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König Fußball im Parlament

von Johannes Steiniger

Die Strahlkraft des Fußballs und weshalb sie auf dem Spiel steht

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Der deutsche Nationalsport Fußball macht vor dem Parlament keinen Halt. Sogar eine eigene Fußballmannschaft, den FC Bundestag, gibt es im Hohen Haus, unter deren Wappen sich Abgeordnete ganz unterschiedlicher Couleur in den Sitzungswochen zum Kicken treffen. Hier wird über das ein oder andere Foul im politischen Alltagsbetrieb hinweggesehen, und die Abgeordneten sonst konkurrierender Parteien bilden ein interfraktionelles Team. Dass es eben auch gemeinsam geht, zeigt wie so oft der Fußball. Doch auch hier macht sich die Zäsur nach der Bundestagswahl 2017 im Umgang innerhalb des Parlaments bemerkbar. So wurden einige Abgeordnete der AfD von der Aufnahme in den FC Bundestag ausgeschlossen. Die Teilnahme am Parlamentsverein setzt voraus, dass Werte wie Toleranz und Respekt geachtet werden.

Fußball im Bundestag geschieht sicher aus Spaß am regelmäßigen Fußballtreff, aber auch, um sich für einen guten Zweck starkzumachen und sich mit Teams anderer Institutionen, Verbände und Unternehmen im sportlichen Wettbewerb zu messen. Diese karitativen „Freundschaftsspiele“ dienen dem Austausch – man kommt ins Gespräch und tut darüber hinaus noch etwas Gutes. Wie überall im Land sind auch viele Abgeordnete mit ihren Heimatvereinen verbunden. Das führt dazu, dass im Bundestag zuweilen „Rote“ für die „Schwarz-Gelben“ und „Schwarze“ für die „Roten“ sind. Kurzum: Viele der traditionsreichen Klubs haben spiegelbildlich im Parlament ihren ganz eigenen Fanklub. Insofern gibt es Fußballbegeisterung mit all ihren Facetten also auch im Deutschen Bundestag.

Was aber macht das Verhältnis zum Fußball im Parlament aus? Der Bundestag befasst sich auf zahlreichen Politikfeldern unmittelbar mit dem Thema Fußball. Das betrifft die klassische Arbeit im Sportausschuss, erstreckt sich jedoch auch von der Innen- bis zur Außenpolitik, von der Finanz- bis zur Gesundheitspolitik. So sind beispielsweise die Polizeieinsätze und der sichere Stadionbesuch innenpolitische Dauerthemen. Die steuerliche Veranlagung ehrenamtlicher Vereinstrainer oder die Rolle des Sports für die gesundheitliche Prävention sind weitere Beispiele.

Megastars mit Vorbildcharakter

Bei dem ganz großen Kino, das rund um den Fußball geboten wird, verwundert es nicht, dass schon die ganz Kleinen fleißig trainieren. Fußball ist bei ihnen mit Abstand am beliebtesten und verfügt über die professionellsten Nachwuchsstrukturen. Auch im Seniorenbereich betreiben viele „ihren Sport“ mit großer Leidenschaft. Die breitensportliche Dimension des Fußballs in seinen knapp 25.000 Vereinen in Deutschland ist enorm. Er leistet einen essenziellen Beitrag für mehr Bewegung und Prävention, stärkt das Miteinander und fördert das Engagement im Ehrenamt. Dabei steht der Fußball für etwas Gutes: Er verbindet und überwindet Sprachen, Herkunft und Grenzen. Er steht für Fairness. Damit ist Fußball einer der entscheidenden Integrationsmotoren in unserem Land. Unsere Gesellschaft wurde in den vergangenen Jahren durch die vielen Flüchtlinge und Asylsuchenden vor große Aufgaben gestellt. Der Fußball und die Vereine haben hierbei sehr schnell ihre enorme Fähigkeit zur Integration bewiesen.

Aus diesem Grund hat der Bund zielgenau Mittel eingesetzt, um mehr Teilhabe durch Sport zu ermöglichen. Etwa mit der Initiative „1:0 für ein Willkommen“, die zum Jahreswechsel in die Verlängerung gegangen ist und jetzt erfolgreich unter „2:0 für ein Willkommen“ weitergeführt wird. Vereine erhalten durch dieses Gemeinschaftsprojekt der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Nationalmannschaft eine treffsichere Förderung.

Jérôme Boateng, Sami Khedira und Mesut Özil stehen geradezu symbolisch für die Strahlkraft des Fußballs. Die Megastars sind längst mehr als nur Sportidole. Sie sind Vorbilder, Botschafter für Fairness und der Beweis, dass man es durch Leistung zu etwas bringen kann. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist sich dieser Wirkung seiner Stars bewusst und setzt auf bewährte Kampagnen gegen Rassismus und Diskriminierung. Ein starkes politisches Statement. Der Auftrag der Politik liegt darin, das enorme Potenzial im Sport als Chance zu begreifen und dann auch auszuschöpfen.

Andererseits ist der Fußball nicht frei von Fehlern – im Gegenteil: Er ist zunehmend anfällig für kriminelle Machenschaften. Eine große Gefahr für einen „sauberen“ Sport geht von der Manipulation von Spielen meist im Zusammenhang mit illegalen Wetten aus. Das bedeutet: Nicht selten werden in von organisierter Kriminalität geprägten Strukturen etwa Spieler oder Schiedsrichter gezielt angesprochen mit der Absicht, ein Spiel zu manipulieren. Die Möglichkeiten von Sportwettbetrug sind vielfältig. Es kann um die Intention gehen, ein Spiel vorsätzlich nicht zu gewinnen, bis hin zur Manipulation eines Spielereignisses bei gleichzeitig laufenden Wetten in Echtzeit.

