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Der Stiftung auf das Engste verbunden

von Hans-Gert Pöttering

Zum Tode von Roman Herzog

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Am 10. Januar 2017 verstarb Bundespräsident a. D. Professor Dr. Roman Herzog. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die unser Land maßgeblich geprägt und gestaltet hat. Tief verwurzelt im christlichen Glauben, hat Roman Herzog jahrzehntelang Verantwortung in Staat und Gesellschaft übernommen, in vielen gesellschaftlichen und politischen Ämtern unserem Vaterland gedient und sich dabei bleibende Verdienste erworben. Roman Herzog: Staatsrechtler, Politiker, Präsident des Bundesverfassungsgerichtes – und unser Staatsoberhaupt. Eine unabhängige Persönlichkeit mit großer Erfahrung, mit Selbstironie und tiefgründigem Humor.

Geboren 1934 in Landshut und in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, macht er 1953 als Jahrgangsbester sein Abitur und studiert in München Rechtswissenschaft. Als Assistent von Theodor Maunz promoviert er und habilitiert sich. Er heiratet 1958 seine erste Frau Christiane und sie bekommen die beiden Söhne Markus und Hans-Georg. Nach dem Tod von Christiane Herzog im Jahre 2000 heiratet Roman Herzog die verwitwete Alexandra von Berlichingen. Schon 1965 folgt er dem Ruf an die Freie Universität Berlin und wechselt 1969 an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften nach Speyer. In diesem Jahr lernt er den jungen Politiker Helmut Kohl kennen und tritt 1970 in die CDU ein. Sein politischer Weg führt ihn unter den Ministerpräsidenten Kohl und Bernhard Vogel als Staatssekretär und Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund nach Bonn.

Der gläubige Christ Herzog ist von 1971 bis 1980 Vorsitzender der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und seit 1972 ordentliches Mitglied der Synode der EKD. Von 1978 bis 1983 ist er Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU. 1978 wird er Minister für Kultus und Sport in Baden-Württemberg. Der Minister Herzog schreibt anonym an einem Stuttgarter Gymnasium 1980 mit Bravour die lateinische Abiturarbeit aus Seneca mit, um die Bedeutung des Faches zu unterstreichen. Für ihn war immer wichtig: „Bildung muß weit angelegt sein. Sie muss sich auf den Menschen in seinen jeweiligen Verstehenshorizonten in seiner jeweiligen Zeit konzentrieren. Und sie muß vor allen Dingen auf die Titelseite“, so Annette Schavan. Diesem Anspruch fühlte er sich über sein Wirken als Kultusminister in Baden-Württemberg hinaus stets verpflichtet.

1980 wird er Innenminister von Baden-Württemberg und erwirbt rasch Profil mit dem ihm eigenen Streben nach „klaren Linien“ in der Sicherheits- und Rechtsstaatspolitik. Er setzt sich für die Ausrüstung der baden-württembergischen Polizei mit Gummiwuchtgeschossen und CS-Reizgas ein, das er zuvor mit zwei Beamten im Selbstversuch getestet hat.

1983 wird Herzog Vizepräsident und Vorsitzender des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes, dessen Präsidentschaft er 1987 übernimmt. In den Diskussionen um den Einigungsvertrag und die Änderungen des Grundgesetzes schließt er eine Totalrevision des Grundgesetzes aus, hält aber eine Generalüberholung für diskutabel. Auch die Diskussionen über das Asyl- und Einwanderungsgesetz und die folgenden Änderungen dieses Gesetzes sowie die Rentenregelung für „Trümmerfrauen“ fallen in seine Amtszeit.

Am 23. Mai 1994 wählt die erste gesamtdeutsche Bundesversammlung Roman Herzog zum siebten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Im August 1994 reist er zum Staatsbesuch nach Polen anlässlich des 50. Jahrestages des Warschauer Aufstandes. Im Bewusstsein, „der Vergebung bedürftig zu sein, aber auch zur Vergebung bereit“, ruft er in seiner Rede zur Verständigung und Versöhnung der beiden Völker auf.

