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Gründung der CDU in der SBZ/DDR: Vergebliches Ringen um Eigenständigkeit

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Die Geschichte der CDU in der DDR beginnt bereits unmittelbar nach ihrer Gründung in Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) mit der erzwungenen Anpassung an die politischen und ideologischen Vorstellungen der Besatzungsmacht. Ein sowjetischer Befehl vom 10. Juni 1945 zum Aufbau antifaschistischer Parteien in der SBZ unterstellte diese ausdrücklich der Kontrolle und den Weisungen der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), bei der die gesamte Verwaltungs- und Regierungskompetenz für den Bereich der SBZ lag. Auch durch die verordnete Einbindung aller Parteien in die rasch von der SED dominierte und kontrollierte „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ war eine wirklich freie Entfaltung von Anfang an nicht möglich. Die Absetzung der ersten Vorsitzenden der SBZ-CDU, Andreas Hermes und Walther Schreiber, bereits im Dezember 1945 – sie hatten sich gegen eine Bodenreform nach sowjetischem Gutdünken zur Wehr gesetzt – machte klar, dass die Besatzer der christlich-demokratischen Partei keine wirkliche Autonomie zugestehen wollten. Alles lief darauf hinaus, durch Verdrängung der demokratischen Parteien, durch Besetzung der Schaltstellen in der öffentlichen Verwaltung und in den gesellschaftlichen Organisationen sowie durch radikale Verstaatlichung des Handels, der Industrie und des Bankwesens nach sowjetischem Muster ein kommunistisches System in der SBZ zu errichten. Gegen diese Bestrebungen versuchten die „bürgerlichen“ Politiker – oft unter hohem persönlichen Risiko – zunächst den Weg der Selbstbehauptung und des Widerstandes, wie er etwa in den berühmten Worten Jakob Kaisers beim 2. Parteitag der SBZ-CDU Anfang September 1947 in Berlin zum Ausdruck kam: „Wir müssen und wir wollen Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus und seiner totalitären Tendenzen sein.“

 

Nach der DDR-Gründung verschärften die Sowjets und die SED die Repressionen gegen demokratische Politiker. Schon im Mai 1949 hatte Walter Ulbricht zum „revolutionären Kampf“ gegen die „bürgerlichen“ Parteien aufgerufen. Die schwierige Gratwanderung der Ost-CDU „zwischen Widerstand und Gleichschaltung“ in der Phase von 1948 bis 1952 liefert zahlreiche Beispiele für den massiven Druck auf die Fraktionen der CDU und der LDP in den Landtagen und kommunalen Parlamenten, wo beide zusammengenommen Ende der 1940er Jahre noch über z.T. beträchtliche Mehrheiten verfügten. Erzwungene Fraktionswechsel, Aberkennung parlamentarischer Mandate, Parteiausschlussverfahren und Schauprozesse waren keine Seltenheit. Politiker, die den kommunistischen Führungsanspruch kritisierten, wurden verhaftet, verurteilt, deportiert, zur Resignation veranlasst oder zur Flucht in den Westen getrieben. Bis zum Oktober 1950 verlor die CDU in der DDR ca. 25% ihrer Mitglieder. Von den 35 Unterzeichnern des Berliner Gründungsaufrufes von 1945 waren Mitte 1950 nur noch zwei in der DDR.

Die Mitgliedschaft der Ost-CDU war durch diese Repressionsmaßnahmen schwer eingeschüchtert. In Leitungsfunktionen gelangten nur noch SED-genehme Politiker, die Partei wurde innerhalb weniger Jahre zu einem willfährigen Hilfsorgan der SED umfunktioniert. Das gesamte parteiamtliche Schrifttum vor 1949 wurde „gesäubert“. Anfang 1950 wurden alle Chefredakteure von CDU-Organen abberufen. Die Konsequenz all dieser Prozesse war die „vorbehaltlose“ Anerkennung des SED-Führungsanspruchs beim 6. Parteitag der DDR-CDU im Oktober 1952 in Berlin. Das Prinzip des „Demokratischen Zentralismus“, also die einheitliche Gestaltung des gesamten Parteilebens nach den verbindlichen Weisungen aus der Parteizentrale, ersetzte fortan den demokratischen Entscheidungsfluss von der Basis an die Spitze. Die CDU war eine weitgehend „gleichgeschaltete“ Partei geworden.

