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Vom Iran- zum Syrien-Krieg?

von Josef Braml

Die Unsicherheitsarchitektur der USA am Golf

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„Russland, mach dich bereit!“, drohte Donald Trump und prahlte mit seinem Waffenarsenal vor den Luftangriffen gegen das mit Russland verbündete Syrien im April 2018. Nachdem der amerikanische Präsident auch noch über den Kurznachrichtendienst Twitter vermeldet hatte, dass die Beziehungen zu Russland schlechter seien als zu Zeiten des Kalten Krieges, waren die Medien alarmiert.


Eine Rückkehr des „Kalten Krieges“ wurde auch in Deutschland in diversen Talkshows bereitwillig diskutiert, zumal auch die russische Seite mitgespielt und Washington gewarnt hatte, dass sie zurückschlagen werde. Doch nach der anfänglichen Drohung Russlands, amerikanische Stellungen anzugreifen, die auf Syrien feuern, ruderte der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen (UN) Wassili Nebensja wieder zurück: Sollten bei Bombardierungen russische Truppen getroffen werden, so der Gesandte Moskaus einschränkend, würde Russland militärisch aktiv werden. Bei der Planung und Durchführung der Luftschläge gegen syrische Regierungstruppen konnte man im Weißen Haus daraus den logischen Schluss ziehen: Solange russische Soldaten nicht betroffen sind und amerikanische Streitkräfte keinen unmittelbaren Regimewechsel in der Region anstreben, können sie in Syrien tun, was sie wollen.


Insofern waren die martialischen Drohungen eher ein wechselseitiges Ablenkungsmanöver – haben die Präsidenten beider Staaten doch ein innen­ politisches Interesse daran, Stärke zu beweisen. Die Drohgebärden nützen sowohl Wladimir Putin als auch Donald Trump: Mit Blick auf ihren Macht­ erhalt geht es ihnen in erster Linie um die Gunst des eigenen Volkes.


Zwar hatte Trump explizit angekündigt, die beiden großen Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al­Assad zur Verantwortung zu ziehen, neben dem Iran also auch Russland. Doch Moskau hatte er in den Augen seiner Landsleute ohnehin schon empfindlich getroffen, indem er Wirtschaftssanktionen, die ihm der Kongress abgenötigt hatte, verhängte.


Hauptsponsor des internationalen Terrorismus


Seitdem haben sich Trumps Vergeltungsdrohungen auf den Iran konzentriert. Syrien könnte sich als Nebenkriegsschauplatz für die Auseinandersetzung der USA mit dem Iran erweisen. Der Iran ist der treueste Unterstützer der Assad-Regierung. Iraner kämpfen an der Seite syrischer Soldaten. Sollte das Assad-Regime entgegen allen Warnungen noch einmal Giftgas einsetzen und damit die Zivilbevölkerung erneut in Mitleidenschaft ziehen, würde US-Oberbefehlshaber Trump vermutlich einmal mehr dem Iran den Tod von „beautiful babies“ und „Gottes Geschöpfen“ anlasten.


Die Einmischung Irans in Syrien dient den USA als moralische und geostrategische Rechtfertigung für ihr weiteres Vorgehen gegen das Regime in Teheran. Als Erstes könnten die nächsten US-Luftangriffe auch Kräfte treffen, die in Syrien vom Iran unterstützt werden. Auch die Luftbrücke dieser Truppen – sie geht teilweise über irakisches Luftgebiet – kann von den USA unterbunden werden.


Die Geheimdienste der USA beschuldigen den Iran schon seit Längerem, Terrorgruppen zu finanzieren, zu trainieren und sie mit Waffen auszurüsten, damit diese gegen US-Truppen im Irak kämpfen. Aus Sicht der USA ist der Iran der Hauptsponsor des internationalen Terrorismus, der über die Hamas und Hisbollah auch Israel bedroht und Assads Regime in Syrien unterstützt.


Israel, der engste Verbündete der Trump-Regierung in der Region, hat den Iran in Syrien bereits wiederholt mit Luftschlägen empfindlich getroffen. Im Süden Syriens liefern sich Israel und der Iran einen Kampf um die Lufthoheit. Israels Angriffe richten sich vor allem gegen die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, einen engen Verbündeten der syrischen Armee. Die Hisbollah gilt als verlängerter Arm des Iran.


Präventivschläge gegen das iranische Regime?


Israel will mit allen Mitteln verhindern, dass der Iran seine regionale Machtposition ausweitet. Nicht ohne Grund: Die iranische Führung hat oft genug betont, das Land müsse von der Landkarte getilgt werden. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnt umso dringlicher vor einem geheimen Atomprogramm des Iran. Israel ist bereit, eine härtere Auseinandersetzung der USA gegen den Iran zu unterstützen.


Die USA könnten, nachdem sie das Nuklearabkommen mit dem Iran aufgekündigt haben, alsbald weitere Konsequenzen folgen lassen. Sollten Trump und seine Sicherheitsberater zu der Einschätzung kommen, dass der Iran Atombomben baut, werden sie schnell reagieren und Präventivschläge gegen den Iran führen oder zunächst Israel oder Saudi-Arabien dazu freie Hand lassen.


Militärschläge würden die Instabilität in einer Region fördern, die weit entfernt von den USA liegt. Ein Krieg würde es dem Rivalen China er­ schweren, dringend benötigte Rohstoffe aus dieser Region zu beziehen und weiteren Einfluss zu gewinnen.


