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Menschlichkeit und Konsequenz

von Armin Schuster

Aus dem CDU-Werkstattgespräch Migration, Sicherheit und Integration

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Eines stand schon vor dem Werkstattgespräch im Februar im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin fest: Die Christlich Demokratische Union (CDU) bewegt sich mit diesem Format auf einem Terrain, das es in der deutschen Parteienlandschaft in dieser Art noch nicht gegeben hat. Die CDU als innovative Partei, als Partei, die den uneingeschränkten Austausch mit Experten und Praktikern sucht. Das Werkstattgespräch ist neuer Bestandteil des Werkzeugkastens in der Binnenkommunikation der Union und könnte als Beispiel für den Dialog zwischen Politikern und Fachleuten anderer Politikbereiche wie Gesundheit und Pflege, Verkehr und digitale Infrastruktur oder Finanzpolitik dienen.

Viele Fragen traten auf, als feststand, dass die neue CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer das Gespräch mit Experten im Bereich Sicherheit und Migration suchen möchte. Was bringt das Format „Werkstattgespräch“? Wie soll es ausgestaltet sein? Von Beginn an war klar: Es sollte keine Abrechnung mit der Entscheidung der Bundeskanzlerin und damaligen CDU-Bundesvorsitzenden, Angela Merkel, im Herbst 2015 werden, einer großen Zahl von Kriegsflüchtlingen aus Syrien und dem Irak in Deutschland Schutz zu gewähren. Der Blick sollte in die Zukunft gerichtet sein.

Dennoch haben die Teilnehmer der Werkstattgespräche zurückgeschaut – aber nur kurz. Es ging zwar auch darum, einen Befund der Abläufe der vergangenen Jahre zu erstellen; in erster Linie sollten jedoch Verbesserungsvorschläge im Bereich der Migration, Sicherheit und Integration erarbeitet werden.

Was bleibt vom europäischen Solidaritätsgedanken?

In vier Gruppen führten rund einhundert Experten aus der Praxis, unter anderem Staatsanwälte, Verwaltungsrichter und Polizeibeamte, Wissenschaftler sowie Fachpolitiker der CDU aus Kommunen, Ländern und Bund ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Analysen aus der Migrations- und Sicherheitspolitik zusammen. Aus den intensiven Diskussionen, in denen die Gesprächsanteile seitens der Experten deutlich größer waren, wurden signifikant mehr Empfehlungen erarbeitet, als im Ergebnis präsentiert wurden. Wir haben verbindende Lösungen finden müssen, die dem Motto „Menschlichkeit und Konsequenz“ entsprechen. Damit ist gemeint, die Würde jedes Menschen zu achten, gleichzeitig aber auf allen Ebenen konsequent zu handeln.

Der europäische Solidaritätsgedanke hat sich in den vergangenen Jahren in der Asyl- und Migrationspolitik zurückentwickelt. Nicht nur in den Werkstattgesprächen hat sich gezeigt, dass eine gesamteuropäische Lösung notwendig ist. Selbst wenn ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) zu scheitern droht, bleibt es dabei, dass die Union alle Anstrengungen aufbringen muss, um gemeinsame Standards für eine Asylanerkennung in Europa zu etablieren. Ziel ist es, in der Europäischen Union (EU) nur ein einmaliges Asylverfahren für einen Asylbewerber einzuführen. Es darf künftig keine Möglichkeiten für Antragstellungen in mehreren Ländern geben.

Die Experten waren sich auch darüber einig, dass die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex so zügig wie möglich zu einer operativen Grenzpolizei ausgebaut werden muss. Die anzustrebende Stärke von 10.000 Grenzpolizisten soll in zwei Schritten erreicht werden: Zunächst wird bis 2020 die Zahl der Frontex-Kräfte auf 5.000 Polizisten aufgestockt. Im nächsten Schritt soll bis 2022 die 10.000er-Marke erreicht werden. Parallel dazu muss ein elektronisches Ein- und Ausreiseregister eingerichtet werden, mit dem sich leichter nachvollziehen lässt, wer die EU betritt und woher die Person kommt. Bereits an den Grenzen des Schengenraums muss ebenfalls geprüft werden, ob ein Asylanspruch, ein Flüchtlingsstatus oder ein anderer Einreisegrund vorliegt; in Hotspots und Transitzentren müssen die Zurückweisung nicht einreiseberechtigter Personen und die Rückführung der Personen ohne Asylgrund und ohne Flüchtlingsstatus erfolgen. Wir wollen ein einheitliches Datensystem für die Behörden, national und auch international.

Ordnung und Steuerung im Inland

Die Bundesrepublik Deutschland bleibt aus verschiedenen Gründen ein beliebtes Ziel für Menschen, die in Europa ein neues Leben beginnen möchten. Die betreffenden Experten beim Werkstattgespräch machten deutlich: Die Attraktivität Deutschlands für nicht schutzbedürftige Personen muss weiter verringert werden. Für Personen aus Marokko, Tunesien, Algerien und Georgien müssen beschleunigte Asylverfahren möglich sein.