Nach außen war das Bild der CDU in der DDR in der Folgezeit geprägt von SED-getreuen Funktionären. Gerald Götting, der die Partei von 1966 bis 1989 nahezu autokratisch führte, wurde nicht müde, die freundschaftliche Verbundenheit mit der SED und die Übereinstimmung der humanistischen Ziele des Sozialismus mit denen des Christentums zu betonen. Und die Satzung der CDU bekundete „Treue zum Sozialismus“ sowie die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Partei der Arbeiterklasse“, der gemäß §1 der DDR-Verfassung die führende Rolle im Staat zukam. Die offensichtliche Anpassungs- und Unterwerfungsbereitschaft gegenüber der SED hat den CDU-Mitgliedern pauschal die Charakterisierung als „Blockflöten“ eingetragen. Tatsächlich muss aber deutlich zwischen den Funktionseliten der Partei auf der einen und der Mitgliedschaft auf der anderen Seite differenziert, und es müssen auch verschiedene Phasen in der Geschichte der DDR-CDU unterschieden werden.

So kann man etwa feststellen, dass in den 1950er und 1960er Jahren die oppositionelle Haltung weiter Teile der Ost-CDU-Basis gegenüber der SED und die Unzufriedenheit mit der eigenen Parteileitung zunächst fortbestanden, allerdings wegen der zu erwartenden Folgen und der vorgenommenen „Säuberungen“ mit abnehmender Tendenz. An neuralgischen Punkten der DDR-Geschichte wie z.B. beim Juniaufstand 1953, beim Mauerbau 1961, beim sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 oder bei der Verhängung des Kriegsrechts in Polen 1981 wurde diese Kritik aus der Mitgliedschaft besonders virulent. So wurde im Zusammenhang der Ereignisse des 17. Juni in den Stimmungsberichten aus den Kreis- und Bezirksverbänden der Partei deutlich, dass die SED-These, westliche Provokateure und Saboteure hätten den Aufstand gelenkt, an der CDU-Basis keinen Glauben fand. Rücktritt der SED-Regierung und Freilassung von Häftlingen wurden gefordert, Presseschönfärberei, Spitzelsystem und Abhängigkeit der eigenen Parteileitung von den Weisungen der SED wurden scharf kritisiert. Auch als sich die CDU in der ersten Hälfte des Jahres 1953 an der Bekämpfung und Zerschlagung der Jungen Gemeinde durch SED, FDJ und staatliche Organe beteiligte und die kirchlichen Jugendgruppen als „Widerstandszentren gegen die neue demokratische Ordnung“ – so Götting im Ost-CDU-Zentralorgan „Neue Zeit“ am 28. März 1953 – diffamierte, forderte dies breiten Unmut in der Mitgliedschaft heraus, die sich gerade die Unterstützung der kirchlichen Jugendarbeit durch ihre Partei versprach. Kein Wunder also, dass die „befreundete Partei“ in den Augen der SED trotz aller Anpassungsbereitschaft ein unsicherer Kantonist blieb. In einem SED-Bericht zu den Ereignissen vom 17. Juni 1953 wurde die CDU als die Partei bezeichnet, in der am stärksten der Feind arbeitet. In Neubrandenburg wurden 1954 sechs CDU-Mitglieder wegen Kontakten zum CDU-Ostbüro zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In CDU-Stimmen aus dem Bezirk Suhl hieß es nach dem Mauerbau, die Grenzsicherungsmaßnahmen seien in Wirklichkeit nur gegen die eigene Bevölkerung gerichtet. Von der Mitte der 1950er Jahre bis 1961 verlor die CDU durch „Republikflucht“ – eine massive Form der Kritik – im Durchschnitt 2.000 Mitglieder pro Jahr. Obwohl in den folgenden Jahrzehnten das offizielle Gesicht der DDR-CDU geprägt war von den angepassten Funktionären der Götting-Riege, ist es nie gelungen, die gesamte Mitgliedschaft auf eine SED-treue Linie einzuschwören. Bis in die 1980er Jahre hinein hielt sich in der CDU und auch in den übrigen kleineren Blockparteien „ein verdecktes oppositionelles Potential“ (P.J. Lapp).

Manfred Agethen

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Analysen und Argumente
8. Mai 2015
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