China wäre umso mehr auf russisches Öl und Gas angewiesen, das Russland wegen der Instabilität im Nahen und Mittleren Osten dann zu höheren Preisen verkaufen könnte. Deshalb hätte Russland, abgesehen von verbalen Protesten, wohl wenig einzuwenden, denn die Machthaber in Mos­ kau sind dringend auf höhere Energiepreise angewiesen, um Russlands von Öl­ und Gasexporten abhängige Wirtschaft und damit das politische System zu stabilisieren.


Viel stärker als die Sanktionen haben zwischenzeitlich die niedrigen Ölpreise den Machtapparat in Moskau in die Bredouille gebracht. Denn die Stabilität des russischen Regimes hängt wesentlich von den Einnahmen aus den Energieexporten ab. Sollten die verkauften Mengen an Öl und Gas oder der dafür veranschlagte Preis über einen längeren Zeitraum spürbar sinken, wäre Putins autokratische Herrschaft gefährdet.


Im Kreml ist man fest davon überzeugt, dass der Untergang der Sowjetunion – laut Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts – weniger durch das Rüstungswettrennen und die wirtschaftliche Schwäche als hauptsächlich durch die – von Saudi-Arabien verursachten – niedrigen Ölpreise befördert wurde. Es wäre demnach von iranischer Seite naiv, zu erwarten, dass der Architekt eines weiterhin von Öleinnahmen abhängigen „Neu-Russland“ Washington in den Arm fallen würde, wenn die USA nach der Aufkündigung des Nukleardeals mit Präventivschlägen gegen das iranische Regime vorgingen.


Für ein härteres Vorgehen gegen den Iran spricht auch ein neues mögliches Kriegskabinett in Washington: Trumps Außenminister Mike Pompeo ist, anders als sein Vorgänger Rex Tillerson, in der Iran-Frage ein Hardliner. Ex-Außenminister Tillerson hatte bis zu seiner Entlassung durch eine Twittermeldung des Präsidenten am Nuklearabkommen mit dem Iran festgehalten. An seiner Seite wusste er dabei die Mehrheit seiner europäischen Amtskollegen. Trumps neuer Sicherheitsberater John Bolton fordert hingegen seit Längerem, mit Bomben die iranische Atombombe zu verhindern: „To Stop Iran’s Bomb, Bomb Iran“. Nachdem Bolton im Kriegskabinett von George W. Bush von besonneneren Köpfen wie Condoleezza Rice und Colin Powell in Schach gehalten werden konnte, scheint nun die Stunde des Hardliners an der Seite des ebenso risikofreudigen Präsidenten gekommen zu sein.


Die innenpolitischen Risiken eines Waffengangs gegen den Iran wären nicht allzu groß. Im Gegenteil: Ein Militärschlag könnte Trump sogar helfen, die Wagenburgmentalität seiner Anhänger zu festigen. Die durch eine militärische Konfrontation verursachten Ölpreissteigerungen würden auch von Schiefergas-Produzenten der USA begrüßt, die wegen hoher Produktionskosten und drückender Finanzierungslasten bereits in ihrer Existenz bedroht sind. Merklich höhere Ölpreise würden zwar einerseits viele amerikanische Konsumenten belasten. Doch bewahren sie andererseits die heimische Energieindustrie vor Konkursen und deren unmittelbaren und gravierenden Auswirkungen auf das amerikanische Finanz­ und Wirtschaftssystem.


„Rally-around-the-flag“-Effekt


Der US-Präsident hat noch einen weiteren innenpolitischen Anreiz für ein militärisches Vorgehen: Sollte Robert Mueller bei seinen aktuellen Sonderermittlungen stichhaltige Beweise vorlegen können, dass Trumps Wahlkampfteam und der US-Präsident von den russischen Aktivitäten gewusst oder sogar gezielt mit russischen Agenten zusammengearbeitet haben, müssten auch die Abgeordneten und Senatoren im Kongress ernsthaft ein Amtsenthebungsverfahren erwägen.


Es wäre jedoch eine weitere Ironie der US-amerikanischen Geschichte, wenn ausgerechnet jener Hoffnungsträger vieler westlich orientierter Beobachter zum „Treiber“ einer Dynamik würde, die Trump stärkt: Je mehr sich Sonderermittler Mueller mit Trumps ehemaligen Vertrauten in deren Strafverfahren mit sogenannten ''Plea Deals'' verständigt und sie mit ihren Aussagen den Präsidenten und seine Entourage in die Enge treiben helfen, desto höher wird das Risiko für Trump, seines Amtes enthoben zu werden. Doch umso größer wäre möglicherweise die Gefahr, dass Trump einen Krieg vom Zaun bricht: Im Fall gezielter Luftschläge gegen den Iran könnte Trump wohl auch mit dem „Rally­around­the­flag“­Effekt rechnen – also damit, dass sich im Krisenfall seine Landsleute patriotisch hinter ihren Präsidenten und Oberbefehlshaber stellen.


Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger in Deutschland und Europa sollten sich darauf einstellen, dass Trump entgegen den hierzu­ lande gehegten Hoffnungen nicht so schnell seines Amtes enthoben wird. Der amerikanische Präsident wird zudem die Sanktionen gegen den Iran weiter verschärfen und mit Härte gegen Firmen anderer Staaten vorgehen, die mit dem Iran weiterhin Geschäfte betreiben wollen. Schließlich ist zu bedenken, dass notfalls militärische Präventivschläge gegen den Iran unter anderem auch verhindern können, dass China einmal mehr Nutznießer westlicher Sanktionen ist.


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Josef Braml, geboren 1968 in Regen (Bayern), USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Autor des Blogs „Der USA- Experte“.

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