Der Bundestag hat diese Staaten zum wiederholten Male als sicher eingestuft. Die Mehrheiten im Bundesrat sind diesbezüglich unglücklich; es ist kein Geheimnis, dass die Grünen sich der Einstufung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsstaaten verweigern. Dabei möchten wir, auch das ist ein Ergebnis des Werkstattgespräches, noch einen Schritt weiter gehen. Viele andere Staaten mit einer Schutzquote von unter fünf Prozent müssen zügig entsprechend eingestuft werden. Auch über diese Staaten hinaus wollen wir die Asylverfahren beschleunigen.

Eine weitere wichtige Forderung ist die Frage der Grenzsicherung. Eine intelligente Überwachung der deutschen Grenzen und Zurückweisungen mit der nötigen Flexibilität sind notwendig, um anlassbezogen auf die Entwicklung von Brennpunkten reagieren zu können. Neben dem Dreißig-Kilometer-Grenzbereich müssen anlassbezogene Kontrollen entlang der Reisewege möglich sein. Zu diesem Zweck wollen wir die Befugnisse der Bundespolizei für grenz- und aufenthaltsrechtliche Maßnahmen in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich ausweiten.

Reizthema Abschiebung

Das Reizthema „Rückführung abgelehnter Asylbewerber und straffälliger Ausländer“ bildete einen der prominenten Themenkomplexe. Daraus ergaben sich zahlreiche konkrete Vorschläge. Gewalttätiges Verhalten, Täuschungen über tatsächlich vorhandene Finanzmittel, Verletzung der Pflicht zur Wohnsitznahme und jegliche Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung im Asylverfahren müssen künftig mit spürbaren Sanktionen geahndet werden können.

Ausweisungen straffällig gewordener Asylbewerber müssen unter erleichterten Bedingungen möglich sein. Asylbewerber, die zu einer Strafe von neunzig Tagessätzen oder mehr verurteilt werden, die Gewalt gegen Polizisten oder Sexualstraftaten verübt haben, müssen sofort ausgewiesen werden. Diese Ausweisungen müssen für den gesamten Schengenraum gelten. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe sollte bereits gesetzlich zu einem Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Asylberechtigten, Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten, die eine schwere Straftat begehen, muss der Schutzstatus leichter entzogen werden können.

In den Werkstattgesprächen haben etliche Erfahrungsberichte, unter anderem von Polizeibeamten, die regelmäßig gescheiterte Rückführungen begleiten, die Forderung verstärkt, die Ausreisepflicht endlich besser durchzusetzen. Es reicht nicht, darauf zu hoffen, dass ausreisepflichtige Personen sich freiwillig rückführen lassen. Im Ergebnis bedeutet dies: Ausreisepflichtige Personen, die versuchen, sich durch Untertauchen ihrer Abschiebung zu entziehen, müssen in Abschiebehaft genommen werden können. Dazu müssen die bislang zu strengen Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebehaft gelockert werden. Gleichzeitig benötigen wir zusätzliche Abschiebehaftplätze.

Restriktive Visapolitik

Gerade für verurteilte Ausreisepflichtige will die Union den Ausreisegewahrsam ausweiten und gleichzeitig die Sicherungshaft für diese Personengruppe erleichtern. Dafür benötigen wir im nächsten Schritt praktikable Lösungen für die Identifizierung der Ausländer und eine unbürokratische Ausstellung von Passersatzpapieren.

Staaten, die sich nicht kooperativ zeigen, muss mit geeigneten Maßnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und restriktiver Visapolitik begegnet werden. Schließlich haben sich die Teilnehmer des Werkstattgespräches darauf verständigt, eine Kürzung von Leistungen für diejenigen Ausreisepflichtigen zu fordern, die selbstverschuldet an der Ausreise gehindert sind.

Beim Themenkomplex „Integration“ sind die Teilnehmer auf das zurückgekommen, was im Jahr 2017 mit dem Integrationsgesetz seinen Anfang nahm. Das Prinzip „Fördern und Fordern“ muss in der Integration konsequent umgesetzt werden. Sprache und Wertevermittlung müssen die Menschen von Anfang an mit differenzierten Angeboten erreichen. Deshalb wollen wir kommunale Integrationsvereinbarungen konsequent umsetzen und stärken. In diesem Zusammenhang sind insbesondere für Integrationsverweigerer wirksame Instrumente der Leistungskürzung notwendig. Darüber hinaus waren sich die Experten und Politiker im Werkstattgespräch einig, dass die Wertevermittlung, unabhängig von Integrationskursen, schon frühzeitig beginnen muss. Es wurde herausgearbeitet, dass neue Dialogstrukturen zwischen den Neuankömmlingen und dem deutschen Staat vonnöten sind.

Das Werkstattgespräch war ein gelungenes Instrument, um Maßnahmen und Handlungsaufforderungen für die Zukunft zu formulieren. Experten und Praktiker haben die Möglichkeit genutzt, um auf Probleme hinzuweisen und ihre Lösungsvorschläge einzubringen. Es ist klar, dass nicht alle Forderungen zur gleichen Zeit angegangen werden können, aber die Union hat sich damit einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt, aus dem sie jederzeit schöpfen kann.

Armin Schuster, geboren 1961 in Andernach, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im Ausschuss für Inneres und Heimat.

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