Beliebigkeit und Austauschbarkeit politischer Strömungen umso wichtiger, zumal es nach wie vor signifikante Unterschiede zu den anderen politischen Jugendverbänden gibt.

Die Junge Union ist politisch und dabei keiner Ideologie unterworfen, denn das, was wir tun, basiert auf einem Wertefundament aus Subsidiarität, Solidarität und Personalität. Der Mensch, so wie der Schöpfer ihn in seiner Verschiedenheit geschaffen hat, steht im Mittelpunkt unserer Politik. Gleichmacherei, Bevormundung und staatliche Allmacht sind uns zuwider – Freiheit und Verantwortung des Einzelnen sowie die soziale Verpflichtung gegenüber den Schwächeren und denen, die der Hilfe bedürfen, sind unsere Wurzeln. Basierend auf diesem Wertefundament sind unsere Leitlinien:

- Wir sind überzeugte Europäer, denn nur der enge Schulterschluss mit den europäischen Nachbarn sichert den Frieden und schafft die Grundlage, um im globalen Wettbewerb um ökonomische und politische Macht, aber auch um Wertvorstellungen zu bestehen.

- Wir sind Freunde Israels, denn aus dem unbegreiflich Unmenschlichen ziehen wir die Konsequenz: Nie wieder! So sind wir besonders dankbar, dass sich in den Kommunen wieder jüdisches Gemeindeleben etabliert, das Deutschland religiös wie kulturell bereichert. Dieses zu fördern und Antisemitismus eine unmissverständliche Absage zu erteilen, ist ein Kern unseres Selbstverständnisses.

- Wir sind und bleiben – trotz der Wirren einer Trump’schen Politik – Transatlantiker, denn ohne die Vereinigten Staaten hätte der Kommunismus Deutschland überrollt.

- Und wir sind die Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft, denn sie ist weit mehr als ein Wirtschaftsmodell. Sie ist eine Gesellschaftsordnung, in der die einzelnen Stränge unseres Wertefundaments zusammenlaufen.

Anhand der Sozialen Marktwirtschaft lässt sich in Abgrenzung zu allen anderen politischen Jugendorganisationen unsere Identität herausstellen:

- Wir sind liberal, weil wir auf Angebot und Nachfrage und freie Preisbildung setzen und gelenkter Planwirtschaft und staatlichem Kontroll- und Steuerungswahn eine Abfuhr erteilen.

- Wir sind sozial, weil wir staatlichen Eingriff erwarten, wenn Märkte versagen, politische oder ökonomische Machtmonopole entstehen und Schwache der Hilfe bedürfen.

- Wir sind konservativ und fortschrittlich, weil wir Bewährtes nur durch Neues ersetzen, wenn wir es als besser erkannt haben.

Weil das eine ohne die beiden anderen Orientierungen zu kurz griffe, nennen wir uns nicht Konservative, Liberale oder Soziale, sondern Christdemokraten! So verstehen wir uns noch heute als Impulsgeber und Querdenker mit Wertefundament. Mit mehr als 110.000 Mitgliedern in achtzehn historisch gewachsenen Landesverbänden und in mehr als 341 Kreisverbänden bleiben wir der größte politische Jugendverband in Deutschland und Europa.

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Paul Ziemiak, geboren 1985 in Stettin (Polen), Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands.

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