Die besondere Dramatik eines Fußballspiels mit seiner Spannung und seinen nicht vorhersehbaren Wendungen geraten damit in jedem Fall zu einer Farce; das schadet dem Sport und seiner Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erheblich. Damit bei der Spielmanipulation Betrügern mit immer neuen Methoden nicht Tür und Tor geöffnet werden, sind eine konsequente Gesetzgebung und eine zielgerichtete Strafverfolgung notwendig. Mit dem „Gesetz zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben“ hat der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode eine entsprechende strafrechtliche Handhabe, etwa gegen das sogenannte Match-Fixing, geschaffen. Im Januar 2018 wurden erneut Anklagen auf der Basis des neuen Straftatbestands erhoben. Das zeigt: Das Gesetz funktioniert in seiner Anwendung.

Glaubwürdigkeit in der Krise

Fußball beschäftigt ebenso die europäische wie die internationale Politik. Denn die Glaubwürdigkeit des Sports ist in eine Krise geraten: Die öffentliche Kritik am Weltfußballverband (FIFA) und an belasteten Funktionären ist enorm. Die Vergabepraxis der Mega-Events samt den zuweilen tiefen Verflechtungen mit den politischen und wirtschaftlichen Strukturen des Gastgeberlandes hinterlässt mehr als einen schalen Nachgeschmack. Wo Straftatbestände vorliegen, muss entschieden gehandelt werden.

Der Vorstoß der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von Ende Januar 2018 ist daher richtig. In einer Resolution wird eine internationale Beobachtungsstelle gefordert, die die Führungsgremien des Fußballs fortlaufend in ihrer Entscheidungspraxis prüfen soll, um etwa Korruptionstendenzen schnell zu begegnen. Die externe Kontrolle des europäischen Fußballverbandes (UEFA) und der FIFA durch eine unabhängige Aufsicht ist ein notwendiger Schritt zu größerer Transparenz und ein wichtiges Signal für mehr Glaubwürdigkeit.

Finanzberichte und Rechenschaftsverpflichtungen bieten zwar einen rechtlichen Rahmen, darüber hinaus müssen die Verbände aber tatsächlich mit den Themen Good Governance und Transparenz ernst machen. Neben der Politik sind somit auch die internationalen Verbände gefordert. Das gilt nicht zuletzt für die zunehmende Kommerzialisierung. Sie lässt Sportwelt und Fans zuweilen ratlos zurück: Clubs, die mehr an multinationale Unternehmen erinnern denn an Traditionsvereine, sowie Transfers in unbeschreiblichen finanziellen Dimensionen prägen das Bild. Beides hat den Sport verändert. Allein durch die Lizenzierung der Medienrechte erwirtschaften die Top-Clubs in Deutschland deutlich mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Obwohl der Fußball derzeit in der Publikumsgunst über jeden Zweifel erhaben zu sein scheint, darf die Schraube nicht überdreht werden.

Die Sportnation ist mehr als Fußball

Wenn mediale Präsenz und Wertschöpfung im Sport heute gleichbedeutend sind mit Fußball, dann ist umgekehrt klar, was das für die anderen Sportarten bedeutet. Trotz der hohen Dynamik bei jungen Trendsportarten und der aufholenden Professionalisierung in den Profiligen der anderen Mannschaftssportarten kommt kein anderer Sport in der öffentlichen Wahrnehmung und wirtschaftlichen Wertschöpfung auch nur annähernd an den Fußball heran.

Mit dem Anspruch, eine Sportnation zu vertreten, die nicht auf eine solche Monokultur im Sport reduziert sein will, muss die Politik immer wieder gegensteuern. Daher wollen wir als Sportpolitiker meiner Fraktion den Etat des Bundesinnenministeriums deutlich erhöht sehen, um die Nicht-Fußball-Sportarten und deren Verbände zu stärken. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld. Zwar darf der Fußball andere Sportarten nicht bedeutungslos machen, dennoch soll er seine immense Strahlkraft entfalten können. So gibt die Marke „Die Mannschaft“ unserem Land ein sympathisches und weltoffenes Image. Auch für den Breitensport ist diese Vorbildwirkung enorm. Diese hohe Integrität des Fußballs ist jedoch gefährdet. Es ist daher ein Auftrag an alle diejenigen, die Verantwortung im Sport tragen, den Fußball als wertevermittelnde Sportart lebendig zu halten. Im Vorfeld dieses WM-Sommers 2018 werfen Fragen zu Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung abermals ihre Schatten voraus – Zuschreibungen, für die die Werte des Fußballs ausdrücklich nicht stehen. Es muss jetzt das erklärte Ziel sein, dass die internationalen Fußball-Großevents wieder ihren verbindenden Charakter erhalten, der sie einst groß gemacht hat. Es braucht einen Neustart, damit der Fußball keinen irreversiblen Schaden nimmt.

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Johannes Steiniger, geboren 1987 in Bad Dürkheim, seit 2013 Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied im Sportausschuss sowie im Finanzausschuss. Der Gymnasiallehrer war über viele Jahre Jugendtrainer im Fußball.

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