In seinen Reden mahnt Herzog, die Missstände in Staat und Gesellschaft deutlich zu benennen und die Lehren aus der Geschichte zu ziehen. So wird der 27. Januar auf seine Initiative hin alljährlich als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (Holocaust-Gedenktag) begangen.

Er selber hat als Kind miterlebt, wie Häftlinge eines KZ-Außenlagers durch seine Heimatstadt getrieben wurden: „Das sind Dinge, die einen bis ans Lebensende beherrschen und die einen absolut sicher machen gegen den Mißbrauch von Staatsgewalt, im übrigen auch gegen den Mißbrauch von Freiheit.“

Herzog bemüht sich sehr, zur Integration der Bürger der alten und der neuen Länder beizutragen. Auf zahlreichen Reisen machte er sich ein genaueres Bild der Situation in den neuen Ländern.

Die Nutzung moderner Medien mit dem Ziel, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und die politische Tagesordnung zu bestimmen, ist ein deutliches Zeichen der Präsidentschaft Herzogs. Am 26. April 1997 hält er im Hotel Adlon die berühmte „Berliner-Rede“. Mit dieser Ansprache fordert er die Deutschen auf anzupacken: „Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.“

Roman Herzog war ein deutscher Patriot und zugleich ein überzeugter Europäer. Er war kein Nationalist, der nur auf Deutschland schaut, sondern er hat immer den Blick geöffnet für die europäischen Zusammenhänge, für die Einheit unseres Kontinents, und das ist das, was bleibt und was der Auftrag für die Zukunft ist, was wir verwirklichen müssen: die Einheit unseres Kontinents, in dem auch die Mitgliedstaaten, die einzelnen Nationen ihre Bedeutung behalten. Er hat den europäischen Einigungsprozess nachhaltig beeinflusst. Wie oft hörten wir ihn sagen: „Solidarität braucht Subsidiarität. Subsidiarität stärkt die Solidarität in Europa.“ Als Vorsitzender des Europäischen Grundrechte-Konvents hatte er maßgeblich Anteil an der europäischen Einigung. Roman Herzog glaubte an Europas Zukunft in „Einheit in Vielfalt“.

Für sein unermüdliches Eintreten für die Verständigung und Friedenswahrung in Europa wird ihm am 8. Mai 1997 der Internationale Karlspreis zu Aachen verliehen. In seiner Laudatio beschreibt der spanische König Juan Carlos ihn wie folgt: „Ich fühle mich persönlich von seiner eigentümlichen Art angezogen, seiner Begeisterung für große Ideen, letztendlich seinen Idealismus mit einem unbestrittenen und notorischen Pragmatismus in Einklang zu bringen. Von wohlwollendem und entspanntem Gemüt, selbstsicher, voller Geistesgegenwart gegenüber den Schwierigkeiten sowie menschlicher Wärme angesichts der Probleme Dritter, bietet Roman Herzog uns allen ein lebendiges und nachahmenswertes Beispiel für das erreichbare Maß an Reife bei der Verrichtung öffentlicher Aufgaben.“

Wer Roman Herzog begegnen und reden hören durfte, erlebte einen Menschen, der in die Tiefe der Zeit und die Weite des Raumes dachte und seinen Gedanken ausgesprochen bildhaft und unverschnörkelt Ausdruck verlieh. Diese Eigenschaft machte ihn in der Bevölkerung beliebt und geachtet.

Als langjähriges Mitglied des Vorstandes und Vorsitzender des Kuratoriums war Roman Herzog der Konrad-Adenauer-Stiftung auf das Engste verbunden. Er hat uns viele Impulse und Anregungen für unsere Arbeit gegeben und neue Wege aufgezeigt. Sein Engagement und sein Rat werden uns fehlen!

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Hans-Gert Pöttering

Präsident des Europäischen Parlaments a. D.,

Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung

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